Berlin. Wer derzeit in eines der 46 Block-House-Restaurants in Deutschland einkehrt und sich dort ein bisschen auskennt, dürfte beim Blick in die Karte verwundert sein. „Mrs. Rumpsteak“ kostet in Berlin jetzt 25,40 statt 23,90 Euro und auch sonst ist alles teurer geworden. Grund dafür ist die mit dem Jahreswechsel angehobene Mehrwertsteuer in der Gastronomie: Der in der Corona-Pandemie reduzierte Satz stieg von 7 wieder auf 19 Prozent.
Die Steakhauskette Block House hat ihre Preise im Januar deshalb um sieben Prozent angehoben. Damit würden die Mehrkosten nur anteilig weitergegeben, denn „der Besuch in unseren Block-House-Restaurants soll auch weiterhin möglichst für jeden Gast bezahlbar bleiben“, sagt Sprecherin Christina Schreiner. Für die Branche sei die Wiedererhöhung der Steuer „dramatisch“. „Nach insgesamt neun Monaten Schließung während der Coronazeit ist keine Steigerung der Produktivität mehr möglich“, sagt sie. „Im Gegenteil: Es fehlen unglaublich viele Mitarbeiter.“ Geschäftsaufgaben und Insolvenzen seien unvermeidbar.
„Für die Gastronomen ist das Wichtigste, dass die Gäste noch kommen“, sagt Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), deshalb. Hartges zufolge tun das die meisten auch noch: „Ich glaube, die kleine Auszeit im Restaurant oder Café ist für viele jetzt wichtiger denn je.“ Eine repräsentative Civey-Umfrage, die diese Redaktion in Auftrag gegeben hat, zerstreut diese Hoffnungen jedoch. Knapp die Hälfte der Deutschen (48 Prozent) geht demnach seit der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent seltener auswärts essen. Etwas weniger, nämlich 41 Prozent der Befragten, gaben an, dass sie nicht seltener essen gehen. Die restlichen 11 Prozent sind unentschieden.
Im Ost-West-Vergleich zeichnen sich dabei leichte Unterschiede ab. Während 52 Prozent der Menschen im Osten Deutschlands nun seltener auswärts essen gehen, sind es im Westen nur 47 Prozent. Auch zwischen den Geschlechtern gibt es Abweichungen: 52 Prozent der Frauen geben an, jetzt weniger oft ins Restaurant oder Café zu gehen, aber nur 44 Prozent der Männer.
„Wir befürchten Schließungen“
Dass so viele Menschen häufiger zu Hause essen, hat ganz reale Gründe: Tatsächlich hat die große Mehrzahl der Gastronomen die Menükarten an die erhöhte Steuer angepasst. Laut einer Dehoga-Umfrage aus dem Januar, an der rund 2900 Betriebe teilnahmen, haben 76 Prozent der Gastronomen ihre Preise erhöht. Weitere elf Prozent erwägen Preiserhöhungen im Laufe des ersten Quartals 2024.
Innerhalb der Umfrage nannten mehr als 75 Prozent der Befragten die Anhebung der Mehrwertsteuer sowie steigende Kosten für Personal, Energie und Lebensmittel als derzeit größte Herausforderungen. „Auch wenn die Nahrungsmittelpreise jetzt nicht mehr so stark steigen, sind sie ja noch immer auf einem hohen Niveau“, sagt Hartges.
Die angehobene Mehrwertsteuer sei nicht allein schuld am Leid der Gastronomen, für manchen Betreiber aber der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brächte. 12 000 Betrieben könnte nun das Aus drohen, warnte der Verband bereits im vergangenen Jahr. Ob sich das bestätigt, sei zwei Monate nach der Mehrwertsteuererhöhung noch nicht absehbar, sagt Hartges. Allerdings: „Wir befürchten weiterhin, dass es zu einer nennenswerten Zahl von Schließungen und Betriebsaufgaben kommt.“
Nur die wenigsten Gastronomen entscheiden sich angesichts des finanziellen Drucks also dafür, ihre Preise beizubehalten. Einen anderen Weg ist Anja Rauch gegangen. Gemeinsam mit ihrem Mann Rainhard Rauch betreibt sie das Traditionsrestaurant Old Commercial Room am Hamburger Michel. Und dort, so verkündet es bereits ein Aushang an der Tür, werde die angehobene Mehrwertsteuer nicht auf die Gäste umgelegt. „Ich achte selber genau auf die Preise, wenn ich essen gehe“, sagt Rauch. Deshalb sei es dem Betreiberpaar wichtig gewesen, die erhöhte Steuer nicht an die Kunden weiterzugeben.
Leisten könnten sich die beiden das, weil sie im Einkauf gut verhandelten, sagt Anja Rauch. Sie ist sich sicher: „Das kann jeder. Man kann ja mit den Menschen sprechen.“ Ihr Mann betreibe den Old Commercial Room, früher ein Stammlokal von Helmut Schmidt, seit mehr als 50 Jahren. Mit vielen Lieferanten unterhalte man schon lange Geschäftsbeziehungen, da fände sich immer eine Lösung, meint sie, gibt aber auch zu: „Trotzdem haben wir jetzt persönlich etwas weniger übrig, aber das ist uns egal.“
Unverständnis bei Gewerkschaft
Gefasst zeigt sich auch die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Mark Baumeister, Referatsleiter Gastgewerbe, hält die Zahlen des Dehoga, der 12 000 Betriebsschließungen infolge der Mehrwertsteuererhöhung erwartet, für „unseriös“. Nun müssten die Betriebe eben lernen zu kalkulieren, sagt Baumeister. Denn wer zu knapp wirtschafte, könnte Probleme kriegen.
Guido Zeitler, Vorsitzender der NGG, sagte dieser Redaktion: „Wir haben uns für eine Verlängerung der abgesenkten Mehrwertsteuer bis Ende 2024 ausgesprochen. Das hätte den Betrieben mehr Zeit gegeben, sich von den Nachwehen der Corona-Zeit und den krassen Preissteigerungen für Energie und Lebensmittel zu erholen.“
Neben der nun wieder höheren Mehrwertsteuer beschäftigt die Gewerkschaft aber auch, wie die Abgabe grundsätzlich ausgestaltet ist. Baumeister beklagt etwa, dass beim Außer-Haus-Verkauf weiterhin nur sieben Prozent Steuern anfallen: „Hier tut die Regierung alles, um Lieferdienste wie Lieferando einseitig zu unterstützen.“
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