Mannheim. Die Stimmung bei der Linken ist gut. Oder eher: besser. Man merkt auch in Mannheim an vielen Stellen, dass der Wagenknecht-Austritt eine Katharsis war. So gibt es in Mannheim mehr Neueintritte als Austritte, wie die Linke am Samstag berichtet. Die Genossinnen und Genossen sind zusammengekommen, um ihre Liste für die Kommunalwahl aufzustellen. In der großen Halle im Trommelpalast herrscht Aufbruchstimmung.
Dennis Ulas auf Platz eins gesetzt
Mit geschärftem linkem Profil will Fraktionschef Dennis Ulas die Partei in die Kommunalwahl führen. Er steht mit gewohnt starkem Rückhalt auf Rang eins der Liste. „Ich freue mich sehr über die Nominierung. Gemeinderat ist tatsächlich nicht mein Hauptjob, auch wenn viele das denken“, sagt der Verkehrsplaner grinsend. Er gilt als fachlich versiert, gemäßigt, zielstrebig und charismatisch.
„Wir wollen Fraktionsstärke erreichen, mit mindestens vier Leuten einziehen“, sagt er. „Auch wenn das utopisch klingen mag, das ist es nicht. Die Linke wird hoffentlich einen Aufwind erleben“, so Ulas. Gelingen soll das über die Kernzielpunkte: „Wohnen bezahlbar machen. Gleicher Bildungszugang von Krippe bis Hochschule. Sozial gerechte Verkehrswende. Sozialverträglicher Klimaschutz. Soziale Teilhabe und gute Arbeit“, wie es im Programm steht. Und das immer für alle.
Kontrapunkt zum konservativen OB Specht
„Es ist so wichtig, dass wir als Linke stärker einziehen, denn wir haben erstmals in der Geschichte Mannheims einen konservativen OB“, sagt Ulas. „Gesamtgesellschaftlich haben wir einen Rechtsruck, auch mit den Umfragewerten der AfD. Das ist kein gutes Zeichen. Mannheim ist eine solidarische Stadt, und die kann sie nicht mit rechten Parteien sein, schon gar nicht mit der AfD, da brauche ich nur auf deren Geld-Pläne zu gucken…“, so Ulas.
Seit elfeinhalb Jahren ist er bei den Linken. „Ich bin aus Überzeugung in die Linke eingetreten, immer noch aus Überzeugung in der Linken und werde es auch bleiben, um das hier auch noch mal klarzustellen“, sagt Ulas, der vor noch gar nicht langer Zeit in große Fußstapfen von Thomas Trüper trat, diese aber zur Zufriedenheit der Genossen schnell füllte.
Auf Rang zwei der Liste steht Nalan Erol. Die erfahrene Stadträtin vereint ihre Expertise auf Sozialthemen. Kinder, Jugend, Bildung, Gesundheit, Integration und Frauen. Sie betont die auch mit Vorgängern erreichten Erfolge. Etwa „die Schulsozialarbeit, die wir nun flächendeckend erreicht haben“. Neben dem Wunsch nach einer zweiten IGMH im Süden spricht sie auch über den Fachkräftemangel im Betreuungsbereich.
Gegen Privatinvestoren für Kitas
Was private Investoren angehe, die Kitas betreiben wollen, „sind wir im Ausschuss und Gemeinderat die einzige Fraktion, die gegen diese profitorientierten Investoren schießt“, sagt Erol. Es ist nicht die erste Kampfansage an diesem Tag von den hiesigen linken Politikern. Ziel dabei: Position beziehen gegen Herzensthemen von OB Specht.
BDSM-Coachin macht Kampfansage ans Patriarchat
Eine Kampfansage gegen den Neoliberalismus und das Patriarchat kommt von Kreissprecherin Isabell Fuhrmann. Die BDSM-Coachin, die im Bereich der queeren Sexarbeit tätig ist, macht auf Rang drei der Liste gesetzt darauf aufmerksam, „dass Sorgearbeit das System aufrecht erhält“, aber gerade Frauen unter prekären Verhältnissen leiden und sich in diesen wiederfinden. Die Ex-Landtagskandidatin betont zudem: Nicht mehr die Klimagerechtigkeit sei jetzt „wichtigste soziale Frage unserer Zeit“, sondern „die Vermeidung der Klimakatastrophe!“
Wir waren in den letzten Jahren zu sehr mit uns selbst beschäftigt
Stichwort soziale Fragen. „Wir waren in den letzten Jahren zu sehr mit uns selbst beschäftigt“, sagt Kreissprecher Sven Metzmaier mit Blick auf die Bundesebene. „Wir haben dabei die Politik aus den Augen verloren. Das ist nun vorbei!“ Oft werde der Linken vorgeworfen, ihr fehle das Alleinstellungsmerkmal, sagt er. „Nein. Wir sind das Alleinstellungsmerkmal!“, ruft Metzmaier laut in die Halle und erntet Applaus. „Wir sind für die Leute da, die die Politik ignoriert, vergisst und - nein, mehr - gegen sie arbeitet. Wir sind die einzige Partei, die wirklich etwas gegen steigende Mieten sowie Lebensmittel- und Energiepreise tun will“, ruft der Industriemechaniker.
Isabell Belser ist heiß auf ein Stadtratsamt
Keine Überraschung auf der Liste ist derweil Isabell Belser. Einzig ihr Rang fünf könnte überraschen. Als die Ex-OB-Kandidatin das Wort ergreift, merkt man, sie hat eine Entwicklung durchgemacht. Sofort benennt sie konkrete Projekte. Ob Spundwand oder Stadtbibliothek - Belser positioniert sich sofort dafür. Man merkt, dass sie Lust hat, Dinge anzugehen. Immer wieder kommt sie auf das eigene Unterschätztwerden zu sprechen, auch im OB-Wahlkampf, „als Schwarze migrantische alleinerziehende Mutter im systemrelevanten Intensivpflegejob“.
Hanna Hoffmann-Böhm hört auf
Dabei spannt sie den Bogen, dass sie genau darum die Politik aus dem Blickwinkel des echten Lebens machen könne. Ihre Kandidatur sei „Meilenstein“ gewesen, sie wolle nun mit einer starken Linken in den Gemeinderat. Und „dort aufdecken, was schiefläuft, und was Hanna so toll gemacht hat, übernehmen“, sagt sie. Denn die langjährige Stadträtin Hanna Hoffmann-Böhm wird umziehen und steht nicht mehr zur Verfügung, wie an diesem Tag zugleich bekannt wird.
Klare Kante gegen Rechts
Unter den neuen Listengesichtern ist derweil Lennard Songo, Erzieher, Bezirksbeirat, aktiv beim Thema Wohnungspolitik in der Neckarstadt-West und im linken Zentrum „Ewwe longt’s“. Er steht auf Platz sechs. Bekannt für ihre klare Kante gegen Rechts ist auch Tanja Hilton, Rang sieben, von den „Omas gegen Rechts“, die auch in der Initiative 2. Mai aktiv ist: „Wer mich von der Straße kennt, weiß, wie vehement ich für meine Überzeugungen eintrete“, sagt sie. Auf Rang acht steht Jan Ohnemus, Büroleiter der Mannheimer MdB Gökay Akbulut, der „Ewwe longt’s“ mit aufbaute, sich antifaschistisch engagiert und ebenso einen Schwerpunkt auf der Wohnungspolitik hat.
"War Gastarbeiterkind, Tochter ist Juniorprofessorin"
Auf Platz neun rangiert Teresa Curcio, „Ich war ein Gastarbeiterkind, heute ist meine Tochter Juniorprofessorin“, sagt die Politikerfahrene, die sich „im Berufsleben als Frau in einer Männerdomäne behauptet“ und sicher ist, dass „eine progressive Linke mehr kann“.
Die Überraschung: Ex-OB-Kandidat David Frey
Auf Rang zehn dann eine Überraschung. David Frey, der einst parteilos als OB-Kandidat antrat. Er wollte damals im zweiten Wahlgang zunächst dabei bleiben, doch dann habe man ihn „übelst gedrängt“, seine Kandidatur doch noch aufzugeben, wie er damals sagte (wir berichteten). Weil er dem psychischen Druck nicht gewachsen war, habe er sich gefügt, wie er am Samstag erneut betonte. Frey, der sich, wie er vor der OB-Wahl sagte, selbst „zwischen grün und links“ ansiedelt, die Schwerpunktthemen Jugend-, Sozial- und Umweltpolitik hat, erkennt nun diese DNA in der Linken und will hier neu anfangen.
„Warum geht er erst jetzt zur Linken und hatte durch seine Einzelkandidatur dann in der OB-Wahl Belser quasi Stimmen weggeschnappt?“, so eine Frage aus dem Publikum. Frey aber sitzt die ganze Veranstaltung über ganz nah bei Belser am Tisch, beide reden und lachen. Es wird klar, dass er im Wahlkampf nicht nur neue Kontakte gefunden hat, sondern vielleicht bald auch eine neue politische Heimat. Er ist zwar noch nicht in die Linke eingetreten, will es aber bald tun, sagt er auf Nachfrage.
Urgestein Thomas Trüper steht auf Liste
Auf der Liste steht auch der Name eines alten Bekannten. Nämlich Altstadtrat-Urgestein und Ex-Fraktionschef Thomas Trüper. Als er bekannt gibt, für die Liste zu kandidieren, blickt er zu Ulas und lacht. „Ich werde das Amt nicht annehmen, falls ich gewählt werde, aber ich will einfach, dass es Aufmerksamkeit gibt, dass paar Stimmen auf diese Liste kommen, denn diese Liste hat es verdient!“
Auf der Versammlung wurde die Liste dann schließlich mit viel konstruktivem Dialog reibungslos von den Anwesenden abgesegnet. Es kam zu keiner Kampfabstimmung. Auch hier: Eine ungewohnte Einigkeit.
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