Vor einer Zerreißprobe steht, was nicht mehr recht zusammenzuhalten vermag – eine Ehe, ganze Gesellschaften oder auch ein bestimmtes, nicht allzu festes Material, auf das eine große Kraft einwirkt. Wenn das Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen seine aktuelle Ausstellung eben „Zerreißprobe“ nennt, so schwingt alles das mit und soll es wohl auch. Worum es zunächst und vor allem in der neuen Schau geht, erklärt der Untertitel: „Pop-Collagen von Warhol bis Polke“.
Dem Sammler Beck zu Ehren
Eine inzwischen auch schon historische, aber populär gebliebene Strömung nimmt man in Ludwigshafen also ins Visier, am Beispiel von insgesamt 90 Arbeiten von noch bekannten oder auch heute weniger bekannten Kunstschaffenden. Sie alle stammen aus der insgesamt 2500 Werke umfassenden Sammlung Beck, die der Düsseldorfer Rechtsanwalt und Kunstsammler Heinz Beck dem Museum vermacht hat. Er würde in diesem Jahr 100 Jahre alt, die Ausstellung erinnert auch daran.
Was ihr Thema angeht, so nimmt sie mit in den Blick, was künstlerisch der Pop-Art vorausging, denn die Collage hat als Kunstform schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Licht der Welt erblickt, im Dadaismus, bei Picasso oder im Surrealismus, die in einige der hier gezeigten Werke noch hineinwirken. Und angesichts neuerer elektronischer Bildmedien bleibt das Leitthema des neu Zusammenfügens ja ohnehin aktuell.
Unterteilt ist die Präsentation im gesamten Sockelgeschoss des Museums in fünf thematische Einheiten. Eine davon lautet „Worte“, weil zuweilen auch Wörter collagiert wurden, im Stil der konkreten Poesie, etwa von Franz Mon; wie die Resultate klingen, lässt sich an einer Hörstation erfahren. Vielfalt ist auch bei den rein bildkünstlerischen Gattungen gegeben, nicht nur gedruckte Collagen sind zu sehen, sondern auch dreidimensionale Objekte. Sie alle eint, was der Grundimpuls der Pop-Art war, nämlich eine nicht elitäre, sondern leicht zugängliche und auch erschwingliche Kunst zu schaffen, als Gegensatz zum damals noch vorherrschenden abstrakten Expressionismus und zum Informel.
Alltäglich und stark auf die jeweilige Entstehungszeit bezogen wirken diese Arbeiten oft, schon deshalb, weil einem etwa Zeitungsausschnitte, überhaupt mediale Inhalte oder ganz gewöhnliche Dinge des täglichen Lebens in ihnen begegnen. Andy Warhol ist mit zwei Siebdrucken vertreten, die verschiedene Aufnahmen von Jackie Kennedy kombinieren. Robert Rauschenberg hat bildlich Facetten der 1960er-Jahre collagiert: Man sieht Janis Joplin, Studentenprotest, John F. und Robert Kennedy oder US-Soldaten im offenen Jeep, aufgenommen mutmaßlich in Vietnam.
Spielerischer, ironischer und auch abstrakter wirken dagegen Arbeiten von Sigmar Polke oder Daniel Spoerri. Insgesamt erscheint die europäische und besonders die deutsche Spielart der Popkunst politischer und eher noch gesellschaftskritisch als die US-amerikanische. Wenn Mel Ramos eine nackte Frau in Pinup-Pose ins Bild setzt, mag das zwar auch als Kritik am ungezügelten Kapitalismus gelesen werden, der alles als käufliche Ware begreift, deutlicher politisch und unmissverständlicher drückt sich aber etwa Helga Kämpf-Jansen aus, eine der wenigen weiblichen Kunstschaffenden, die hier vertreten sind: In ihrem „Busenbuch“ thematisiert sie Geschlechterrollen und weibliche Selbstbestimmung.
Gesellschaftskritischer Impuls
Am Ende des Gangs durch die facettenreiche Ausstellung trifft man auch auf den Heidelberger Plakatkünstler Klaus Staeck. Wenn er in einer „Neufassung“ des entsprechenden Grundgesetz-Artikels formuliert: „Eigentum verpflichtet zur Ausbeutung“ oder über einem Jumbojet und schicken Sportwagen den Schriftzug „Keine Freiheit ohne Verschwendung“ setzt, dann wird schnell klar, dass solche Kunst ihren gesellschaftskritischen Impuls bewahrt hat und aktuell geblieben ist.
Dass diese Schau lediglich historisch interessant wäre, stimmt auch insgesamt nicht. Denn vieles hier lohnt eine erneute Betrachtung.
Bis 2. Juli geöffnet
Die Ausstellung „Zerreißprobe“ wird am Freitag, 5. Mai, um 18 Uhr im Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen (Berliner Straße 23) eröffnet.
Kuratiert wurde die Schau von Julia Nebenführ.
Sie ist bis 2. Juli im Wilhelm-Hack-Museum zu sehen, und zwar dienstags, mittwochs und freitags von 11 bis 18 Uhr, donnerstags von 11 bis 20 Uhr sowie samstags, sonn- und feiertags von 10 bis 18 Uhr.
Zur Schau selbst gibt es keinen Katalog, im Museumsshopwerden aber zwei Bücher zur Sammlung Beck angeboten.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/leben/erleben_artikel,-erleben-wilhelm-hack-museum-schau-mit-pop-collagen-ist-facettenreich-_arid,2080311.html