Tee sorgt selten für Kontroversen. Rooibos allerdings polarisiert: Für die einen ist das orangefarbene Gebräu die kulinarische Erleuchtung, sie schwören auf sein mildes Aroma und die gesunden Inhaltsstoffe. Für andere schmeckt es nach ausgekochten Socken. Doch selbst die Rooibos-Verachter halten seinen weltweiten Siegeszug nicht auf. Besonders in Deutschland hat der Tee Szene-Cafés und Supermärkte erobert, in Geschmacksvarianten von Aprikose über Karamell und Vanille bis Zimt.
Rooibos ist Afrikaans, also die Sprache der weißen Buren, der niederländischen Einwanderer, und bedeutet "Rotbusch". Es handelt sich um eine eigensinnige, eine sensible Pflanze, sie wächst nur an einem Ort auf der Welt: auf einem etwa 80 Kilometer langen und 40 Kilometer breiten Streifen um das alte Handelsstädtchen Clanwilliam in den Zederbergen, drei Autostunden nördlich von Kapstadt, inmitten zerklüfteter Landschaften und bizarrer Sandsteinformationen - im Wilden Westen Südafrikas.
Natürliches Monopol
Die wenigen Menschen, die hier siedeln, bauen Zitrusfrüchte an - oder eben Rooibos. Auf großen Feldern und in ordentlichen Zweierreihen stehen die etwa ein Meter hohen Büsche. "Rooibos braucht fünf Dinge, um zu wachsen: Winterregen, einen entwässernden Untergrund, denn er mag keinen nassen Füße, einen sauren Sandboden, heiße, trockene Sommer, und die Erde, die aus den Zederbergen angeschwemmt wird", erklärt Chris du Plessis. "Wenn du diese fünf Elemente vereinst, kannst du ihn auch in München anbauen." Chris ist der Rooibos-Kenner von Clanwilliam. Ein hagerer Mann mit grauem Bart. Um zu Chris zu gelangen, muss man sich die letzten 20 Kilometer auf einer Schotterpiste durchschütteln lassen, drei Viehgatter öffnen und wieder mit Draht verschließen und einen gesunden Orientierungssinn mitbringen.
Vor zwölf Jahren zog er sich mit seiner Frau Annette auf ein Landhaus zurück, legte einen botanischen Garten an und verschreibt sich seitdem der Geschichte und den Besonderheiten des Rooibos. Praktischerweise betreibt sein Schwager nicht weit weg eine Teefabrik. "Sie versuchen es immer noch in Australien, und die Amerikaner haben es natürlich auch probiert", sagt Chris. "In beiden Fällen schlug es fehl, weil sie nicht die Bedingungen kopieren konnten, die wir hier haben. Ich habe in Kapstadt versucht, Rooibos zu ziehen. Er wuchs nicht. Im Sommer ist es dort nicht trocken und heiß genug, der Boden nimmt nicht genug Wasser auf." All diese Fehlschläge ereignen sich sehr zur Freude der gut 400 Teepflanzer von Clanwilliam. Das natürliche Monopol und die große Nachfrage bescheren weißen und schwarzen Kleinbauern in dieser ärmlichen Gegend endlich ein zuverlässiges Einkommen.
Die Büsche wachsen nur im südafrikanischen Sommer, also von September bis Februar. Die geernteten Zweige werden sortiert und kleingehäckselt, auf einem fußballfeldgroßen Platz ausgebreitet, mit Wasser übergossen und mit Traktoren abwechselnd gewalzt und durchgemischt. So kann der Zellsaft austreten und mit Sauerstoff reagieren, also oxidieren. Die ursprünglich grünen Splitter färben sich rostrot - daher der Name. Wasserdampf sterilisiert sie, das ersetzt Konservierungsstoffe.
Geschützte Herkunft
Zwei Drittel der Produktion gehen ins Ausland, Deutschland ist dabei der größte Absatzmarkt. "Die Deutschen sind sehr gesundheitsbewusst", erklärt sich Chris dieses Phänomen. Man fragt sich freilich, wo all die Rooibos-Massen herkommen sollen, wenn das Anbaugebiet doch so beschränkt ist. Und tatsächlich tauchte in den vergangenen Jahren mehr "Rooibos-Tee" in Supermarktregalen weltweit auf, als die Ernte eigentlich erlauben würde. Der Boom hatte dazu geführt, dass Anbieter, die von der Mode profitieren wollen, ihre Produkte so oder ähnlich bezeichneten, obwohl sie allenfalls Spuren von Rotbusch enthielten. Seit Sommer 2014 ist die Herkunft des Rooibos zumindest in Europa geschützt; ein Handelsabkommen zwischen EU und Südafrika reiht ihn ein in die Palette EU-geschützter Ursprungsbezeichnungen wie etwa Champagner oder Feta.
In Europa verkauft er sich auch wegen seiner vermeintlichen Exotik so gut, wegen seines Buschtee-Mythos'. San-Malereien und Sonnenuntergangs-Bilder auf den Teeschachteln beschwören ihn. Rooibos-Tee wird clever vermarktet als heilsame Erfindung der San, der ursprünglichen Bewohner Südafrikas. San, Jäger und Sammler, die sich Tee brühen? Bei dieser Vorstellung muss Chris lachen. "Das ist Unsinn, die San tranken keinen Tee. Sie haben die einheimischen Pflanzen nur in Wasser getaucht, um eine Tinktur herzustellen. So haben dann auch die weißen Siedler den Tee kennengelernt - als Medizin."
Die Idee dazu, Rooibos als Tee anzubauen, hatte 1904 Benjamin Ginsberg, ein russischer Einwanderer aus einer Teehändlerfamilie, der den San die Nutzung als Heilpflanze abschaute. Wenn man heute nach den Heilwirkungen fragt, kann Chris eine Menge auflisten: Er soll helfen bei Allergien, Heuschnupfen, Asthma, Juckreiz, bei Magen- und Darmbeschwerden, bei Bluthochdruck, Schlaflosigkeit und als Tinktur gegen Sonnenbrände. Außerdem enthalte er weder Teein noch bittere, magenreizende Gerbstoffe.
Weiße auf der Packung
In Südafrika gilt Rooibos bis heute als Arme-Leute-Tee, als Getränk derjenigen, die sich teure Importe aus Indien nicht leisten können. Armer weißer Leute wohlgemerkt - er war nie der Tee der Unterdrückten, der San oder der Schwarzen, sondern der Unterdrücker, der Buren. In südafrikanischen Supermärkten zeigen die Verpackungen teeselige weiße Familien.
Aber auch beim Tee ändern sich seit dem Ende der Apartheid - also der der staatlich festgelegten Rassentrennung in Südafrika - die Zeiten: Als er sich 2010 von seinen öffentlichen Aufgaben als Erzbischof der anglikanischen Kirche zurückzog, kündigte Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu an, fortan vor allem in Ruhe seinen Rooibos-Tee genießen zu wollen.
Zederberge
Rooibos wächst auf einem etwa 80 Kilometer langen und 40 Kilometer breiten Streifen um das alte Handelsstädtchen Clanwilliam in den Zederbergen, drei Autostunden nördlich von Kapstadt.
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