Jane Gardam, die 1928 geborene englische Schriftstellerin, wurde erst vor wenigen Jahren auch im deutschen Sprachraum bekannt und erzielte mit ihrer Trilogie um die schillernde Figur des Old Filth einen sensationellen Erfolg. So liegt es nahe, auch ältere Werke von ihr zu publizieren. „Weit weg von Verona“ ist tatsächlich Gardams Debüt, das 1971 erstmals erschienen ist – aber so frisch und unverbraucht und modern wirkt, als lägen nicht Jahrzehnte dazwischen.
Jessica, die Ich-Erzählerin des Romans, ist keck und unerschrocken, hellwach und widerspenstig, von verblüffender Aufrichtigkeit und immer geradeheraus: Sie ist ganze dreizehn Jahre alt. „Ich möchte von Anfang an klarstellen, dass ich nicht ganz normal bin, denn im Alter von neun Jahren hatte ich ein einschneidendes Erlebnis.“ So hebt dieser entzückende kleine Roman an und wird diese Spannung bis zum Schluss halten können.
Kleines Kunststück
Das ist ein kleines Kunststück, denn er erzählt eine durchaus klassische Coming of age-Geschichte mit Streitereien unter Freundinnen, mit verbotenen Abenteuern, mit einem ersten Rendezvous, mit Konflikten im Elternhaus und mit Lehrerinnen. Vor allem aber ist es die Suche nach dem eigenen Ich, wobei Schreiben und Lesen durchaus hilfreich sind. Denn eines stellt die junge Heldin von Anfang an klar: Sie will Schriftstellerin werden.
Vor dem Hintergrund des Zweiten Weltkriegs, der auch den kleinen Ort an der Küste Englands nicht von den kriegsbedingten Einbußen des Alltags verschont und nicht von Bombeneinschlägen und anderen Katastrophen, erzählt Jane Gardam mit Witz und voller Lakonie vom Abschied von der Kindheit, von den Nöten einer Pubertierenden in Familie und Schule und vom Glück, das sich trotzdem bisweilen einstellt.
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