Maike Kohl-Richter polarisiert. Das merkt sie selbst. Nicht nur einmal hat sie öffentlich die respektlose Debatte über ihre Person beklagt. Besonders viel Aufmerksamkeit wird der zweiten Ehefrau des einstigen Bundeskanzlers Helmut Kohl immer dann zuteil, wenn sich der Tag seines Todes jährt. So wie an diesem Dienstag.
Schlagzeilen gab es dieses Mal schon am Wochenende, weil die 56-Jährige den Kanzlerbungalow und den dazugehörigen Polizei-Sonderposten in der Marbacher Straße 11 in Oggersheim – jenes Haus, in dem ihr Mann seine Siege und seine Niederlagen erlebte – unter Denkmalschutz stellen lassen möchte. Seit dem Frühjahr 2019 ist dieses Anliegen bei der Stadt Ludwigshafen bekannt.
Nun muss man nicht mit allem einverstanden sein, was die studierte Volkswirtschaftlerin und spätere Mitarbeiterin im Bonner Bundeskanzleramt seit ihrer Heirat mit dem „Kanzler der Einheit“ bewirkt hat. Schon zu Lebzeiten ihres 34 Jahre älteren Mannes war ihr vorgeworfen worden, ihn abzuschotten. Vom Umgang mit Kohls Familie und den Akten ist vielfach berichtet worden. Dennoch möchte man ihr in der Frage des Denkmalschutzes zur Seite springen. In Kohls Wohnhaus wurde Geschichte entworfen und geschrieben. Wohl nirgendwo sonst sind Erfolg und Tragik seiner Kanzlerschaft gleichermaßen spürbar.
Die Generaldirektion Kulturelles Erbe, die in Rheinland-Pfalz letztlich über den Denkmalschutz entscheidet, greift in ihrer Begründung insofern zu kurz, wenn sie „die schlichte architektonische Gestaltung“ und den „jeweils nach Eingriffen veränderten Baubestand“ als Begründung für die Ablehnung einer Unterschutzstellung des Areals heranführt. Die Gebäude sind es nicht wert – so lässt sich das lesen. Doch die Wertigkeit von Mauern können nicht die einzigen Kriterien sein, an denen sich Denkmalschutz in diesem Fall bemessen lässt. Das Haus hat eine symbolische Bedeutung.
Spätestens seit Kohl begonnen hatte, die Staatsoberhäupter der Welt dorthin einzuladen, steht der Bungalow einerseits für pfälzische Pragmatik, andererseits für Weltoffenheit und Gastfreundschaft, für Authentizität und den Wunsch nach Frieden in Europa. Es klingt zwar etwas pathetisch, aber die Landesdenkmalbehörde trägt es doch sogar im Namen, dass es hier um ein kulturelles Erbe geht. Helmut Kohl und seine zweite Ehefrau haben vieles getan, das zu Kritik Anlass bietet. Allein: Das Haus, in dem sich das alles abspielte, sollte ein Denkmal sein.
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