Hockenheim. Wenn man in den vergangenen Tagen durch den südlichen Teil von Hockenheim rund um den Ring gefahren ist, war die exorbitante Präsenz von tonnenschweren Lkw, die auf dem Weg in Richtung Motodrom waren, wohl kaum zu übersehen. Grund dafür ist der seit Tagen laufende Aufbau des Glücksgefühle-Festivals, zu dem ab diesem Donnerstag bis zu 200.000 Menschen in die Rennstadt strömen werden. Doch während der Countdown zu Deutschlands größtem Musikevent mit Megastars wie den Backstreet Boys oder Martin Garrix immer weiter in Richtung Null läuft, entfacht eine Diskussion um die zusätzliche Bereitstellung des öffentlichen Nahverkehrs. Denn im Gegensatz zur Glücksgefühle-Premiere im vergangenen Jahr werden die Festivaltickets der zweiten Auflage keine integrierte Zugfahrkarte enthalten.
Glücksgefühle Festival: Diskussion um Sonderzüge und Nahverkehr
„Anlässlich des diesjährigen Glücksgefühle-Festivals in Hockenheim vom 12. bis 15. September können leider nur wenige Zusatzverkehre im öffentlichen Nahverkehr angeboten werden. Es verkehrt jedoch der Regelverkehr“, ließ der Verkehrsverbund Rhein-Neckar (VRN) vor Kurzem verkünden. Bei der generell angespannten An- und Abreiselage bei Großveranstaltungen in Hockenheim war dies nicht nur eine Hiobsbotschaft, sondern rückte auch die Veranstalter Lukas Podolski und Markus Krampe in den Fokus der Kritik. Ihnen wurde unter anderem eine angeblich mangelhafte Zusammenarbeit vorgeworfen.
Bei einem derartigen Großevent wie dem Glücksgefühle-Festival sind Sonderzüge, die nicht nur das generelle Aufkommen an Nutzern des öffentlichen Nahverkehrs auffangen, sondern auch zu deutlich späteren Zeiten als der erwähnte Regelverkehr zur Verfügung stehen, ein essenzielles Mittel, um die An- und Abreise zu optimieren. Der Verzicht auf diese Maßnahme verschärft vor allem die Lage am Freitagabend. Denn nach dem Auftritt der Backstreet Boys, die ein komplettes Konzert bis Mitternacht spielen werden, wollen tausende Festivalbesucher mit den öffentlichen Verkehrsmitteln – also vom Bahnhof Hockenheim aus – die Heimreise antreten. Im Regelverkehr werden zwar laut Fahrplanauskunft der Deutschen Bahn im knapp stündlichen Rhythmus Züge nach Karlsruhe und Mannheim in der Rennstadt halten, doch ohne die Entlastung durch Sonderzüge wird es wohl kaum möglich sein, die Massen an Festivalbesuchern aufzufangen. Verhältnisse wie zuletzt beim Konzert von Bruce Springsteen, als am Hockenheimer Bahnhof fast eine Massenpanik ausgebrochen wäre, drohen.
OB: Stadt hat auf Kombiticket gedrängt
Oberbürgermeister Marcus Zeitler hat seit Bruce Springsteens Auftritt Erfahrung mit „gestrandeten“ Konzertbesuchern, die auf Züge warten. Er wollte deshalb unbedingt Kombitickets und Sonderzüge, sagt er auf Anfrage.
Sind Sie in Verhandlungen mit der Bahn und mit dem Veranstalter, um das zu verhindern?
Marcus Zeitler: Die Stadt Hockenheim hat bei den Vorbesprechungen zu dem Festival an die Veranstalter appelliert, dass man den Besuchern ein Kombiticket zur Verfügung stellt. In Verhandlungen steht die Verwaltung nicht, da dies in den Verantwortungsbereich des Veranstalters fällt.
Hatte der Veranstalter die Stadt vor seiner Entscheidung gefragt?
Zeitler: Der Veranstalter ist nicht an die Stadt Hockenheim herangetreten, sondern die Stadt hatte im Vorfeld dem Veranstalter mitgeteilt, dass ein Kombiticket gewünscht ist.
Mit welcher Anzahl von Personen, die mit der Bahn abreisen möchten, rechnet die Stadt für die beiden Abende?
Zeitler: Dies ist schwer vorauszusagen, da ein großer Teil der Besucher auch das Camping nutzt. Im Unterschied zu einem Einzelkonzert entzerrt sich auch die An- und Abreise, da das Interesse der Besucher auf die verschiedenen Künstler verteilt ist. Auch ist anzumerken, dass die Gesamtbesucherzahl von etwa 200 000 sich auf alle drei Tage verteilt. Es werden nicht jeden Tag 200 000 Besucher in Hockenheim sein, sondern verteilt auf Donnerstag, Freitag und Samstag.
Wie groß ist die voraussichtliche Unterdeckung an Plätzen in den späten Zügen?
Zeitler: Eine genaue Zahl kann nicht genannt werden. Der Veranstalter setzt nun aber noch zusätzliche Shuttlebusse ein, sodass die Besucher am Freitag nach den Backstreet Boys noch nach Mannheim gefahren werden.
Hat die Stadtverwaltung eine Handhabe gegen diese Praxis mangelnder Zugbereitstellung, die ihr große Probleme bereiten dürfte?
Zeitler: Eine Handhabe hat die Stadt nicht, wir können nur appellieren, empfehlen und beratend zur Seite stehen.
Veranstalter des Glücksgefühle Festivals unter Druck: Reaktion auf Kritik
Die Schuld an der Situation wurde seitens des VRN auf den Veranstalter übertragen, doch Markus Krampe und Lukas Podolski wollen sich diesen „schwarzen Peter“ nicht zuschieben lassen. Sie reagierten nun mit einer Pressemitteilung auf die Vorwürfe, dass die fehlende Integration der Festivaltickets Schuld an den ausbleibenden Sonderzügen habe. „Das Glücksgefühle-Festival am Hockenheimring stellt mit erwarteten 200.000 Besuchern eine große Herausforderung für den Betreiber des öffentlichen Nahverkehrs VRN dar. Der VRN kritisierte in einer Pressemitteilung die mangelnde Kooperationsbereitschaft des Festivalveranstalters aufgrund der in diesem Jahr entfallenen Ticketintegration, also der Berechtigung zur kostenlosen Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel für die Anfahrt zum Festival. Die Entscheidung gegen diese Ticketintegration ist jedoch das Resultat der mangelhaften Versorgung mit Transportkapazitäten für die Festivalbesucher im letzten Jahr, trotz einer umfassenden Kooperation mit dem VRN.“
Der Veranstalter handelte also auf Basis der Erfahrungen aus der ersten Auflage des Festivals im vergangenen September und bleibt seiner Linie treu: Krampe und Podolski reagierten schon mit der Einführung von Shuttlebussen und kostenlosen Parkplätzen auf etwaige Missstände aus dem Premierenjahr. „Lediglich zwei zusätzliche nächtliche Fahrten in Richtung Mannheim und keine zusätzliche Fahrt in Richtung Karlsruhe wurden 2023 gegenüber dem jetzt veröffentlichten Sonderfahrplan angeboten, womit im Rahmen dieser Kooperation keine angemessene Verkehrsleistung seitens des VRN geliefert und auch für die Festivalbesucher kein adäquater Gegenwert für die Ticketintegration geboten wurde“, bekräftigen die Kölner ihre Entscheidung.
Nach dem Debakel 2023: Festival-Veranstalter im Dialog mit dem VRN
Laut der Pressemitteilung hat das Glücksgefühle-Team in der Nachbearbeitung des ersten Festivals auch diesen Aspekt eingebunden und ist mit dem VRN in einen Dialog getreten. „Auf Nachfrage des Veranstalters wurde seitens des VRN bereits im Sommer 2023 mitgeteilt, dass aufgrund personeller und technischer Grenzen keine weiteren Kapazitäten bereitgestellt werden könnten, zumal durch die Einführung des Deutschlandtickets ohnehin eine sprunghaft gestiegene Nachfrage zu bedienen sei“, heißt es hierzu in der Pressemitteilung.
Ein altbekanntes Problem bei den Anbietern des öffentlichen Nahverkehrs, die nicht nur durch angeblich ausbleibende Verhandlungskulanz bei den regelmäßigen Streiks der Lokführer (GDL) deutschlandweit in die Kritik geraten sind, sondern teilweise auch den Regelverkehr nicht zuverlässig und zur Verärgerung der Fahrgäste aufrechterhalten konnten.
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Jedoch sind Sonderzüge in den meisten Fällen eine Maßnahme, die auch seitens der Anbieter realisiert wird – Beispiele hierfür finden sich bei zahlreichen Fußballspielen. Indes betont der Glücksgefühle-Veranstalter, dass das Tischtuch nicht komplett zerschnitten sei und lobt auch die Bemühungen, der kritischen Verkehrslage bei Großveranstaltungen rund um Hockenheim Herr zu werden: „Jüngste Entwicklungen und strukturelle Veränderungen, die erstmalig beim AC/DC-Konzert im Juli 2024 zum Einsatz kamen, ermöglichen neuerdings erhebliche Steigerungen der Kapazitäten gegenüber der seit 15 Jahren bestehenden mangelhaften Situation am Bahnhof Hockenheim und entlang der Strecke Mannheim-Karlsruhe. Diese positive Entwicklung stellt eine gute Basis für eine künftige Ticketintegration dar.“
Zukunft des Glücksgefühle Festivals: Herausforderungen für 2024 und darüber hinaus
„Da jedoch zum Zeitpunkt dieser Entwicklung bereits ein Großteil der Tickets verkauft war, werden die Besucher des diesjährigen Glücksgefühle-Festivals hiervon leider nicht mehr profitieren“, bedauern Krampe und Podolski. Dabei habe man noch alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Ticketintegration kurzfristig möglich zu machen: „Trotz intensiver Bemühungen seitens des Veranstalters konnte der VRN nicht dazu gewonnen werden, einen bereits vor 24 Uhr am Freitagabend eingesetzten Sonderzug auf ein späteres Zeitfenster zu verschieben, sodass es für die Tagesbesucher am Freitag, die die Veranstaltung wegen der Backstreet Boys besuchen, bei der Rückfahrt möglicherweise zu längeren Wartezeiten am Bahnhof kommen kann.“
Abschließend weist das Glücksgefühle-Team noch darauf hin, dass Vergleiche zu anderen Veranstaltungen in Hockenheim nicht zulässig seien: „Es wird zudem darauf hingewiesen, dass die An- und Abreise von Festivalbesuchern, von denen mehr als 20.000 über Nacht in Hockenheim die Festivalcampingplätze nutzen, überhaupt nicht mit der deutlich höheren Stoßnachfrage bei Einzelkonzerten wie Bruce Springsteen oder AC/DC verglichen werden kann.“
Inwieweit sich die Problematik der fehlenden Sonderzüge tatsächlich auswirken wird, wird wohl erst in der Nacht von Freitag auf Samstag deutlich, wenn die Backstreet Boys für Glücksgefühle im Motodrom gesorgt haben und die Besucher in friedvoller Seligkeit nach Hause wollen.
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