Ruht er tief im Gewölbe seiner alten Kaiserpfalz Kaiserslautern? Oder unten im Untersberg bei Berchtesgaden? Beide Orte werden zwar auch immer mal genannt, aber sind sehr, sehr unwahrscheinlich! Glaubt man Sagen überhaupt und folgt man den Touristenströmen, dann ruht der berühmte einstige Regent in Thüringen, tief im Schoße des Kyffhäusers südlich des Harzes und wartet dort auf den richtigen Moment der Wiederkehr.
„Im unterirdschen Schlosse, Hält er verzaubert sich“, schreibt Friedrich Rückert (1788-1866). „Er ist niemals gestorben, Er lebt darin noch jetzt, Er hat im Schloß verborgen, Zum Schlaf sich hingesetzt“, heißt es in seinem 1817 veröffentlichten Gedicht, das im 19. und 20. Jahrhundert Pflichtlektüre für Schüler ist.
Wobei der Kaiser natürlich nicht richtig schlafe: „Er nickt als wie im Traume, Sein Aug halb offen zwinkt, Und je nach langem Raume, Er einem Knaben winkt“. Das macht er alle hundert Jahre. Der Zwerg soll dann hinaufgehen und nachschauen, ob endlich ein mächtiger Adler kreist oder ob die Raben noch um die alte Burgwarte von Kyffhausen fliegen. Das tun sie immer noch, also verschiebt der Kaiser seine Rückkehr stets weitere hundert Jahre. Derweil wächst der rote Bart des Kaisers, er wächst und wächst, er reicht zweimal schon um den Tisch herum. Wenn der Bart aber zum dritten Mal herumreicht, dann wird der Kaiser heraufkommen, um das Reich zu einen und zu befrieden . . .
Was er dann sehen würde, ist ein gewaltiges Denkmal, ein riesiges Monument, ein Block aus rotem Sandstein – alles ihm gewidmet, aber nicht nur. Er sitzt da zwar in beeindruckender Überlebensgröße von 6,50 Metern, mit Krone über dem gelockten Haar und seinem riesigen, bis zum Knie reichenden Bart, als würde er ruhen, aber die Hand hat er dennoch am Schwert. Über ihm reitet Wilhelm I. – preußischer König und deutscher Kaiser, und nicht ohne Zufall mit 9,70 Metern etwas größer als Barbarossa.
Der Rosengarten-Architekt
Das Reiterstandbild ist aus Mansfelder Kupfer getrieben mit Eisen für die innere Stützkonstruktion, entworfen von Emil Hundrieser. Die Sandsteinskulptur des ruhenden Kaisers stammt von Bildhauer Nicolaus Geiger, und die gesamte Architektur der gigantischen Anlage des 1890 bis 1896 errichteten, nach Leipzig zweitgrößten Nationaldenkmals in Deutschland von Bruno Schmitz (1858-1916), dessen Asche dort auch beigesetzt worden ist.
Diesen Architekten kennt man in Mannheim als den Mann, dem die Grünanlagen und die umgebenden Arkadenbauten des Friedrichplatzes zu verdanken sind und nach dessen Entwurf von 1900 bis 1903 der Jugendstil-Teil vom Rosengarten erbaut wird. Doch hat er insbesondere das Völkerschlachtdenkmal Leipzig, den Kaiser Wilhelm an der Porta Westfalica, das „Deutsche Eck“ in Koblenz sowie das 87 Meter hohe „Soldiers & Sailors Monument” des US-Bundesstaates Indiana, 1888 bis 1893 erbaut, geschaffen.
Mit dem an der Stelle einer mittelalterlichen Reichsburg errichteten Kyffhäuser-Denkmal erreicht die überschwängliche Verehrung für den 1888 verstorbenen Kaiser Wilhelm ihren Höhepunkt. Mit der Schaffung des Deutschen Reiches nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 habe Wilhelm die Barbarossasage erfüllt, weshalb ihn Zeitgenossen bewundernd als „Weißbart auf Rotbarts Throne“ bezeichnen – und den Stauferherrscher in einer Weise vereinnahmen, die ihm nicht gerecht wird.
Geboren ist der Spross des berühmten schwäbischen Adelsgeschlechts irgendwann im Dezember 1122. Genau weiß man es nicht, und auch der Geburtsort wird nur mit „vermutlich“ im elsässischen Hagenau angegeben. Es ist die Zeit der Ritter, der Burgen und vieler Klostergründungen. Erste Städte entstehen.
Der Vater des kleinen Jungen mit den roten Haaren stammt aus dem aufstrebenden süddeutschen Adelsgeschlecht, seine Mutter Judith dagegen von den Welfen. Das wird sich noch als nützlich erweisen. Der Junge lernt, wie es üblich ist in Herrscherhäusern, Reiten, Jagen, Kämpfen – nicht so sehr Lesen und Schreiben. Nach dem Tod seines Vaters 1147 übernimmt Friedrich dessen Amt des Herzogs von Schwaben, regiert da als Friedrich III. Weitere Perspektiven hat er zunächst nicht.
Doch dann helfen ihm Zufall, Glück und Abstammung. Als 1152 sein Onkel Konrad III., an dessen Königshof er sich oft aufhält, stirbt, läuft die Nachfolge auf Barbarossa zu. Konrads älterer Sohn ist schon vor dem Vater gestorben, der jüngere Sohn minderjährig. Und Barbarossa kann damit punkten, dass er Verwandtschaft bei den Staufern wie bei den sonst so heftig konkurrierenden Welfen hat – das zieht, zumal er dem Welfen Heinrich der Löwe die Herrschaft über Bayern zurückgibt.
Tipps für besucher
Anschrift: Kyffhäuser-Denkmal, 99707 Kyffhäuserland, Ortsteil Steinthaleben.
Öffnungszeiten: November bis März Montag bis Sonntag 10 bis 17 Uhr, April bis Oktober Montag bis Sonntag 9.30 bis 18 Uhr.
Eintritt: Erwachsene 8,50 Euro, Schüler/Studenten/Azubis 4,50 Euro, Schwerbehinderte 6,50 Euro, Kinder (bis 6 Jahre) frei, Familienkarte 18,50 Euro für zwei Erwachsene und ein Kind bis 15 Jahre, jedes weitere Kind (bis 15 Jahre) zwei Euro.
Museum und Ausstellung: Burgmuseum mit zahlreichen Funden der Ausgrabungen, die bis 1938 andauerten, sowie Modell der Reichsburg. Ausstellung im Erdgeschoss des Denkmals zeigt Umgang, Vereinnahmung und Interpretation in den Epochen Weimarer Republik, Nationalsozialismus und DDR-Zeit. Anfahrt: über die B 85 Richtung Kelbra, im Navigationsgerät „Kyffhäuser, 99707 Steinthaleben eingeben.
Parken: Am Fuße des Kyffhäuser-Denkmals ist ein Parkplatz, danach etwa 15-minütiger Fußweg.
Bahn/Bus: Mit der Bahn über Erfurt nach Bad Frankenhausen. Der Kyffhäuser Rufbus fährt April bis Oktober zu den beliebtesten Ausflugszielen rund um dem Kyffhäuser immer samstags und sonntags, in den Sommerferien von Thüringen und Sachsen-Anhalt auch in der Woche. Spätestens eine Stunde vor der gewünschten Abfahrtszeit (laut Fahrplan) die Fahrt bestellen unter Tel.: 0391/53 63 180, dann etwa fünf Minuten vor der gewünschten Abfahrtszeit an der Haltestelle bereitstehen.
Buchtipps: Stefffen Raßloff, „Barbarossa“, Band 88 Rhino Westentaschen-Bibliothek, 5,95 Euro, und Fahrradkarte Südharz/Kyffhäuser, mit zahlreichen weiteren Ausflugstipps, wasser- und reißfest, Verlag grünes Herz, 5,95 Euro. pwr
In Aachen wird er 1152 gekrönt. Eine feste Residenz hat Kaiser Friedrich I., wie sich Barbarossa nun nennt, indes nicht – üblich ist, dass die Herrscher mit großem Gefolge umherziehen, mal da und mal dort Hof halten, in Klöstern, großen Städten oder eigens eingerichteten Orten wie der Kaiserpfalz Kaiserslautern.
Überliefert ist, dass der Regent regelmäßig betet, gerne auf die Jagd geht, die Falknerei liebt. „Auf der Pirsch spannt er selbst den Bogen, nimmt die Pfeile, legt sie auf und schießt sie ab“, schildert Rahewin, Schreiber und Notar des Bischofs Otto von Freising, sein Können, indem er betont: „Bestimme, was er treffen soll – was Du bestimmst, trifft er“. Die Schriften der alten Könige durchforste er eifrig. „Almosen im Dienst der Armen verteilt er meist eigenhändig, ein Zehntel seiner Einnahmen spendet er gläubig Kirchen“.
Rahewin beschreibt den Kaiser als „wohlgebaut, von Statur kleiner als die Größten und größer als die Mittelgroßen, sein Haar ist blond und oben an der Stirn etwas gekräuselt, die Ohren werden kaum durch darüberfallende Haare verdeckt“, so der Schreiber. Der Bart sei rötlich „und das ganze Antlitz ist fröhlich und heiter“.
Barbarossa - Wohltäter aber auch machtbewusster Tyrann
Freilich gibt es nicht nur derart positive Einordnungen – Barbarossa, den zuerst die Italiener „Rotbart“ (also Barbarossa) nennen, wird mal als Wohltäter, aber auch als machtbewusster, taktisch geschickter Tyrann beschrieben. Er unterwirft 1181 seinen einstigen Verbündeten und Vertrauten Heinrich den Löwen und verlangt von ihm den Kniefall, dehnt seine Herrschaft gerade in Italien bei zahlreichen Feldzügen mit großen Ritterheeren ohne Rücksicht auf Verluste aus und er legt sich gerne mit dem Papst an. Nahezu ein Drittel seiner Regierungszeit (1152-1190) hält er sich in Italien auf.
„Honor Imperii“, die Ehre des Reiches – dem hat sich alles unterzuordnen, und bei riesigen Hoftagen – etwa 1184 in Mainz mit 20 000 Gästen in der ja viel kleineren Stadt als heute – repräsentiert er seine Herrschaft. Und die soll auf Dauer in der Hand seiner Familie bleiben. Daher zeugt der Kaiser mit seiner zweiten Frau Beatrix von Burgund elf Kinder, darunter acht Söhne.
Zum Mythos geworden ist aber besonders Barbarossas Teilnahme an den Kreuzzügen. Bereits als junger Herzog begleitet er seinen Onkel Konrad III. in den Orient gen Jerusalem. Dessen Heilige Stätten sollen den als ungläubig bezeichneten Osmanen entrissen werden. Gegen ihren Anführer, Sultan Saladin, zieht Barbarossa 1189 mit Franzosen und Engländern über den beschwerlichen Weg von mehr als 3000 Kilometern in den Kampf. Es gelingt ihm sogar, im Frühjahr 1190 in zahlreichen Schlachten die Türken zu schlagen.
Und dennoch kommt der Kaiser ausgerechnet bei diesem Kreuzzug zu Tode. Am 10. Juni 1190 soll er, nach ausgiebigem Mahle und in der gleißenden Mittagssonne, ein Bad in dem Fluss Saleph (Göksu) in der heutigen Südtürkei genommen haben – und von der reißenden Strömung erfasst worden sein. Vielleicht passiert es auch beim Versuch der Überquerung des Flusses. Genau weiß man es nicht. „Obwohl alle ihn zurückhalten versuchten, stieg er ins Wasser, versank in einem Strudel – er, der oftmals aus höchster Gefahr entkommen war! – und ging auf elende Weise unter“, heißt es in einem zeitgenössischen Bericht. Was dann passiert, ist auch nicht ganz klar. Mal heißt es, Barbarossas Eingeweide seien am 17. Juni 1190 in der Domkirche von Tarsus feierlich beigesetzt, der Leichnam vom Heer weiter mitgenommen worden – für eine symbolträchtige Bestattung in Jerusalem, wo auch Jesus Christus zunächst beerdigt worden ist. Es gibt auch Berichte, die Gebeine seien in Tyrus oder Akkon beerdigt worden – aber bis heute kennt man keine genaue Grablege, und nur am mutmaßlichen Todesort steht ein Gedenkstein, 1971 von der Deutschen Botschaft errichtet.
Daher ranken sich früh viele Legenden um den Tod. „Er ist der einzige römisch-deutsche König beziehungsweise Kaiser ohne Grablege“, so der Erfurter Historiker Steffen Raßloff, der sich mit dem Mythos um Barbarossa intensiv befasst hat. Zwar folgen auf Friedrich I. sein Sohn, sein Enkel und sein Urenkel, der bis 1254 amtiert. 1268 wird dieser in Neapel hingerichtet. Damit sterben nicht nur die Staufer aus, es gelingt auch nicht, einen neuen deutschen Kaiser zu wählen. 1254 bis 1273 dauert diese Periode, Interregnum genannt.
Vereinnahmter Held
„Hieraus erwuchs die Verklärung der Stauferzeit“ so Raßloff, und schnell hat sich daher die Sage verbreitet, der Stauferkaiser, von dem es keine Grabstätte und keine Gebeine gibt, sei gar nicht tot, sondern schlafe nur in einem Berg. Darin drückt sich die Sehnsucht aus, dass ein neuer Regent kommen möge, der für ein glanzvolles, geeintes Land sorgt. Diese Heilserwartung, dieses Sehnsuchtsmotiv zieht sich durch viele Jahrhunderte, wird in den Bauernkriegen von Aufständischen vereinnahmt und in der Reformation von den Streitern gegen den römischen Papst, die darin in Barbarossa ein Vorbild sehen.
Im 19. Jahrhundert greift die deutsche Einheitsbewegung die Sage auf. Sie bekommt durch das weit verbreitete Gedicht von Rückert Auftrieb. Der Rotbart sei „zu einer enthusiastisch stimmenden Heldengestalt stilisiert“ worden, „die das Verlangen nach einer nationalen Einheit und Größe verkörperte“, so Alexander Schubert, Direktor des Historischen Museums der Pfalz und 2010/11 maßgeblich an der Staufer-Ausstellung der Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen beteiligt.
Dabei habe sich die Vision von einem neuen Kaiserreich durchaus „mit modernen Vorstellungen von Einigkeit und Recht und Freiheit“, wie sie Hoffmann von Fallersleben in seinem „Lied der Deutschen“ 1841 ausdrückt, verbinden lassen, meint Raßloff: „So erklärt es sich auch, dass Barbarossa zu einer der populärsten Sagengestalten der Deutschen aufrücken konnte.“ Schließlich strömen 1896 zu den prunkvollen Einweihungsfeiern des Denkmals auf dem Kyffhäuser über 30 000 Menschen.
Doch oft wird der Stauferkaiser auch instrumentalisiert. Adolf Hitler gibt der Planung für seinen Überfall auf die Sowjetunion 1941 den Decknamen „Unternehmen Barbarossa“ und verzerrt, ja pervertiert den Mythos um Friedrich I. Bis heute treffen sich Rechtsextremisten gerne an dem Denkmal und beanspruchen die Kultstätte und den alten Stauferkaiser für sich. Aber der hat schon so viel erlebt in seinem Berg – selbst die Pläne, das Denkmal nach dem Zweiten Weltkrieg zu sprengen oder zu verändern. Diese Absicht der Kommunisten habe, so heißt es heute, die russische Standortkommandantur abgelehnt – mit der Begründung: „Ihr Deutschen müsst endlich lernen mit eurer Geschichte und euren Denkmälern zu leben.“
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