Auf bloßen Füßen rast sie mit Tempo 70 über die Mosel. Lässig hebt sie bei voller Fahrt das eine Bein, dann dreht sie sich um sich selbst. Stefanie Kirsch ist eine der wenigen Barfußwasserski-Läuferinnen in Deutschland. Und sie ist eine der Besten der Welt. Schon viermal hat die 45-Jährige den Weltmeistertitel geholt, gerade wieder in Australien - beim Springen über eine Rampe. Hinzu kommen 14 erste Plätze bei Europameisterschaften. "Die deutschen Meistertitel habe ich nicht gezählt", sagt die Sportmedizinerin, die seit fast 30 Jahren barfuß fährt.
Es sind nicht die Füße, die kitzeln, wenn Kirsch über die Mosel saust, sondern die Nerven. "Die Geschwindigkeit macht den Reiz aus", sagt sie zwischen zwei Läufen auf einem Boot in Schleich (Kreis Trier-Saarburg). Man müsse schon aufpassen, dass man nicht stürze. "Wasser ist ja hart wie Beton". Bis auf ein paar blaue Flecken habe sie sich aber bislang nicht verletzt. "Man kann das Stürzen lernen. Wenn man sich wie beim Judo abrollt, ist es nicht so schlimm."
Dreimal die Woche Training
Dreimal die Woche trainiert sie auf der Mosel. Mal lässt sie sich von ihrem Mann Franz Kirsch an einer Stange seitlich vom Motorboot ziehen, mal an einem 23 Meter langen Seil hinterher. Oft mit dabei ist Tochter Jacky Kirsch (14), die bei der Weltmeisterschaft im australischen Mulwala bei den Junioren in der Kategorie Trick den vierten Platz gemacht hat. "Mir macht die Geschwindigkeit Spaß", sagt die Juniorin. Sie sei das jüngste Mädchen in Deutschland, die bei Wettkämpfen antrete.
Bundesweit gebe es etwa 100 Barfuß-Wasserskiläufer, sagt der Barfuß-Experte beim deutschen Wasserski- und Wakeboardverband, Stefan Wörpel, in Berlin. Rund 40 davon seien regelmäßig bei Wettkämpfen dabei. "Barfußwasserski ist ein Nischensport", meint er. Das liege daran, dass man bestimmte Voraussetzungen brauche: ruhiges, glattes Wasser - und keinen Bootsverkehr. Und dann sei auch stets ein Boot mit Fahrer nötig. "Das ist ja nicht wie beim Laufen: Schuhe an und los geht's!" Auf der Mosel bei Schleich sind die Bedingungen ideal: Unweit der Schleuse Detzem staut sich das Wasser an einer großen Insel. Wenn ein Wakeboarder Wellen macht und das Barfuß-Training stört, wird abgewartet, bis das Wasser wieder ruhig ist.
Im kalten Winter kann Kirsch aber nicht auf der Mosel trainieren. Da stünden dann Krafttraining und Fitness auf dem Programm. Und ab und zu fliegt die Mehrfach-Weltmeisterin dann in wärmere Länder zum Üben: etwa in die USA nach Florida. Stefanie Kirsch sei "Weltklasse", sagt Wörpel. Es sei besonders, dass die Moselanerin es geschafft habe, über solch einen langen Zeitraum "ein hohes Niveau zu halten".
1988 erstmals Weltmeisterin
Zum ersten Mal war Kirsch 1988 Weltmeisterin - ebenfalls in der Kategorie Springen, die als schwierigste gilt. Bundesweit gebe es etwa fünf Frauen, die den Sport intensiv betrieben, sagt Wörpel. Insgesamt sei der Wasserskisport auch mit dem trendigen Wakeboard in Deutschland "extrem im Aufwind". Die Zahl der Seilbahn-Anlagen an Gewässern habe sich bundesweit bereits auf rund 60 erhöht. "An einem Tag mit schönem Wetter fahren in Deutschland etwa 150 000 Menschen Wasserski", sagt Wörpel.
Und hat Kirsch bei all dem Training ohne Bretter keine Hornhaut unter den Füßen? "Nein, ich habe ganz normale Füße", sagt sie. Nur am Anfang einer Saison habe sie immer eine Art Muskelkater unter der Fußsohle. "Das nennen wir dann ,Sockenbrand'."
Barfußwasserski
Barfußwasserski ist eine Unterform der Sportart. Hierbei wird auf die Skier verzichtet und man fährt auf den "nackten" Füßen bei hoher Geschwindigkeit.
Diese Art wird nur von erfahrenen Wasserskiläufern betrieben und benötigt einiges an Training. Außerdem wird eine äußerst ruhige und saubere Wasseroberfläche benötigt.
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