Ein König zu Besuch

Neudahn gehört wegen der massiven Geschütztürme zu den Exoten unter den Pfälzer Burgen. 1552 übernachtete hier Heinrich II. von Frankreich. Sagen erzählen von Schätzen und einem Raubritter, der trotz aller Raffinesse seinen Kopf verliert.

Von 
Klaus Backes
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Wenn von Dahner Burgen die Rede ist, denken die meisten an das spektakuläre Burgentrio, das auf dem Felsriff über der Stadt thront. Dagegen fällt der Bekanntheitsgrad von Neudahn, das etwa drei Kilometer nordwestlich liegt, drastisch ab.

Erbaut wurde die Burg vermutlich um die Mitte des 13. Jahrhunderts. Wann genau und von wem weiß niemand. Ohnehin zählt die Beschäftigung mit der Familiengeschichte der Herren von Dahn nicht zu den leichtesten Übungen. Da nämlich die Mitglieder auf den nahe beieinanderliegenden Burgen leben, fällt es oft schwer, sie den einzelnen Bauwerken zuzuordnen.

Daran verzweifelt sogar der Pfarrer und Historiker Johann Georg Lehmann, der Mitte des 19. Jahrhunderts das erste Standardwerk über Pfälzer Burgen verfasst und dafür bekannt ist, auch komplizierteste Sachverhalte aufzudröseln: „Die Geschichte der Schwesterburgen Alttan, Neutan und Tanstein kann, weil einer Familie zugehörend, nicht gut von einander getrennt werden.“

Bischof greift ein

Selbst in der Sagenwelt herrscht Verwirrung: So wird der Raubritter Stophes mal der Altdahn, mal der Neudahn zugeschrieben. Ein raffinierter Verbrecher, der alle Listen seiner Zunft kennt. So nagelt er seinem Pferd die Hufeisen verkehrt auf oder umwickelt die Hufe mit Lumpen und Stroh, um seine Verfolger zu täuschen.

Als Stophes sein Unwesen einige Zeit getrieben hat und nie dabei erwischt worden ist, geht in der geplagten Bevölkerung das Gerücht um, dass er mit dem Teufel im Bunde steht und dieser ihn hieb- und stichfest gemacht hat. Schließlich reicht es seinem Lehnsherrn, dem Bischof von Speyer. Er beschließt, der Raubritterei des Dahners ein Ende zu machen.

Mit einem mächtigen Heer zieht der Bischof vor die Burg, und seine Geschütze brechen die Mauern. Stophes wird mit einigen Spießgesellen gefangen genommen und auf dem Speyerer Marktplatz geköpft. Im Verlies der Burg finden die Eroberer Gefangene und Skelette von Menschen, die nicht gegen Lösegeld freigekommen waren. Noch heute sollen in stürmischen Nächten die Klagen der Sterbenden zu hören sein.

Ein qualvoller Tod

Die erste zweifelsfreie Nennung der Burg erfolgt im Jahr 1340. Als Lehen der Bischöfe von Speyer verfügen die Herren von Dahn über die Anlage. 1353 erhält Ritter Johann III. gar Altdahn, Neudahn und Tanstein. Seine Söhne begründen eine Altdahner und eine Neudahner Linie. Als Strafe für die Teilnahme an einer Fehde um die Burg Tannenberg an der Bergstraße im Jahr 1399 lässt König Ruprecht I. Neudahn konfiszieren, das erst 1403 wieder an die Familie zurückkommt.

Bis ins 16. Jahrhundert hinein ist außer Erbfolgen und den damit verbundenen Streitigkeiten wenig über die Schicksale der Burg bekannt. 1552 erhält Neudahn hohen Besuch: Auf seinem Kriegszug gegen König Karl V. übernachtet der französische König Heinrich II. auf der Burg des Christoph von Dahn, „als eben seine Hausfrau in der Kindbett lage“, wie eine Chronik berichtet. Nur sieben Jahre später wird Heinrich einen grässlichen Tod sterben.

Bei einem Turnier am 30. Juni 1559 fliegt ein Lanzensplitter durch das Visier von Heinrichs Helm, zerstört ein Auge und dringt in sein Gehirn ein. Trotz Notoperation stirbt er am 10. Juli 1559 nach furchtbarem Leiden. Seine letzte Ruhe findet er in der Basilika von St. Denis, der Grabstätte der französischen Könige. Im 16. Jahrhundert erfolgt eine umfassende Umgestaltung der Burg, um sich gegen einen Angriff mit Feuerwaffen wehren zu können. So entstehen die beiden mächtigen, durch eine Zwischenmauer verbundenen Batterietürme. Sie haben eine Höhe von etwa 24 Metern. Der östliche Turm, der die Burg gegen die Angriffsseite abzudecken hatte, ist mit 10,4 Metern Durchmesser erheblich stärker als der westliche mit lediglich 7,2 Metern. Der Zugang erfolgt über eine Wendeltreppe im Westturm.

Abschreckend wirken sollen die Schießscharten, die teilweise die Form von Löwenmäulern und verzerrten menschlichen Fratzen haben. Zu den modernsten Architekturformen der Zeit zählt die dreieckige Bastei, auch Ravelin genannt. Sie legt sich an der Hauptangriffsseite schützend vor die Burg. Die Keilform soll bewirken, dass Geschosse nach den Seiten abgelenkt werden.

Abstürzende Kanonen

Nun ist unbekannt, wann genau Neudahn umgestaltet wurde. Falls dies nach 1523 geschieht, müsste den Bauherrn die Sinnlosigkeit des Unterfangens klar gewesen sein. Denn in diesem Jahr beschießen und erobern die Truppen des Erzbischofs von Trier, des Pfalzgrafen bei Rhein und des Landgrafen von Hessen die für den Artilleriekampf umgestaltete Burg Nanstein des Söldnerunternehmers Franz von Sickingen. Sie lassen ihre schweren Geschütze immer auf die gleiche Stelle des großen Batterieturms feuern.

Burgenexperte Peter Pohlit beschreibt die Wirkung: „Die aufschlagenden Kugeln verursachten für sich allein relativ geringe Schäden. Sie erzeugten aber im Mauerwerk zunehmend stärker werdende gegensätzliche Schwingungen, die selbst den dicksten Mauerverband zu lockern vermochten. Franz musste tatenlos mit ansehen, wie sein großes, angeblich festes Rondell mehr und mehr auseinanderbrach, wie die herabstürzenden Kanonen die Stockwerke durchschlugen und vom Wirrwarr der Steine begraben wurden. Nach rund sechs Stunden (…) lag das erst 1518 errichtete Bauwerk in Trümmern.“ Sickingen erleidet schwere Verletzungen und stirbt. Die fünf Meter dicken Mauern haben nichts ausgerichtet, und die Türme von Neudahn weisen lediglich eine Stärke von drei Metern auf.

Der unselige Krieg

Da die Ritter von Dahn als Parteigänger Sickingens gelten, gerät auch Neudahn ins Visier des Fürsten-Trios. Am 14. Mai 1523 erscheint ein Herold vor der Burg und fordert die Übergabe. Heinrich von Dahn agiert geschickt, erklärt sich bereit, die Burg seinem Herrn, dem Pfalzgrafen zu öffnen. Allerdings wisse er nicht, was der Erzbischof von Trier und der Landgraf von Hessen von ihm wollten. Zudem gehöre Neudahn dem Bischof von Speyer. Die Fürsten einigten sich darauf, die Burg sechs Wochen lang zu besetzen und sie später dem Bischof zurückzugeben – unbeschädigt. 1622, im Dreißigjährigen Krieg, erobern protestantische Truppen Neudahn, das aber erst 1689 während des unseligen Pfälzischen Erbfolgekriegs zerstört wird. Dabei geht wohl auch das Familienarchiv in Flammen auf, was im Übrigen erklären würde, weshalb nur wenige Nachrichten über die Burg vorliegen. Die Herren von Dahn sind da schon lange Geschichte. Ludwig von Neudahn, der einzig verbliebene Spross der Niederadelsfamilie und Gebieter über alle allerdings hoch verschuldeten Dahner Herrschaften, stirbt am 15. September 1603 in seinem Schloss im südpfälzischen Burrweiler. 1593 hat er nochmals geheiratet um den ersehnten Stammhalter zu bekommen, der die Familie weiterführen soll. Doch eine Krankheit rafft die Ehefrau 1595 mit 35 Jahren dahin.

Ludwig findet seine letzte Ruhe in der Pfarrkirche von Burrweiler. Lehmann dazu: „Und der Tanner Wappenschild wird ihm, alter Sitte gemäß, zerbrochen in die dunkle Erbgruft nachgesenkt.“ Im Chor der Kirche stehen die Grabsteine für ihn sowie seine beiden Gattinnen. Die Burgen fallen an den Lehnsherrn, den Bischof von Speyer, zurück, der einen Verwaltungsbeamten auf Neudahn setzt – bis 1689.

Sonnenuhr im Schutt

Dem Verfall der Ruine wird zwischen 1976 und 1983 Einhalt geboten. Seither können Besucher wieder den Burgfelsen besteigen und das Innere der Rundtürme besichtigen. Von der Gründungsanlage blieben lediglich Reste erhalten, ebenso von der Unterburg. Große Verdienste erwirbt sich während der Sanierung der Dahner Burgenverein, dessen freiwillige Helfer rund 500 Kubikmeter Schutt wegräumen und tolle Funde machen.

Die interessanteste Entdeckung ist ein Metallkästchen, das eine winzige, kunstvoll aus Elfenbein gearbeitete Sonnenuhr enthält. Auch Gebrauchsgegenstände der Burgbewohner kommen nach 300 Jahren wieder ans Tageslicht: ein silberner Löffel, Schlüssel, bemalte Gläser und Tonteller, Gewürzbecher sowie Tierknochen, die von den Mahlzeiten der Burgbewohner zeugen. Den großen Schatz der Burg Neudahn hat man aber nicht gefunden.

Die Sage erzählt nämlich von einem Dahner Bürger, der von einem Ort träumt, wo er einen Schlüssel findet, der ihm Zugang zu den verborgenen Gewölben der Burg und den dort liegenden Schätze geben soll. Tatsächlich entdeckt er an besagter Stelle einen alten Schlüssel und wagt mit einem Freund das unheimliche Unternehmen. Nach einigem Suchen entdecken sie die Tür, öffnen sie und betreten einen langen, teilweise verschütteten Gang. Ihre einzige Lichtquelle ist eine kleine Kerze, und mühsam stolpern sie über Treppen und Geröll.

Um die Länge des Ganges abzuschätzen, wirft der Dahner einen Stein voraus, der mit dumpfem Krachen gegen eine eiserne Tür prallt. Im selben Augenblick wird die Kerze durch einen Luftzug ausgelöscht, und die beiden stehen im Dunkeln. Von panischer Angst gepackt, fliehen sie aus dem unheimlichen Gang. In der Nacht darauf versuchen sie es erneut, doch die Tür bleibt unauffindbar. Also: Augen auf beim Besuch von Neudahn. Und eine Taschenlampe mitnehmen!

Informationen für Besucher

Anfahrt von Mannheim: Über die Rheinbrücke nach Ludwigshafen. Weiter auf die A 650 in Richtung Bad Dürkheim. Ausfahrt auf die B 9, Richtung Speyer/Mutterstadt. Abbiegen auf die A 65 in Richtung Neustadt/Weinstraße. A65 bei der Abfahrt Landau-Nord verlassen, Richtung Pirmasens/Annweiler (B 10). Nehmen Sie die Abfahrt in Richtung Bad Bergzabern/Dahn/Hinterweidenthal/Fischbach/B427. Weiter in Richtung Bad Bergzabern/Dahn/Hinterweidenthal/Gewerbegebiet Süd. Nach 4,2 Kilometern rechts abbiegen. Nach weiteren 600 Metern ist das Ziel erreicht: Campingplatz Neudahner Weiher, Neudahner Weiher 3, 66994 Dahn. Dort parken, 20-minütiger Fußweg zur Ruine.

Distanz von Mannheim: etwa 90 Kilometer

Fahrzeit: rund 70 Minuten

Besichtigung: jederzeit

Literatur: Keddigkeit/Burkhart/Übel: Pfälzisches Burgenlexikon Band III, Kaiserslautern 2005. kba

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