Zeitreise

Burg Rheinstein - Die Traumwelt des Prinzen

Rheinstein ist die erste Burg am Mittelrhein, die Vertreter der Hohenzollern-Familie im Geist der Romantik aufbauen lassen. Vor 50 Jahren plündert ein Betrüger das Inventar.

Von 
Klaus Backes
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Der Wohnturm beherbergte unter anderem die Wohnräume des Prinzen von Preußen und seiner Gattin. Links die Burg auf einer am 21. August 1904 verschickten Postkarte, rechts der Verfasser etwa 1960 auf Burg Rheinstein. © Klaus Backes

Jedermann wird der Besichtigung dieser Burg gerne einige Stunden weihen und befriedigt von ihr herabsteigen an den Rhein.“ Was der Realschullehrer und Schriftsteller Alois Henninger 1845 in dem Buch „Nassau in seinen Sagen, Geschichten und Liedern“ über Burg Rheinstein schreibt, gilt auch heute noch.

Natürlich, Henningers Epoche, die Romantik, ist schon längst Geschichte. Doch weshalb gilt der Mittelrhein nach wie vor als Magnet für Besucher? Die Burgen, Kirchen und Städte sowie alte Mythen locken sie nach wie vor an. Dazu kommt – zumindest bei gutem Wetter – eine gewisse Leichtigkeit: der Fluss, der Blick auf die steilen, grünen Weinberge, die vorbeigleitenden Schiffe, Menschen in Ferienlaune.

Das lässt sich auf Burg Rheinstein beispielhaft erleben. Und dann ist da noch die Verbindung zu den Hohenzollern. Vertreter des Adelsgeschlechts des späteren Kaiserhauses haben die Burg zu Beginn des 19. Jahrhunderts wieder aufgebaut und in einen spektakulären Sommersitz verwandelt.

Burg Rheinstein - erste urkundliche Erwähnung 1323

Das ist auch die interessanteste Epoche in der Burggeschichte. Über die mittelalterliche Historie der damals Fautsberg oder Faitsberg genannten Wehranlage gibt es nämlich wenig zu erzählen. Die Altersbestimmung von im Mauerwerk gefundenen Gerüsthölzern hat ergeben, dass die Burg um das Jahr 1316 entsteht. Damit enden alle Spekulationen über eine wesentlich frühere Erbauung. Zweck der Anlage ist es wohl, den Wiederaufbau der 1283 zerstörten Nachbarburg Reichenstein zu verhindern, die dem Pfalzgrafen gehört. Zudem schützt sie das Mainzer Territorium und die unterhalb der Burg liegende Zollstätte.

Die erste urkundliche Erwähnung erfolgt 1323 als der Mainzer Erzbischof seinem Domkapitel die Anlage schenkt. 1370 erobert Rheingraf Konrad die Burg, gibt sie aber an Erzbischof Gerlach zurück. Es folgen Vergaben als Lehen und Verpfändungen. Bereits 1524 wird der Bauzustand als schlecht bezeichnet. Den Dreißigjährigen Krieg (1618 bis 1648) übersteht die Anlage leidlich, doch der Verfall schreitet unaufhaltsam voran. Und die Ruine dient als Steinbruch.

Der Kavalleriegeneral schickt Wächter

1823 wendet sich das Schicksal der Burg fast wie im Märchen. Es tritt auf der Preußenprinz Friedrich Wilhelm Ludwig (1794 bis 1863), kauft die Ruine und stellt Wächter ein, um weiteren Steinraub zu verhindern. Zwischen 1825 und 1829 lässt er die Burg mit viel Fingerspitzengefühl und Rücksicht auf die überkommene Bausubstanz im neugotischen Stil wieder aufbauen.

Und der Kavalleriegeneral benennt sie um in „Rheinstein“. Auch der berühmte Architekt Karl Friedrich Schinkel soll bei den Plänen mitgewirkt haben. Komplett neu entsteht die Kapelle. Mit etwas Fantasie lässt sich nachvollziehen, wie der Prinz und Gattin Wilhelmine Louise Prinzessin von Anhalt-Berneburg (1799 bis 1882) hier weit weg vom einengenden Berliner Hofzeremoniell in romantischen Gefühlen schwelgen. Die Räume geben den Eindruck von einem gewollt einfachen Leben wieder. Für einen Hofstaat fehlte hier schlicht der Platz.

© Klaus Backes

Das Paar lässt sich in der Gruft bestatten, ebenso ihr Sohn, der Preußenprinz Friedrich Wilhelm Georg (1826 bis 1902). Durch ein großes Fenster im Untergeschoss der Kapelle können Besucher die Sarkophage sehen. Von Anfang an stehen die Tore des Sommersitzes übrigens für die Allgemeinheit offen. Zwei weitere Burgen am Mittelrhein lassen Vertreter des Hauses Hohenzollern aufbauen: die unweit gelegene Sooneck und Stolzenfels bei Koblenz.

Kriege und politische Umwälzungen ändern nichts an den Besitzverhältnissen. Doch 1974 will Barbara Irene Prinzessin von Preußen die Burg verkaufen. Für 2,5 Millionen D-Mark veräußert sie die Anlage an einen Briten, der sich allerdings als Betrüger entpuppt. Vom Kaufpreis sieht die Prinzessin nichts, stattdessen verscherbelt der Brite viel vom wertvollen Inventar. Die „Zeit“ schreibt am 14. November 1975: „Wer in diesem Jahr die 80 Meter hoch über dem Rhein bei Bingen gelegene Burg Rheinstein besuchen wollte, stand vor verschlossenen Türen. Und wer gar mit Dehios ‘Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler’ unter dem Arm im blauen Salon nach der venezianischen Kassette, um 1600, im Cranachzimmer nach dem Schreibsekretär des Mainzer Erzbischofs Graf von Eltz oder im Schlafzimmer der Prinzessin nach dem Augsburger Prunkschrank (1600) suchen wollte, wäre enttäuscht. Denn die Säle der mittelalterlichen Burg ... sind leer, die Wände kahl.“

Burg Rheinstein

  • Anfahrt von Mannheim: Über eine Rheinbrücke und an Ludwigshafen vorbei auf die A650. Am Autobahnkreuz Ludwigshafen auf die A61 in Richtung Koblenz/Mainz/Kaiserslautern. Nach etwa 66 Kilometern an der Ausfahrt Bingen-Mitte die Autobahn 61 verlassen und in Richtung B9/St.Goar/Rhein/Bingen-Mitte fahren. Weiter auf B9 bis zu den Parkplätzen unterhalb Burg Rheinstein. Von dort aus auf steilem Anstieg in etwa 7 Minuten zur Burg,
  • Entfernung von Mannheim: etwa 85 Kilometer. Fahrzeit: circa 60 Minuten.
  • Per Bahn: Ab Bahnhof Trechtingshausen in etwa 30 Minuten zur Burg.
  • Per Schiff: Es gibt zwei Bootsanleger unterhalb der Burg: www.roesslerlinie.de und www.bingen-ruedesheimer.de
  • Öffnungszeiten: Hauptsaison (16. 3. bis 3. 11. 2024) täglich 10 . 18 Uhr, letzter Einlass 17 Uhr, Nebensaison (4. 11. bis 22. 11.) 11 – 16.30 Uhr, letzter Einlass 16 Uhr, Märchenhafte Weihnachtsburg (23. 11. bis 12. 12. 2024)
  • Eintritt: Erwachsene 9,50 Euro, Kinder (5-14) 5,50 Euro, spezielle Tarife für Familien, Gruppen und Schulklassen.
  • Internetseite: https://www.burg-rheinstein.de/
  • Literatur: Burg Rheinstein, Verlag Schnell und Steiner, 7. Auflage 2021 (Burgführer). kba

 

Ende 1975 melden sich zwei neue Kaufanwärter: der ehemalige Opernsänger Hermann Hecher, der das Hotel auf der benachbarten Burg Reichenstein leitet, und die Hare-Krishna-Sekte. In der Landeshauptstadt Mainz ertönen die Alarmglocken, denn die kahlrasierten Mönche sollen sie nicht bekommen, die erste von den Hohenzollern im Sinne der Romantik ausgebaute Rheinburg. Auch der Landrat und die Bürger von Trechtingshausen machen mobil. Und so gibt sich die Prinzessin schließlich mit den 330 000 Mark von Hermann Hecher zufrieden, die er mit Unterstützung von Land und Kreis zusammenkratzt. Hare Krishna hat laut „Spiegel“ 500 000 Mark geboten.

Die Akteure atmen auf: Das Symbol der Rheinromantik bleibt deutsch, und es bleibt vor allem ein Touristenmagnet. Doch was soll mit den drei toten Hohenzollern in der Gruft unter der Kapelle geschehen? Es gibt Überlegungen, die Sarkophage zu einer traditionellen Ruhestätte des Hauses zu überführen. Doch angesichts der hohen Kosten fällt die Entscheidung, die Toten auf Burg Rheinstein zu belassen.

Zur Adventszeit gibt es ein besonderes Angebot

Wieder ein Retter, diesmal allerdings kein Prinz mit wohl gefüllten Schatztruhen. Aber Hermann Hecher rechtfertigt das in ihn gesetzte Vertrauen, beginnt mit der Sanierung, findet Verbündete wie die Deutsche Stiftung Denkmalschutz, gründet 1976 den Förderverein „Freunde der Burg Rheinstein“.

Das gewagte Unternehmen glückt, und heute leitet die dritte Generation der Familie Hecher das Unternehmen Rheinstein. Auch die Bürgerlichen arbeiten mit Fingerspitzengefühl und passen beispielsweise das neue Restaurant so in die Anlage ein, dass es den berühmten Blick vom Rhein nicht stört. Rheinstein ist auf die Einkünfte durch den Tourismus angewiesen.

Was macht man aber, wenn die meisten Burgen Winterschlaf halten? Man verwandelt die Anlage in eine „märchenhafte Weihnachtsburg“, um außerhalb der Saison Besucher anzulocken. Märchenerzähler, unzählige Lichter, Speis und Trank und etliches mehr warten auf sie.

© Klaus Backes

Die Burg steht auf einem schmalen Felssporn zwischen Bingen und Trechtingshausen. Eigentlich keine günstige Lage, da der Berg die Wehranlage überhöht. Deshalb sichern ein Wohnturm und die bis zu 5,60 Meter dicke Schildmauer die Angriffsseite. Nach dem Wiederaufbau beherbergt der Turm neben dem „Rittersaal“ die Küche und je ein Wohngeschoss für den Prinzen und dessen Gemahlin. Dass hier mit Liebe gebaut wurde, zeigt die qualitätvolle Ausstattung, von der leider nur noch Teile erhalten sind.

Immerhin: Die Wandmalereien, Bodenfliesen sowie die zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert entstandenen Glasmalereien, die aus Kölner Kirchen stammen sollen, haben die Plünderung überstanden. Anderes wird zurück- oder neugekauft und durch Leihgaben des Landes ersetzt.

Es gibt heute wieder viel zu entdecken auf Burg Rheinstein. So fällt ein vergittertes Tor in einer Mauer auf. „Verlies“ steht auf einem Schild daneben. Und, oh Schreck, Teile eines Skeletts sind in der Höhlung zu sehen. Ein bisschen Spektakel muss sein. Zu den eher intimen Räumen zählt das Lesezimmer mit grandiosem Blick über den Rhein in einem kleinen Turm. Sicherlich las der Prinz hier romantische Literatur und genoss den Blick über das Tal.

Keine Rheinburg ohne Sage. Hier dreht sie sich um eine Braut, die von zwei Männern begehrt wird. Der grimmige Ritter Diethelm lebt mit seiner Tochter Gerda, der schönsten Jungfrau weit und breit, auf Burg Rheinstein. Viele Freier haben schon um sie geworben, doch nur Kurt von der benachbarten Burg Reichenstein ist sowohl dem Vater als auch der Tochter sympathisch. Bald gesteht Kurt Gerda seine Liebe, die von ihr erwidert wird.

Gemäß der damaligen Sitte beauftragt der junge Ritter seinen Onkel mit der Brautwerbung. Doch als der tückische Gunzelin die schöne Gerda sieht, wirbt er für sich selbst anstatt für seinen Neffen. Diethelm willigt ein, denn er versteht sich gut mit dem alten Waffengefährten. Noch mehr aber reizen ihn dessen ausgedehnte Besitzungen. Gerda ist entsetzt, als sie von der Abmachung hört und verweigert ihre Zustimmung. Doch der alte Diethelm schwört, dass Gunzelin sie zur Frau bekommen soll und nicht der arme Schlucker von Burg Reichenstein.

Die Sage von der Braut und dem treuen Pferd

Es naht der Tag, an dem der ungeliebte Bräutigam Gerda auf seine Burg führen soll. Der prächtige Zug setzt sich von Rheinstein aus in Bewegung, und traurig sitzt die Braut auf dem Pferd, das Kurt ihr einst geschenkt hat. Plötzlich, als der Hochzeitszug unweit von Reichenstein vorbeireitet, bäumt sich das Pferd auf und jagt auf die heimatliche Burg zu. Gunzelin hetzt hinterher, doch sein Pferd kommt vom Weg ab, und bei dem Sturz wird er tödlich verletzt. Gerda aber erreicht Reichenstein ungehindert, und als die verstörte Hochzeitsgesellschaft vor der Burg eintrifft, ist die Zugbrücke hochgezogen.

Sollte der Rheinsteiner nun, da Gunzelin tot und Kurt dessen Erbe ist, weiterhin das Jawort verweigern? Die Vernunft siegt, Gerda und Kurt werden ein Paar, und das treue Pferd genießt bis an sein Lebensende die beste Pflege.

Wie es den beiden weiter erging, wissen wir nicht. Für Burg Rheinstein aber scheint eine gute Zukunft gesichert zu sein. Denn Besitzer Marco Hecher verspricht auf der Internetseite: „Wir wappnen uns für die Herausforderungen der Zeit und werden mit Engagement, Freude und Mut die Zukunft des Romantik-Schlosses gestalten!“

Redaktion

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