Ludwigshafen. Wenn wir uns gruseln, stellen sich langsam die Nackenhaare auf, ein Schaudern durchläuft unseren Körper. Wir bekommen Gänsehaut. Weil das Unheimliche uns fasziniert. „Insbesondere dann, wenn es um Orte geht, die wir gut kennen“, sagt Steffen Boiselle, der vielleicht bekannteste Zeichner und Karikaturist der Pfalz. Boiselle ist aber auch Verleger und hat pünktlich zu Halloween den schaurig-schönen Bildband „Spukorte in der Pfalz - Von Irrlichtern, Geisterhunden und Weißen Frauen“ herausgebracht.
Veränderter Blick
Wir treffen Boiselle in der Geistgasse im Ludwigshafener Stadtteil Oggersheim. Die Nebelschwaden lichten sich gerade, die Herbstsonne taucht die Gasse in ein warmes Licht. Ein Paketbote rangiert mit seinem Transporter, eine Frau steigt auf ihr Rad, ein Rentner spaziert die Straße entlang. Wenig unheimlich. Eigentlich. Denn um die kleine Gasse in der Nähe der Wallfahrtskirche ranken sich echte Schauergeschichten. „In der Geistgasse hörte man noch Mitte des 19. Jahrhunderts schlimmes Kettenrasseln - so grässlich, dass es die Menschen in Schrecken versetzte“, schreibt Autor Ulrich Magin im neuen Bildband. Einmal will eine Frau dort ein „geisterhaftes rotscheckiges Kalb“ gesehen haben, das unvermittelt unsichtbar wurde. „Die Schauergeschichte hat mir als Kind schon Angst gemacht, zumal der Großvater meiner Mutter in der Geistgasse gewohnt hat“, sagt Boiselle, der in Oggersheim aufgewachsen ist, und lacht. Gruselige Geschichten, die man einmal gehört habe, blieben tief im Gedächtnis verankert, sagt er. Sie verändern den Blick auf das Bekannte, legen sich wie ein Schleier über die Plätze, die wir zu kennen glauben.
Woher kommt unsere Angstlust?
Das Gefühl des Gruselns haben wir Menschen über Generationen hinweg kultiviert, schreibt der Psychologe Peter Walschburger auf spektrum.de, dem Online-Wissenschaftsportal der Zeitschrift Spektrum der Wissenschaft. Aber warum erschaudern wir so gerne? „Gerade in Situationen, in denen wir uns sicher und geborgen fühlen, haben wir die Möglichkeit, auf spielerische Art verschiedenste neue Erfahrungen zu sammeln.“ Wir könnten dabei gefahrlos erproben, wie gut wir beispielsweise mit Aufregung und Bedrohung, also mit negativen Gefühlen, umgehen können. „Wer sogenannte Angstlust empfindet, etwa beim Ansehen von Filmen wie ,Der Exorzist’, ist zunächst unangenehm erregt. Diese Anspannung weicht dann mitunter einem Gefühl der Erleichterung und Freude“, erklärt der Psychologe.
„Spukorte in der Pfalz“
Der Bildband „Spukorte in der Pfalz“ ist im Oktober im Agiro Verlag des bekannten Zeichners und Karikaturisten Steffen Boiselle erschienen.
Darin werden knapp 80 Orte in der Pfalz beschrieben, um die sich gruselige Sagen ranken.
Autor der Texte ist der Ludwigshafener Journalist und Mystery-Experte Ulrich Magin, die Fotografien stammen von Peter Kauert.
Bildband „Spukorte in der Pfalz“, Hardcover, 152 Seiten, 26,90 Euro. agp
Autor und Mystery-Experte Ulrich Magin hat für den „Spukorte“-Band fast 80 „Spukberichte“ zusammengetragen. Legenden, die sich um Orte in der Pfalz ranken, „die Menschen in der Pfalz früher erlebt haben und auch heute noch immer durchleben und erfahren“, so Magin. Darunter bekannte Plätze wie der Ungeheuersee bei Leistadt, wo Waldgeister um Mitternacht Besucher packen sollen oder das Kloster Limburg, das vom Teufel heimgesucht worden sein soll, weil er den Bau des Klosters verhindern wollte. Und die Wolfsburg, auf der der Geist eines Raubritters spuken soll. Die Wolfsburg zählt zu rund 100 Burgen, die in der Pfalz bis heute in den Himmel ragen. Meist allerdings nur noch in Form von Ruinen - als Spuren einer längst vergangenen Zeit.
„So viel Geschichte bedeutet auch unermessliches Leid, und von diesem Leid künden die Geister, die dort umgehen“, schreibt Magin in seinem Vorwort. „Nicht alle Spukerscheinungen sind bloß Sagen oder märchenhafte Geschichten - denn selbst heute noch sehen und erleben Menschen, die Burgen und Felsen in der Pfalz besuchen, schemenhafte Formen, hören nachts im Wald unheimliche Geräusche oder spüren, wie sich ihnen unvermittelt etwas Unbestimmtes, etwas Kaltes nähert.“ Und zack, ist sie wieder da, die Gänsehaut, die irgendwie auch wohlig-warm unseren Körper überzieht.
Persönliche Spukerfahrung
Eine solche Erfahrung machte auch der Fotograf Peter Kauert, dessen Schwarz-Weiß-Aufnahmen den Band illustrieren. So war Kauert mit seinem Hund Sam in der Burgruine Neudahn unterwegs. Ganz allein, die Grillen zirpten. „Die Szenerie war fast schon unwirklich“, erinnert sich der Fotograf. Da blieb Sam unvermittelt an der Schwelle zum Treppenturm stehen. Er weigerte sich strikt, mit ins Innere des Turms zu kommen. Und dann passierte noch etwas: „Das Zirpen war schlagartig nicht mehr zu hören“, so Kauert. Beklemmende Stille. „Zudem sank die Temperatur um mehrere Grad.“
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