Ein Rückblick

Zeitreise: Mannheimer Maimarkt seit 1613 - Ausfälle nur wegen Kriegen, Pest und der Pandemie

Nach zwei Jahren Pause wegen der Corona-Pandemie wird an diesem Samstag wieder der Mannheimer Maimarkt eröffnet. Er geht immerhin auf das Jahr 1613 zurück. Nur während der großen Kriege und der Pest ist er bisher ausgefallen. Grund für einen Rückblick.

Von 
Peter W. Ragge
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© Marchivum/Mannheimer Ausstellungsgesellschaft

Mannheim. Sie waren brav, die Mannheimer, so wie sich der Stadtgründer das erwünscht und erhofft hat. 1607 ruft Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz die Stadt Mannheim und die Festung Friedrichsburg ins Leben. Wenn die Anzahl der Bürger „sich vermehren und zunehmen werde“, sagt er der jungen Stadt weitere Privilegien zu.

1610 stirbt der Gründer aber. Nicht nur ein bekanntes Studentenlied („Bin scheint’s wieder voll gewest!“) sagt ihm Trunksucht nach. Bei seinem Tod ist er erst 36 Jahre alt, und sein Sohn Friedrich V. – der später als „Winterkönig“ bekannt wird und scheitert – zu jung, um die Kurpfalz zu regieren. Bis 1614 führt Pfalzgraf Johann II. als sein Vormund das Zepter, und daher ist er es, auf den der Maimarkt zurückgeht.

Schutz gegen Zölle

Am 10. September 1613 bittet er an seinem Regierungssitz Heidelberg seinen Schreiber zu sich und lässt den Siegellack warm machen. „Wir, Johannes von Gottes Gnaden, bekennen und thun kund . . .“, beginnt die als Abschrift im Generallandesarchiv verwahrte Urkunde. „Nachdem die ehrsamen, unsere lieben Getreuen, der kurfürstlichen Pfalz Unterthanen, Schultheiß, Rath und ganze Gemeindt zu Manheim uns supplicando unterthänigst . . .“, heißt es da, nachdem sie also flehentlich den Herrscher gebeten hätten, sie „mit zwei Jahrmärkten gnädiglich zu befreien und zu begnaden“, so werden diese laut Urkunde ebenso „gnädiglich gegönnt, bewilligt und erlaubt“ – und zwar zu zwei Terminen: „einen uf Philippi-Jacobi“, sprich zum 1. Mai, und einen acht Tage vor Michaelis, also vor dem 29. September. Beide Termine gelten bis heute – mit Maimarkt und Maimess einerseits, andererseits mit Herbstmess und dem verkaufsoffenem Sonntag Anfang Oktober.

© Marchivum/Mannheimer Ausstellungsgesellschaft

Allen Untertanen wird „ernstlich befehligt“, dass sie die Märkte „schützen und schirmen“. Ohne solche Genehmigungen des Regenten dürfen keine Märkte abgehalten werden – mit seinen Privilegien freilich genießen Kunden wie Händler den Schutz des Kurfürsten, der dafür wiederum für aus den Nachbarländern eingeführte Waren reichlich Zölle kassiert. Stadtväter und Kurfürst erkennen schnell, dass Mannheim – zentral in der Kurpfalz sowie an Neckar und Rhein gelegen – sich hervorragend für einen Markt eignet, weil die Landbevölkerung aus der ganzen Region hierher kommen kann und zugleich Waren per Schiff aus Worms, Speyer, aber auch Straßburg und Mainz geliefert werden.

Viehhändler und Gaukler

Die ersten Maimärkte sind auf dem Marktplatz im heutigen Quadrat G 1. Viehhändler errichten hölzerne Gatter. In erster Linie wechseln Schweine, Rinder und Pferde den Besitzer. Aber auch Krämer bieten Gewürze feil, es gibt Hausrat und Stoffe zu kaufen – eigentlich alles, was man braucht, denn ohne solche Märkte kann die Bevölkerung zu jener Zeit nur das kaufen, was in der Stadt selbst hergestellt wird. Aber auch Gaukler sind da, Wahrsager, Bänkelsänger, Quacksalber, Dudelsackpfeifer und andere Volksbelustigungen, sogar Raubtiervorführungen zählen alte Chroniken auf.

Im 17. Jahrhundert gibt es aber auch mehrere Unterbrechungen der jungen Maimarkt-Tradition – zeitweise im Dreißigjährigen Krieg 1618 bis 1648 und wegen der Pest 1666.

Maimarkt und Maimess: Besucher-Tipps

Anschrift: Maimarktgelände, Xaver-Fuhr-Str. 101, 68163 Mannheim.

Öffnungszeiten: vom 30. April bis 10. Mai täglich von 9 bis 18 Uhr.

Eintritt: An der Tageskasse zahlen Erwachsene 8,50 Euro, Kinder (6 bis 14 Jahre) und Mitglieder von Gruppen 5 Euro. Kinder unter 6 Jahren haben freien Eintritt. Für Nachmittagsbesucher bietet das Nach-16-Uhr-Ticket für 4,50 Euro an allen elf Tagen ab 16 Uhr Einlass zum Maimarktgelände. Empfehlenswert ist das VRN-Maimarkt-Ticket: Im Preis von nur 10 Euro für Erwachsene und 5,50 Euro für Kinder sind Hinfahrt, Eintritt und Rückfahrt enthalten. Alle Eintrittskarten gelten für den Maimarkt einschließlich Stehplatztribüne im Reitstadion.

Anfahrt: Das Maimarktgelände ist direkt neben der Autobahn A 656. Die Wege sind ausgeschildert. Neben dem Großparkplatz (Ausschilderung: P 20) gibt es viele weitere Parkplätze, zum Beispiel an der SAP Arena. Die Stadtbahn-Linie 6/6A fährt direkt bis zum Maimarktgelände. Nahverkehrszüge der Deutschen Bahn und S-Bahn halten in kurzem Takt an der Station Arena/Maimarkt. Die Buslinie 50, Montag bis Freitag auch die Linie 45, fährt aus nördlichen und südlichen Stadtteilen zum Haupteingang. Das Radvermietsystem „VRNnextbike“ wird links vor dem Haupteingang installiert. Dort befinden sich zahlreiche Abstellmöglichkeiten für Fahrräder.

Maimess: Die Maimess auf dem Neuen Meßplatz, die ja auch auf das Marktprivileg von 1613 zurückgeht, dauert bis Sonntag, 8. Mai. Sie ist Sonntag bis Donnerstag von 13 bis 23 Uhr, Freitag und Samstag von 13 bis 24 Uhr geöffnet. Wer mit den VRN-Tages-Tickets zur Maimess fährt, erhält am Gültigkeitstag an vielen Geschäften einen Rabatt von 2,50 Euro. pwr

Gar 16 Tage dauert der Maimarkt im 18. Jahrhundert auf dem Marktplatz, wo es aber bald zu eng wird. „Man kauft nicht nur auf dem Markte, sondern auch in den Arkaden unter dem Kaufhause und auch in den Straßen sind hier und da Buden eingerichtet“, schildert der schwäbische Dichter Freiherr Gottfried von Rothenstein in dem Buch „Lustreise in die Rheingegend“ den Maimarkt, wie er sich Richtung Paradeplatz und Kaufhaus N 1 ausgedehnt hat. „Man kann alles haben, was man will“, beschreibt er die Warenfülle.

Kurfürst Carl Philipp spielt sogar mit dem Gedanken, Mannheim zu einem großen Handels- und Messestandort wie Leipzig oder Frankfurt auszubauen – und lässt daher 1724 das Kaufhaus in N 1 errichten. Porzellan, Schmuck, Seide, Mode aus Paris oder Waren aus Ostindien preisen Händler da an.

Für den Verkehr gesperrt

Geschäfte werden per Handschlag abgeschlossen, und historischen Schilderungen zufolge herrscht ein ziemliches Gewusel, ja Durcheinander. Erst 1803, als die alte Kurpfalz aufgelöst wird und Mannheim zu Baden kommt, beschließen die Stadtväter eine Marktordnung. 1832 wird der Maimarkt zu Maifesttagen aufgewertet – um des Besuchs von Großherzog Leopold zwei Jahre zuvor zu gedenken. Ferner beschließen die Stadtväter, alle Armen der Stadt zum Maimarkt mit zwei Pfund Fleisch, vier Pfund Brot und zwei Schoppen Wein zu beschenken.

Am 8. Mai 1836 galoppieren Vierbeiner erstmals über den damaligen Exerzierplatz, gelegen östlich der Otto-Beck-Straße auf dem heute mit der Oststadt bebauten Areal. Außer Warenverkauf und Viehhandel will die Stadt zu den „Maifesttagen“ Unterhaltung fürs Volk bieten. Der Landwirtschaftliche Bezirksverein ergreift die Initiative zu diesem Vorläufer der heutigen Pferderennen.

© Marchivum/Mannheimer Ausstellungsgesellschaft

Längst erstreckt sich zu jener Zeit das Maimarkt-Treiben auf zahlreiche Quadrate. Rindvieh wird in G 1 gehandelt, Pferdehändler nutzen den Fruchtmarkt vor E 4, Schweine werden vor D 3 angeboten. In den Verlängerten Planken, die für den Verkehr gesperrt sind, ist eine dicke Sandschicht ausgestreut, damit da Pferde vorgeführt werden können., „wobei im Trab straßauf, straßab gelaufen werden mußte“, schreibt der Adelsheimer Architekt Johannes Fischer in einem Reisebericht.

In seinem Text ist auch davon die Rede, dass „das Heer der Drehorgelspieler, Musikbanden, Harfenistinnen, Bären- und Kameltreiber, bettelnder Krüppel auf das die Messe besuchende Publikum losgelassen wurde“ und das „ohrenzerreißende Konzert in allen Straßen der Stadt schon 6 Uhr morgens beginnt“, wie er staunt. „Mit Kind und Kegel rückte man aus, um die Sehenswürdigkeiten in Augenschein zu nehmen“, schildert er die Szenerie, beschreibt überfüllte Lokale: „Überall ein Summen wie in einem Bienenschwarm, dazwischen Musik, Gesang, Geschrei, Produktion von Artisten“.

Doch bald schwächeln der Pferde- und der Viehmarkt – weil der Platz zu knapp ist und Märkte in der Region den Mannheimern immer mehr Konkurrenz machen. Gemeinderat und Landwirtschaftlicher Bezirksverein gründen daher ein Pferdemarkt-Komitee, entscheiden sich für den Bau einer neuen Halle und die Stadt gewährt dem Komitee für die Prämierung von vorgeführten Tieren einen Zuschuss von 100 Gulden – der Beginn der Tierprämierungen, die es noch heute gibt.

Mehrfache Umzüge

Beschlossen wird aber auch ein Umzug aus den Quadraten auf die – damals unbebauten – Glacis-Wiesen, wo heute der Wasserturm steht. Ab 1866 wird dort der Maimarkt abgehalten. Bald kommen landwirtschaftliche Maschinen dazu. Heinrich Lanz, der 1859 in die Spedition von seinem Vater eintritt, eine Abteilung für die Vermittlung landwirtschaftlicher Maschinen aus England gründet und bald selbst Futterschneid- oder Erntemaschinen produziert, nutzt den Maimarkt gerne.

1872 vermerkt ein Ratsprotokoll Gespräche der Stadt mit der Verwaltung der Eisenbahn, sie möge zusätzliche Züge nach Mannheim einsetzen – damit weitere Besucher zum Maimarkt strömen können.

Den nächsten tiefen Einschnitt bildet das Jahr 1876. Die Schaubuden verschwinden endgültig aus den Planken, die Vergnügungsmesse wird abgetrennt und auf den großen, freien Platz vor dem gerade neu entstehenden Stadtteil Neckarstadt angesiedelt – den heutigen Alten Meßplatz, der freilich erst ab 1886 fertig angelegt ist. Artisten, Jongleure, Karussells, Buden, Panorama und Affentheater finden nun dort statt.

Der Vieh- und Verkaufsmarkt dagegen zieht ab dem Jahr 1900 auf den neu eröffneten Schlacht- und Viehhof hinter der wachsenden Schwetzingerstadt um. Die Stadt dankt der großherzoglichen Regierung für die „Hebung des Marktes“, und vor der Tier-Prämierung wird ein „stürmisch aufgenommenes dreifaches Hoch auf unseren Landesfürsten“ in der Chronik vom Marchivum hervorgehoben. Für das Jahr 1900 ist auch erstmals das legendäre Rindfleischessen von Vertretern der Stadt und wichtigen Akteuren des Maimarktes erwähnt, das bis heute an Maimarktdienstag stattfindet.

Einen tiefen Einschnitt stellen die beiden Weltkriege dar. Vom 1. bis 15. Mai 1949, also noch vor der Verkündung des Grundgesetzes, gibt es aber wieder einen Maimarkt – erstmals nach Naziherrschaft und Bombenhagel. Knapp 300 Aussteller kommen in den vorderen, von Kriegszerstörungen weitgehend verschont gebliebenen Teil des Rosengartens. 50 000 Besucher freuen sich über die Hauptattraktion – es gibt Würstchen, ohne das man die dafür noch üblichen Bezugsscheine oder Lebensmittelkarten vorweisen muss. Die werden erst 1950 abgeschafft.

1952 kehrt der Maimarkt an den angestammten Platz im Schlachthof zurück, doch die Besucherzahlen sinken – trotz Wirtschaftswunder ist er für die Stadt ein Verlustgeschäft. Gerade mal 17 000 Besucher kommen 1958. Die Stadt erkundigt sich daher nach möglichen privaten Veranstaltern, denen sie einen Neuanfang zutrauen kann – und bekommt eine kleine Firma empfohlen, die in der Nachkriegszeit hauswirtschaftliche Ausstellungen oder Fachmessen mit Erfolg auf die Beine stellt. Fritz Glunk ist der Chef, Kurt Langer sein leitender Mitarbeiter.

Diesem Unternehmen vertraut die Stadt den Maimarkt an – es wird eine absolut gelungene Privatisierung. Ein Grund für den Aufschwung ist der neue Standort, nämlich der Friedensplatz an der Theodor-Heuss-Anlage. Zum ersten Maimarkt dort 1962 strömen 107 000 Besucher. Anfangs Teilhaber von Glunk, trägt Kurt Langer ab Ende der 1960er Jahre mit seiner heute von seiner Tochter Stephany Goschmann und Jan Goschmann geführten – Mannheimer Ausstellungsgesellschaft (MAG) alleine die Verantwortung. Mit Mut, Ideenreichtum, sicherem Gespür für Trends, Organisationstalent und auch persönliches Zupacken macht er den Maimarkt zur erfolgreichsten deutschen Regionalausstellung.

Die Rekordjahre

Langer pflegt weiter die landwirtschaftlichen Wurzeln des Maimarkts, etwa die Tierschauen, aber er erweitert das Spektrum um eine nie da gewesene Vielfalt an Branchen, etwa Haushaltsgeräte, Textilien, den großen Bereich Bauen und Wohnen, reichert das riesige Angebot mit nichtkommerziellen, aktuellen Informations- und Sonderschauen sowie immer mal wieder mit Kuriosa an. Auf ihn geht die Idee für das Fertighauscenter zurück, er fördert das ab 1964 eingeführte Reitturnier, holt prominente Gäste, sorgt ständig für Abwechslung.

1979 zählen die Kontrolleure an den Eingängen 408 208 Besucher, es ist bis dahin der absolute Rekord. Um ihn zu brechen, muss der Maimarkt erneut umziehen. 442 975 Besucher werden 1985 gezählt, beim ersten Maimarkt auf dem Mühlfeld. Dabei gibt es erst Skepsis, ja enormen Widerstand, als klar wird, dass der Friedensplatz doch nicht – wie die Stadt noch 1973 schreibt – „endgültiger Standort“ des Maimarkts ist.

Millionenumsatz

Als Mannheim den – ersehnten – Zuschlag für den Bau des Landesmuseums für Technik und Arbeit (heute Technoseum) erhält, wird das nämlich auf dem Friedensplatz angesiedelt. Dafür entscheidet die Stadt 1981, den Maimarkt auf ein zuvor landwirtschaftlich genutztes Areal östlich des Flugplatzes zu verlegen. In zweijähriger Bauzeit werden dazu über 200 000 Kubikmeter Erde bewegt, das Bauprojekt wird sogar vier Millionen D-Mark billiger als zunächst veranschlagt. Ein Bürgerbegehren dagegen unterzeichnen zwar mehr als 33 000 Menschen, aber es wird aus formalen Gründen gar nicht erst zugelassen.

Rückblickend zeigt sich auch, dass alle Befürchtungen nicht eingetreten sind: Der Maimarkt, 1989 um die Maimarkthalle und diese 1992 um einen Anbau ergänzt, hat sich im Mühlfeld, wenn das auch weit vorn der Innenstadt entfernt liegt, ganz prächtig entwickelt. Er ist immer noch die größte Regionalausstellung Deutschlands mit einem Umsatz durch Aussteller und Besucher, der schon vor zehn Jahren auf über 300 Millionen Euro taxiert worden ist. Und er ist zwar die älteste Institution der Stadt, aber jung geblieben, weil er sich immer wieder erneuert hat. „Philippi Jacobi“, der 1. Mai, ist unverändert einer der wichtigsten, da besucherstärksten Tage – wie einst in der Bewilligung 1613 festgehalten.

Redaktion Chefreporter

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