Biennale für aktuelle Fotografie

Vielfältige Ausstellungen im Rahmen der Fotobiennale

Von 
Thomas Groß
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Kunst will wirken. Das gilt eigentlich immer, im Fall der auf der Biennale für aktuelle Fotografie gezeigten Arbeiten aber noch besonders. Wobei sich die Frage stellt, ob die in sechs Stationen in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg vereinigten Bildwerke von rund 40 Urhebern wirklich Kunst sind oder es sein wollen. Ebenso ist das eine Art Journalismus oder gleich politischer Aktivismus. Der Zweck, die Wirkungsabsicht steht überwiegend im Vordergrund, die Wahl der (künstlerischen) Mittel erscheint vielfach sekundär. Sabine Schirra, Leiterin des Mannheimer Kulturamts und Vorstandsvorsitzende der Biennale, spricht in einem Grußwort denn auch von einer „ausgesprochen politischen Biennale“.

Einem die Kunst als solche übersteigenden, allgemeinen Ziel verschreiben sich diese Arbeiten. Man will zum Erhalt von Natur und Welt beitragen, den Raubbau stoppen helfen und mitwirken am Aufbau einer gerechten Weltgesellschaft. Deshalb werden in dem von der Holländerin Iris Sikking kuratierten Projekt ökologische Katastrophen ebenso in den Blick genommen wie etwa indigene Völker, die für ein Leben im Einklang mit der Natur stehen, aber von Profitinteressen bedroht sind.

Oft findet das einen bitterernsten, trüben Ausdruck. Nur sehr selten sind die Arbeiten so bonbonbunt wie im Fall der deutsch-albanischen Künstlerin Anna Ehrenstein, die im Mannheimer Hauptbahnhof Aufmerksamkeit auf die Biennale lenkt. Ihre Bildcollagen, die auch im Port 25 zu sehen sind, zeigen aufgestylte afroamerikanische Menschen mit modischen Alltagsgegenständen. Das Plakat über dem Bahnhofseingang benennt, nun ja: recht plakativ Mittel, um eine gerechte Gesellschaft zu erreichen („The tools for a just society“). Auch hier kommt es auf die Wirkung an, denn es geht erneut um den eigenen Standpunkt, den man finden soll, entsprechend dem freilich mehrdeutigen Gesamttitel der Schau „From where I stand“.

Haltung ist gefragt. Vieles hier lässt einen nicht kalt, zu manchem hätte man sich indes detailliertere Informationen gewünscht als die im luftigen Katalog und in Wandtexten erwähnten – ein Umstand, der umso schwerer wiegt, da überwiegend Arbeiten vereinigt sind, die zwar sinnliche Qualität verbürgen, aber aus sich selbst heraus nur ansatzweise verständlich sind. Spürbar ist das auch im Heidelberger Kunstverein, wo es um negative Veränderungen in Ökosystemen geht. Maria Sturm dokumentiert in einer Fotoserie eine von Betonbauten zurückgedrängte Natur. Nur im Bildhintergrund erscheint sie als intakte Einheit, führt ansonsten ein kümmerliches Nischendasein. Die Bauten suggerieren Kälte; Menschen gibt es nicht in dem Zyklus, der ein kritisches Licht auf den mit Heidelberg auch wirtschaftlich eng verbundenen Baustoff Zement werfen möchte.

Harmonischer Anschein trügt

Andere Arbeiten im Kunstverein zeigen eine harmonisch wirkende oder geheimnisvoll schimmernde Natur, doch der Schein trügt: Das niederländische Duo Robert Knoth und Antoinette de Jong etwa hat seine Bilder in Fukushima aufgenommen, wo es vor elf Jahren zur nuklearen Katastrophe kam. Was dann im Port 25 in Mannheim vereinigt ist, lässt sich als auflockerndes Intermezzo begreifen. Neben der erwähnten Anna Ehrenstein erweckt eine muntere Videocollage der Holländerin Anouk Kruithof die meiste Aufmerksamkeit. Auf 16 Bildschirmen vereinigt sie Online-Tanzvideos aus aller Welt; die Stile reichen von Standard, Breakdance und allerlei Folklore bis zur freien Improvisation, unterlegt ist das stets mit derselben rhythmischen Musik. Eine Arbeit, die Heiterkeit verbreitet.

Die reichhaltigste und wohl beste Werkauswahl dieser Biennale findet man in der Mannheimer Kunsthalle. Sie dreht sich um Landschaften, um die ein Streit entbrannt ist: „Contested Landscapes“ lautet die Überschrift. Facetten des Edelmetalls Gold beleuchtet die Britin Lisa Barnard, während der Nigerianer Aàdesokan dem Weg des Plastikmülls folgt, der im Westen überwiegend nicht recycelt, sondern in Entwicklungsländer exportiert wird. In Lagos, der Heimatstadt des Künstlers, landen Unmengen davon auf einer riesigen Deponie und bilden den unwirtlichen Lebensraum vieler Menschen, die hier mit passenden Verfremdungseffekten porträtiert sind.

Ein Baum als Bild der Welt

Auch die Erhabenheit weitgehend unberührter Natur wird in Szene gesetzt. Misha Vallejo Prut aus Ecuador zeigt Angehörige des Kichwa-Stammes, die im beeindruckend fotografierten Amazonasgebiet leben und sich gegen den Abbau von Bodenschätzen auflehnen. Einen Sieg haben sie errungen, sehen sich aber nun mit weiteren Absichten, nach Erdöl zu bohren, konfrontiert. Auf eine vertrautere Landschaft trifft das Publikum im Videofilm der Niederländerin Awoiska van der Molen: die Bergwelt Tirols; der österreichische Komponist Thomas Larcher, der das Projekt initiierte, hat dazu die passenden Töne gesetzt.

Stimmig, obgleich viel weniger harmonisch wirkt auch die Fotoserie „Forest“ (Wald) der gebürtigen Chinesin Yan Wang Preston. Sie dokumentiert aufwendige Bemühungen in China, um unwirtliche Städte ein wenig zu begrünen. Ein Bild zeigt einen mit großen Nägeln gespickten Baumstamm. Schlicht wirkt die Fotografie, ist aber sehr eindrücklich und von großer Aussagekraft: Ein Martyrium erleidet die Natur – und wir, die wir ein Teil von ihr sind, erleiden es mit. Inhalt und Form kommen ganz leicht überein. Und erst recht hier besteht kein Zweifel: Wir müssen dem umgehend Einhalt gebieten. (Ein weiterer Bericht folgt)

Bis 22. Mai geöffnet

Die Biennale für aktuelle Fotografie ist bis 22. Mai in den beteiligten Institutionen der Region zu sehen. Stationen sind in Mannheim die Kunsthalle, Port 25 sowie das Museum Weltkulturen der Reiss-Engelhorn-Museen, das Wilhelm-Hack-Museum in Ludwigshafen und der dortige Kunstverein sowie derjenige in Heidelberg.

Der Eintrittspreis ist dem persönlichen Ermessen überlassen, nur in der Kunsthalle steht er fest (12/10 Euro).

Zu den sechs Ausstellungen gibt es ein großes Begleitprogramm. Dazu zählen die Reihe „Fotografie & Nachhaltigkeit“, eine „Lange Nacht der Fotografie“ (13. Mai) oder das „Artist Weekend“ (13.-15. Mai), zu dem viele Künstlerinnen und Künstler kommen.

Der Katalog zur Biennale kostet in den Ausstellungshäusern 16 Euro.

Die Foto-Biennale im Internet: biennalefotografie.de

Redaktion Kulturredakteur, zuständig für Literatur, Kunst und Film.

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