Das "Caffè Ristretto" mit süditalienischem Flair mitten im "ewigen" Trendviertel Westend, dem mit etwa 25 000 Einwohnern zweitkleinsten Stadtbezirk Münchens. Pünktlich und frisch rasiert erscheint der 53-jährige Frank-Markus Barwasser zum Frühstückstermin. Cordhütle, rot-weißes Karohemd und Herrenhandtasche seines "Alter Ego" Erwin Pelzig hat er im Schrank gelassen, mit dem V-förmigen Ausschnitt seines dunkelblauen Pullovers, unter dem ein weißes T-Shirt hervorlugt, den legeren Jeans und seiner Nickelbrille ginge der Würzburger problemlos als Langzeitstudent durch.
Opulente Brunchs sind ihm ein Graus, er bestellt sich nur einen Cappuccino, in dessen Milchschaum ein Herz gezaubert ist, und einen nach Urlaub duftenden Schinken-Käse-Toast. "Durch meinen unregelmäßigen Lebensrhythmus frühstücke ich eher wie ein Bettler", verrät er grinsend. "Vor einer Fernsehsendung stehe ich zwar früh auf, kriege aber noch nicht viel runter. Und auf Tour geht der Tag mittags eher mit einer warmen Mahlzeit los."
Barwasser liebt seinen Beruf als Kabarettist mit Haut und Haar, er sieht es als großes Privileg an, genau das tun zu dürfen, was ihm Spaß macht, und Leute zum Lachen zu bringen. Auch wenn er mit seinem ursprünglichen Berufswunsch, ernsthafter Schauspieler zu werden, kläglich scheiterte. "Je ernster ich eine Rolle spielen wollte, desto komischer wurde es."
Hobbys brauche er keine, um sich zu regenerieren - "von was auch?" Wenn ein Programm nach monatelanger Arbeit ankommt, ist ihm das Belohnung genug. Wenn er dann an einer Spielstätte ein von ihm selbst entworfenes Plakat mit Erwin Pelzigs Konterfei am Straßenrand entdeckt, überkommt ihn ein demütiges Glücksgefühl. "Jeder Künstler ist auch narzisstisch veranlagt, sonst stände er nicht auf der Bühne", plaudert Barwasser, der neben seiner Fernsehtätigkeit 40 bis 50 Bühnenauftritte pro Jahr absolviert.
Erwin Pelzig fügt sofort im breiten Fränkisch hinzu: "Ich gebe Frank-Markus Sicherheit, wenn sein Lampenfieber losgeht, haue ich uns beide wieder heraus. Auf mich kann er sich verlassen, wir leben ja seit fast 20 Jahren in einer symbiotischen Beziehung." Barwasser trennt jedoch strikt zwischen Realperson und Bühnenfigur. "Sollte ich eines Tages anfangen, Pelzigs Klamotten auch privat zu tragen, dann höre ich auf."
Anfänge an Privattheater
Ursprünglich ist Erwin Pelzig, neben dem konservativem Dr. Göbel und der Figur des einfach gestrickten Hartmut, nur ein Typus in einer Nummernrevue, die Barwasser Anfang der 80er an einem Würzburger Privattheater entwickelt. Zuvor studiert er Politikwissenschaften, Neuere Geschichte und Ethnologie in München und Salamanca, ehe es ihn als Reporter zum Bayerischen Rundfunk zieht. Parallel verhilft er der Kunstfigur Erwin Pelzig durch eine wöchentliche Satire-Reihe im Radioprogramm von Bayern 3 sowie seit 1993 mit verschiedenen Bühnenprogrammen zu Popularität.
Mit seinem karnevalesk wirkenden Outfit, dem Dialektwitz treu ergeben, bleibt Erwin Pelzig seiner kleinkarierten Welt affirmativ treu, sehr zum Leidwesen seines Schöpfers. "Gerne hätte ich auch einmal etwas Schönes angezogen und wäre als normaler, sympathischer Mensch auf der Bühne gestanden", seufzt Barwasser. Aber der Erfolg lässt beiden keine Wahl.
Seit 15 Jahren moderiert Pelzig nun schon seinen eigenen Kabarett-Talk, aktuell mit dem Sendetitel "Pelzig hält sich" mit der giftig eingefärbten, alkoholfreien Kult-Bowle, die er seinen drei bis vier Gästen pro Sendung mit sichtlichem Vergnügen kredenzt. Parallel zu seiner eigenen Sendung beerbt Pelzig im Oktober 2010 bei der ZDF-Satireshow "Neues aus der Anstalt" Georg Schramm als Korrektiv zu Urban Priol. Gerade hat das Erfolgsgespann - hier der hektische, tagesaktuelle Priol, dort der gelassen-gemütliche, strukturelle und abseitige Themen anpackende Pelzig - bekanntgegeben, die Sendereihe nach noch zwei ausstehenden Sendungen am 27. August und 1. Oktober nach insgesamt 62 Folgen zu verlassen. "Wir wollen den Gaul nicht totreiten", erklärt Barwasser.
Comedy oder Kabarett, das sei ihm einerlei, eine Unterscheidung, die nur Journalisten brauchen, sagt der ausgebildete Redakteur. Als er vor zwei Jahren den Deutschen Comedypreis annahm, erntete er dafür auch Kritik. Für Barwasser, nein für Pelzig, ist diese Unterscheidung Makulatur. Wenn er einen Politiker mit der Formulierung unterbricht, "jeds' reden Sie doch ned wie a Bolidiger", die Verflechtungen zwischen den Dax-Unternehmen auf ein Flipchart kritzelt oder seinem Gast Jürgen Trittin das Buch seines vorherigen Gesprächspartners Günther Beckstein in die Hand drückt, sind das große Momente in der Kleinkunst.
"Während die Anstalt ein dialogisiertes, inszeniertes Ding war, kann ich bei meiner Gesprächssendung gar nicht proben", plaudert Barwasser aus dem Nähkästchen. Natürlich bereitet er sich auch auf seine TV-Sendung penibel vor, antizipiert unterschiedliche Gesprächsverläufe, ohne zu sehr an den vorbereiteten Fragen zu kleben.
Für jeden Gast nimmt er sich 14 Minuten lang Zeit, Pelzig ist kein Populist, er ist ein Perfektionist, der Philosoph unter den Kabarettisten, der Umwege geht, Sackgassen nutzt, um die Widersprüche und Zwangslagen aufzuzeigen, in denen sich seine Gesprächspartner manchmal befinden.
Frank-Markus Barwasser
Frank-Markus Barwasser, geboren am 16. Februar 1960 in Würzburg, lebt seit sieben Jahren im Münchner Westend. Seit 20 Jahren schlüpft er in die Rolle des Erwin Pelzig. Pelzig ist ein Typus am Würzburger Puppentheater, der neben zwei weiteren noch heute eingesetzten Figuren, dem konservativen Dr. Göbel und dem einfach gestrickten Hartmut, besonders gut beim Publikum ankommt. Überregional bekannt wird Pelzig durch zahlreiche kabarettistische Bühnenprogramme. Am 11. Juni 1996 feierte die Gesprächssendung "Aufgemerkt! Pelzig unterhält sich" beim Bayerischen Rundfunk Premiere. Wegen des zunehmenden Erfolgs läuft die Sendung seit 2007 auch im ersten Programm.
Am 14. Dezember 2013 gastiert Erwin Pelzig mit seinem aktuellen Programm "Pelzig stellt sich" im Mannheimer Capitol.
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