Schauspiel

Phantastische Theaterreise: "Die gleißende Welt" in Heidelberg

Im Zwinger des Heidelberger Stadttheaters kam "Die gleißende Welt" des Autorenduos F. Wiesel zur Uraufführung. Die phantastische Theaterrreise nach Utopia hat viele Qualitäten

Von 
Eckhard Britsch
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Szene aus der Heidelberger Produktion „Gleißendes Licht“. © Susanne Reichardt

Heidelberg. Seltsame Wesen treiben im Zwinger des Heidelberger Theaters ihr Unwesen. Aus dem Dunkel der Bühne mag ein Dowland-Song das Publikum einstimmen auf eine unruhige Zeit, als England um 1666 von Pest und Brand, von Missernten und politischen Umbrüchen geschüttelt wurde. Seltsam, dass gleichzeitig die Wissenschaften aufblühten; ein frühes Mikroskop gab irritierende Einblicke ins Kleinste und Newtons fallender Apfel ins Größte. Hier tauchte die Autorin Margaret Cavendish quasi aus dem Nichts mit ihrem Werk „The Blazing World - Die gleißende Welt“ auf, und der Roman ging als Vorläufer von Science-Fiction in die Literaturgeschichte ein.

Seltsame Tierwesen aus der Bühne

Hanke Wilsmann und Jost von Harleßem nennen sich F. Wiesel und haben „Die gleißende Welt“ im und mit dem Theater Heidelberg als schillernde Uraufführung eingerichtet, in der skurrile Fabelwesen in lichter Kostümierung den Traum einer heileren Welt reflektieren. Denn eine junge Frau strandet nach einer Irrfahrt jenseits des Nordpols in einer Parallelwelt. Dort avanciert sie, frisch und schön und scheinbar klug, schnell zur Königin und möchte ihre Ideen von einer besseren Gesellschaft durch Ordnung verordnen; stößt natürlich an politische und philosophische Grenzen, denn die Königin stellt sich als ziemlich naiv heraus und - die ideale Welt bleibt ein unerreichbares Ideal.

Da tummeln sich also seltsame Tierwesen auf der Bühne rings um die Kaiserin (Marie Dziomber); Anne Riekhof, Hendrik Richter, Sarah Wissner, Helga Lázár und Jakob Bussmann (auch Musiker) tauchen als Wurm-, Vogel-, Fuchs- und Bärenmenschen lustvoll hinein in munteres Treiben, durchsetzt von ironischen Textbezügen, nachdenklichen Querverweisen und griffigen Spielszenen. Kurzum: heitere Unterhaltung. Im Wechsel von Hell und Dunkel werden die in Weiß gekleideten Figuren (Kostüme: Naomi Kean) durcheinander gewürfelt; die spätere Kaiserin weiß zuerst nicht, wie ihr geschieht in der fremden, skurrilen Welt, ehe sie die Rolle der Herrscherin genießt. Das versteht sich durchaus als Parabel dafür, wie schnell Menschen nach Macht süchtig werden können und wie sich die Ideen von einer besseren Welt relativieren. Denn die neue Kaiserin will nicht weniger, als dass ihr die Welt gehorche einschließlich vieler Planeten.

Kein absolutes Wissen

Von einigen kleinen Längen abgesehen überzeugt das intensive Spiel der sechs Akteure im Zwinger des Theaters Heidelberg, das vom Premierenpublikum mit ebenso intensivem Beifall belohnt wurde.

Was wäre dennoch anzumerken an dieser gleißend hellen und heilen Theaterwelt? Die Produktion tut Margaret Cavendish insofern ein wenig Unrecht, als deren ernsthafte Auseinandersetzung mit Naturwissenschaft und Philosophie, Staatskunst und Gesellschaft aus heutiger Sicht gewiss zu seltsamen Ergebnissen führt, im damaligen Kontext aber ohne Zweifel die wissenschaftliche Diskussion belebte und Erkenntnisse hinterfragte. Denn diese Lehre gilt zeitunabhängig: Wissen ist dummerweise nie absolut.

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