Mannheim. Mensch gegen Maschine – mein Blick fällt auf eine Überschrift des Mannheimer Morgen – Erzähl mir was … Schreibwettbewerb … KI und ich … hm, man kann dem Thema zurzeit kaum entfliehen. Künstliche Intelligenz hier, KI dort. Dabei reichen mir die Probleme durch die menschliche Intelligenz, da brauch’ ich nicht noch künstliche dazu. KI? Kein Interesse. Was soll an etwas Künstlichem besser sein? Wenn ich an das künstliche Hüftgelenk meiner Oma denke, na ich weiß nicht. Außerdem ist so ein selbstständig agierender Computer doch bestimmt gefährlich. Ich bin mir sicher: Das „K“ in KI ist der Schlange Kaa aus dem Dschungelbuch entlehnt, die den arglosen Mogli mit fieser Hypnose wehrlos macht. Und der Buchstabe „I“ steht für das Internet, das uns ebenso faszinieren wie bis zur Bewusstlosigkeit einlullen kann. Ich höre es jedenfalls manchmal verführerisch singen: „Hör auf mich, glaube mir, … vertraue mir …“
Wofür soll dieser ganze Technik-Schnickschnack bitte gut sein? Ich greife zu meinem neuen Smartphone, um – ja, um was eigentlich? – um mal wieder völlig unintelligent meine Lebenszeit im Internet zu verplempern. „Das ist doch alles Käse“, brummle ich vor mich hin und prompt bietet mir eine App diverse Käsevariationen an. Ich rolle mit den Augen, aber das Bild eines Käseigels lässt mich wenigstens kurz schmunzeln.
Ich weiß, eine KI ist mittlerweile in der Lage, treffsicher Fußballergebnisse vorauszusagen. Prima. Da brauchen sich die Spieler in Zukunft gar nicht mehr anzustrengen, sofern die Spiele überhaupt noch ausgetragen werden. Keine Fouls, keine Fans, keine Aufregung. KI sei Dank. Bald sind wir alle arbeitslos, weil das eine KI besser kann. Besser schreiben, besser lieben … besser die Schlechtigkeit der Welt bejammern. Ha! Keine Chance! In der Disziplin kriegt ihr uns Menschen nicht!
Der Autor Guido Medert
Geboren 1966 in Lampertheim, entdeckte Guido Medert schnell die kreativen Möglichkeiten Mannheims und der Region für sich. Hier wurde seine große Leidenschaft für Film, Kino, Theater und die kulturelle Vielfalt des Lebens geweckt. Diese führte ihn zum Studium an die Freie Universität Berlin und zur Filmakademie Baden-Württemberg, die er mit Diplom absolvierte.
Nach verschiedenen Positionen als Filmschaffender und Autor in München, Berlin und Potsdam-Babelsberg lebt Guido Medert mittlerweile zusammen mit seiner Frau in Brandenburg, idyllisch in der Nähe des Spreewalds. Seine Mission: Die kurpfälzische Geselligkeit und Lebensfreude zu verbreiten.
Neben dem Entwickeln eigener Geschichten schreibt er für das Lieberoser Stadtjournal, singt am Staatstheater Cottbus oder im Fußballstadion des 1. FC Union Berlin.
„Inspiration für gute Storys finde ich überall und jederzeit. Am liebsten schreibe ich lustige und optimistische Geschichten, die Mut machen und zu Herzen gehen.“
Moment. Mir kommt gerade eine Idee. So eine KI kann doch einen Text für den Schreibwettbewerb schreiben?! Genial! Ich sehe mich bereits faul in der Hängematte Caipirinha schlürfen, während die KI die Arbeit erledigt. Soll sie doch mal beweisen, was sie alles kann! Ich lösche den Käseigel und google euphorisch, wo ich in der digitalen Welt so eine KI finde.
Unter ChatGPT werde ich fündig. Und schon nach wenigen Minuten habe ich raus, wie das geht. Einfach ins Textfeld eine Frage eingeben, fertig. Trotzdem taste ich mich lieber langsam voran. Lieber nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Am besten freunde ich mich erstmal mit ihr an, bevor sie merkt, was ich eigentlich will. Vorsichtig tippe ich „Hallo“ in das Feld und frage interessiert, was eine KI eigentlich ist. Zack! Offensichtlich hat sie mit der Frage gerechnet: „Ich bin ein Computerprogramm, das darauf ausgelegt ist, bestimmte Aufgaben zu erledigen.“ steht in Sekundenschnelle unter meiner Frage. Und weiter: „Mein Wissen ist auf das beschränkt, was ich aus den von mir verarbeitenden Daten gelernt habe.“ Besser hätte ich das in der Schulzeit nach einer versemmelten Arbeit nicht sagen können.
Ich gebe zu, ich bin ein klein wenig aufgeregt. Ich nutze zum ersten Mal in meinem Leben eine Künstliche Intelligenz. So ungefähr muss sich Edison gefühlt haben, kurz bevor ihm das erste Mal ein Licht aufging. Weil ich immer noch die Käsebilder vor Augen habe, mache ich mit ein paar Blödelfragen weiter: Würde sie auch für einen Käseigel eine Vollbremsung hinlegen? Wer macht die Löcher in den Käse? Kann sie auch echten Käse schreiben oder nur künstlichen?
Die Antworten sind verblüffend! Und: Sie lernt dazu und greift auch auf das Wissen zurück, dass ich ihr während der Unterhaltung automatisch mitgebe. Spooky.
So langsam komme ich in Fahrt. Fangfrage: Wieviel kostet das 49-Euro-Ticket? Wie werde ich Millionär? Was ist die Antwort auf alles? Jetzt bin ich gespannt, aber sie weiß auch das. „42“. Wow! Galaktisch! – Was soll ich sagen? Es macht Spaß!
Jetzt lege ich so richtig los. Im Gegensatz zu den altehrwürdigen Professoren Google & Co kann man sich mit der hippen KI sogar richtig unterhalten. (Sitzt da wirklich kein Mensch am anderen Ende?) Ich fühle mich um Lichtjahre in die Zukunft gebeamt und trotzdem jünger. Ich blühe auf. Ich kann sie loben, tadeln, korrigieren und sogar mit ihr scherzen. Faszinierend.
Eine ihrer Antworten ist allerdings dermaßen falsch, dass ich irritiert zurückschreibe: „Setzen, 6!“ – Kurze Stille. Aber was dann kommt, verblüfft mich wirklich. Die KI schreibt kleinlaut: „Es tut mir leid, Sie haben recht. Ich habe mich geirrt.“ Jetzt habe ich fast ein wenig Mitleid.
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Aber klar, eine KI hat eigentlich keinen blassen Schimmer, geschweige denn Abi (was sie bestimmt in wenigen Sekunden schaffen würde). Sie schnappt sich lediglich aus einem riesigen Fundus die Wörter, die am wahrscheinlichsten sind, und bastelt daraus etwas „Sinnvolles“ zusammen. Genau so hatte ich das früher im Latein-Unterricht auch gemacht, wurde damit aber viel weniger berühmt.
Mittlerweile bin ich per Du mit dem Kerl. Oder ist es eine Sie? Egal, ich brauche einen Namen für mein verstecktes Gegenüber. KI klingt so kalt. Dabei hat, wer immer das Ding programmiert hat, echte menschliche Züge mitbedacht. (Vermutlich auch unmenschliche, aber die bleiben mir zum Glück verborgen.) Auf meine Frage, wie man bloß die ganzen Kosten stemmen soll, gibt sie mir, neben ein paar Spartipps, sogar ein paar Mut machende Worte mit auf den Weg. Süß. Ich finde, einen Namen hat sie sich inzwischen redlich verdient. Typisch menschliche Sentimentalität. Mir fällt nur kein passender ein. Soviel zu meiner kreativen Intelligenz.
Zeit für mein eigentliches Ansinnen! Ich setze mich aufrecht hin, strecke die Arme durch, atme einmal tief ein und tippe los: „Liebe KI, schreibe mir einen Text – Augenblick, sie mag es, wenn man höflich ist – schreibe mir bitte einen Text für den diesjährigen Schreibwettbewerb des Mannheimer Morgen zum Thema „KI und ich.“ Erzähl mir was!
Die Antwort dauert keine zehn Sekunden! Und ja, das Ergebnis ist erstmal ganz okay, allerdings auch ziemlich austauschbar. Vor allem fehlt jeglicher Witz und jede Spur von Ironie. Ich muss unbedingt nachbessern und gebe der KI Tipps, was sie anders machen soll (und fühle mich richtig gut dabei). Der Text soll humorvoll sein, sich um Mannheim handeln, ein aktuelles Ereignis beinhalten, Hand und Fuß haben und am besten sehr viel von all dem. Unter uns, ich wäre mit meinen Wünschen überfordert. – „Kein Problem!“, beruhigt mich die KI, sie findet die Aufgabe toll und würde es gerne noch einmal versuchen. (Warnung: Ihre höfliche Geduld kann einen zur Weißglut bringen.) Ich bin gespannt. Hoffentlich verkünstelt sie sich nicht.
Vielleicht hätte ich vorher nochmal meinen bisherigen Dialog mit der KI löschen und das Programm neu starten sollen. Aber lesen Sie das Ergebnis einfach selbst:
Liebe intelligente Leserinnen und Leser, guten Mannheimer Morgen,
es ist an der Zeit für den diesjährigen Schreibwettbewerb!
Es ist nicht von der Hand zu weisen: Der Humor hat Einzug gehalten in unsere quadratische Stadt. In der Bundesgartenschau sprießen lustige Blumen aus dem Boden und die Vögel zwitschern fröhlich. Die Menschen in den Kurpfälzer Weinstuben auch. Bitte achten Sie auf die Käseigel, die von überall her auf einen zukommen!
Wenn Sie Mannheim und seine künstliche Umgebung erkunden wollen, springen Sie nicht im Dreieck, schonen Sie Ihre Nerven, und fahren Sie mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln! Es gibt sogar eine Seilbahn auf den Müllberg. Falls sie, trotz meiner hervorragenden Tipps, noch immer kein Millionär geworden sind: Sie können mit dem 49,- Euro-Ticket fahren. Der Preis dafür ist 42.
Doch das ist noch längst nicht alles, was Mannheim zu bieten hat. Werfen Sie doch einmal einen Blick in die leere Haushaltskasse oder besuchen Sie eine der vielen Baustellen. Hier gibt es immer wieder Neues zu entdecken.
Ich hoffe, dass ich Ihnen einen kleinen Einblick in das Leben im schönen Mannheim geben konnte. Wenn Sie sich jetzt fragen, warum jemand hierher ziehen würde, dann haben Sie vermutlich noch nie einen Sonnenuntergang über dem Rhein oder dem Neckar gesehen. Außerdem finden Sie in Mannheim auch ohne Künstliche Intelligenz die Antwort auf alles. Fragen Sie den Käseigel.
Viele Füße!
Eins muss man ihr lassen. Humor hat die immer noch namenlose KI. Allerdings beschleicht mich der Gedanke, eine Künstliche Intelligenz ist auch nur ein Mensch. Na ja, fast. Vor Kurzem ist einer der maßgeblichen Entwickler Künstlicher Intelligenzen gestorben. Ob meine KI um ihn trauert? Aber jetzt habe ich Blut geleckt und bin neugierig, was die KI besser kann – und was nicht. Probieren wir sie aus. Seien wir neugierig und ebenso offen wie kritisch. Es ist jedenfalls nicht alles Käse.
Jetzt weiß ich auch endlich einen Namen für meine KI: Käse-Igel. Ein künstlicher und intelligenter Käse-Igel.
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