Kosmetik aus der Uckermark

Ganz schön natürlich

Brauchen wir Shampoo oder Duschgel, das zu zwei Dritteln aus Wasser besteht? Aufwändig in Plastikflaschen verpackt, aus denen immer zu viel herauskommt? Ein kleines Unternehmen aus der Uckermark bietet Alternativen.

Von 
Klaus Sieg
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Wo ist denn das Sieb?!“ Anke Thoma reißt eine Schranktür nach der anderen auf. Töpfe und Schalen, Dosen, Pakete und Tüten kommen zum Vorschein, mit Lavendel, Mandelpulver, Thymian, Mohn, Kurkuma und vielen anderen Zutaten. Sind wir hier in einer Restaurantküche? Weit gefehlt, auch wenn es appetitlich riecht in der Naturseifenmanufaktur.

„Seit dem Umzug finde ich gar nichts mehr.“ Gerade erst ist die Unternehmerin in der Uckermark in die neuen Räume umgezogen, in einen Neubau auf dem Hof, auf dem sie mit ihrem Mann lebt. Rund 250 Quadratmeter sind es nun, auf denen sie mit ihren Mitarbeiterinnen Shampoos, Seifen, Badepralinen, Deodorants und Cremes herstellt. Alles per Hand und ausschließlich mit ökologischen Zutaten. Ohne Mikroplastik oder andere Erdölderivate, Konservierungsstoffe, chemische Färbung oder Desinfektionsmittel.

Die Naturseifenmanufaktur verzichtet aber nicht nur auf gefährliche Inhaltsstoffe: Ihre Gefäße können die Verbraucher immer wieder nutzen, sie einsenden und befüllen oder sich Nachschub in Pappe aus Altpapier schicken lassen. Das kommt an. Immer mehr Menschen wollen problematische Zutaten und Abfälle vermeiden.

Mit ihrem konsequenten Weg hat Anke Thoma in dem 100-Seelen-Örtchen Buchenhain ein kleines Wirtschaftswunder geschaffen. „Ich habe alleine in diesem Jahr drei neue Mitarbeiterinnen eingestellt.“ Die Naturseifenmanufaktur liegt am Dorfrand, hinter dem Ortsausgangsschild beginnen die Felder.

Es ist Dienstag. Die Produktion läuft auf Hochtouren. Den ganzen Vormittag haben zwei Mitarbeiterinnen verschiedene Naturöle für die Schafsmilch-Seife erwärmt. Die Butter der afrikanischen Kariténuss sorgt auch nach der Verseifung für einen hohen Anteil an Pflanzenbegleitstoffen. Die wirken pflegend und spenden Feuchtigkeit. Hanföl dagegen hemmt Entzündungen und Schuppenbildung. Andere Zutaten fördern die Härtung, wofür in Industrieseifen meist das preiswerte Palmöl zuständig ist, überwiegend von Plantagen, die sich immer weiter in den Regenwald hineinfressen.

„Lieben und rühren“

„Auf Palmöl verzichten wir aus ökologischen und ethischen Gründen“, erklärt Anke Thoma. Ebenso auf chemische Tenside zur Verbindung der unterschiedlichen Inhaltsstoffe oder auf Gelatine aus Knochenmehl für die passende Konsistenz. Wie aber wird dann die Verbindung der Öle bewerkstelligt? „Lieben und rühren.“

Anke Thoma lacht. Auf der grauen Arbeitsfläche vor ihr liegen Schneebesen und Pürierstäbe. Daneben stehen Kochtöpfe groß wie Eimer, auf die die Mitarbeiterinnen mit schneller Hand und schwarzem Filzstift Kürzel gekritzelt haben. „So wissen sie immer, welche Zutaten schon im Topf sind.“

Angefangen mit der Herstellung von Seifen und Shampoos hat die Mutter von drei Kindern in der eigenen Küche. In der Familie gab es Unverträglichkeiten mit den konventionellen Hygieneartikeln. Also begann sie, am heimischen Herd zu experimentieren. Langsam wuchs daraus ein kleines Geschäft, das sie bis vor wenigen Jahren neben ihrer Haupttätigkeit in einem Rechtsanwaltsbüro betrieb. „Damals gab es vielleicht mal fünf Bestellungen am Tag, überwiegend aus dem privaten Umfeld.“ Heute gehen täglich 150 Bestellungen ein, aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Neben Privatpersonen beliefert sie Apotheken, Bio- und Unverpackt-Läden, zudem Firmen, die ihre Produkte als Präsente nutzen. Ihre erste Mitarbeiterin stellte Anke Thoma vor acht Jahren ein. Heute sind es sieben. In der Mittagspause erzählen die Frauen, wie schwer es ist, in der Region eine Arbeit wie diese zu finden. Fair bezahlt, ohne Schichtdienst, interessant und nicht zu weit weg. „Beste Chefin“ nennen sie Anke Thoma. Dann klopfen sie wieder trockene Sprüche, reden über Kinder, die Hausarbeit oder die bevorstehende Kartoffelernte. Alle beackern nebenbei ein kleines Stück Land.

Nach der Pause wird es ernst. „Achtung Lauge!“ Anke Thoma schleppt die ersten zwei Eimer mit der klaren Flüssigkeit in den Produktionsraum. Sie trägt einen gelben Schutzanzug aus Plastik, der bei jeder Bewegung raschelt. Mit Lauge ist nicht zu spaßen. Auch die zwei Mitarbeiterinnen tragen Schutzanzüge und säurefeste Brillen. Sie bewegen sich durch den Raum wie Kosmonautinnen auf Landgang. Eine ist vorher schnell noch zum Kräuterschneiden in den Garten gehuscht. Aus Salbei, Lavendel und Minze püriert sie eine grüne Masse, die als Marmorierung in die Seife soll.

Immer etwas anders

Wenn die Lauge in die Ölmischung gekippt ist, muss es schnell gehen. Unter ständigem Rühren entsteht eine gelbe Masse, der man dabei zusehen kann, wie sie fester wird. Vorher kommen noch Schafsmilch und Duftstoffe hinein. Dann kippen die Frauen die zähe Masse in längliche Holzladen, geben die grüne Marmorierung hinein und streichen das Gemisch mit Spachteln glatt. Die Masse sieht aus wie Kartoffelpüree mit Basilikum-Pesto. Oder ein Marmorkuchen. Das wird über den Nachmittag mehrfach wiederholt.

Am Ende sind so viele Holzladen gefüllt, dass die Frauen in den nächsten Tagen 1000 Stück Seife daraus schneiden können. „Manufaktur kommt von Handarbeit.“ Anke Thoma nickt und befreit sich aus dem gelben Anzug. Sie wirkt erleichtert. Kurz vor dem gelungenen Ende stecken viel Zeit und Geld in dem Rohmaterial. Da sollte nichts schief gehen. „Das wird eine schöne Seife“, fügt sie hinzu. Auch wenn alles klappt, fällt die Seife jedes Mal ein bisschen anders aus. Wie bei einem Wein vom Winzer, der zwar immer gut und dennoch jedes Jahr unterschiedlich schmecken kann.

Geschick und Wissen

Nur mit viel Geschick und Wissen lassen sich 20 verschiedene Sorten Seife sowie zahlreiche andere Produkte zuverlässig in den erforderlichen Mengen Woche für Woche herstellen. Das meiste hat Anke Thoma sich angelesen, in Büchern und im Internet. „Lesen kann ich ja“, sagt sie. Eigentlich kommt sie nämlich aus dem Buchhandel. Nach dem Studium in Leipzig leitete Anke Thoma in Ostberlin eine renommierte Buchhandlung. Der Liebe wegen zog sie 1980 nach Templin. Auch dort war sie als Geschäftsführerin eines Buchladens tätig. Bis zur Wende. Sie übernahm das Geschäft, konnte es aber nicht halten. Verschiedene Berufstätigkeiten folgten, unter anderem als Sängerin für Kirchenmusik.

Anke Thoma gerät in Rage über das, was wir mit unserem Planeten anstellen. Mit ihrer Naturseifenmanufaktur bietet sie sehr weitreichende Lösungen an. Die erfolgreichste sind die festen Shampoos. Erfunden hat Anke Thoma sie nicht, dafür hat sie aber in jahrelanger Tüftelei 13 Sorten entwickelt, die sehr gut funktionieren. Im Gegensatz zu anderen festen Shampoos schäumen sie ausreichend, schonen die Kopfhaut und hinterlassen kein stumpfes Haar. Mit Zutaten wie Hanföl, Koffein, Arganöl, Rosenblütenwachs, Kokos, Honig, Weizenkeimöl oder Walnuss sind sie auf unterschiedliche Haar- und Hauttypen zugeschnitten.

Ein rundes Stück Shampoo, kaum größer als ein Marzipantaler oder portugiesisches Nata-Törtchen, reicht für 50 bis 80 Haarwäschen. Das Wasser dazu kommt erst aus dem Duschhahn. Nicht wie bei flüssigem Shampoo oder Duschgel, die zwei Drittel Wasser enthalten können. Das muss mit Konservierungsstoffen haltbar gemacht werden und verursacht aufgrund seines Gewichtes und Volumens einen hohen Transportaufwand. Zudem erfordern diese Produkte Plastikflaschen, die schließlich verbrannt oder aufwendig recycelt werden.

Kurz vor Feierabend liegen Kellen und Schneebesen auf der Arbeitsfläche, an denen eine gelbe Seifenkruste klebt. Anke Thoma legt eine Bettdecke über die Kästen mit der frisch hergestellten Schafsmilch-Seife. „So unterstützen wir die weitere chemische Reaktion.“ Unter anderem färbt sich die Seife noch einmal dunkel und erwärmt sich auf 50 Grad. Nach zwei Tagen ist sie dann wieder fest. „Manchmal komme ich nachts noch einmal rüber und gucke nach, ob das Kind auch gut schläft“, sagt Anke Thoma mit einem Augenzwinkern. „Das bringt mir dann Glücksgefühle.“ Seife macht also nicht nur sauber.

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