Fernsehkrimi

Die Nibelungen grüßen: So war der neue Ludwigshafen-"Tatort"

Der neue Ludwigshafen-"Tatort" rückt den Nibelungenhort in den Mittelpunkt der Story. Hat jemand tatäschlich den sagenhaften Schatz gefunden? Unsere Kritik zur Folge "Gold"

Von 
Bernhard Zinke
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Die Hauptdarsteller des neuen Ludwigshafen-„Tatorts“: Ulrike Folkerts, Lisa Bitter und Heino Ferch. © SWR/Benoît Linder

Ludwigshafen. Wieder mal ein ausgesprochen ungewöhnlicher „Tatort“ aus Ludwigshafen. Geschrieben hat den 78. Fall von Lena Odenthal/Ulrike Folkerts mit dem Titel „Gold“ der in Mannheim geborene und extrem „Tatort“-erfahrene Drehbuchautor Fred Breinersdorfer gemeinsam mit seiner Frau Katja Röder. Regisseurin Esther Wenger erzählt die Geschichte weit abseits einer klassischen Kriminalstory. Und das durchaus in einer ausgesprochen intensiven Bildersprache. Schade nur, dass das ambitionierte Projekt reichlich steril über den Bildschirm flimmert. Der Zuschauer wird zu keinem Zeitpunkt emotional in die Handlung gezogen. Die ermüdet zudem mit - zu - vielen Erzählsträngen. Auch die ironischen Ansätze verlieren sich immer wieder im Banalen.

Dabei startet der „Tatort“ durchaus knackig: Die tödlichen Schüsse fallen in einem Pfälzer Weinberg, die Gabel eines Traktors transportiert sekundenlang die Leiche durch nächtliche Rebzeilen. In der Handlung geht es um einen verschwundenen Filialleiter einer Bank mit dem Faible für mittelalterliche Ritterspiele. Die heiße Spur führt nach Deidesheim, wo die Kommissarinnen im Kofferraum des Autos des Vermissten Jahrhunderte alte Münzen finden. Sind diese Teil des sagenumwobenen Nibelungenschatzes? Es wabert viel Sagenhaftes und Mythisches durch die Inszenierung. Da fällt unvermittelt ein Stift vor Kommissarin Johanna Stern (Lisa Bitter) zu Boden, ein plötzlicher Windstoß lässt eine Gardine durchs Bild wehen. Lampen flackern über dem Geschmeide und zerspringen. „Den Fluch flieht niemand“, orakelt geheimnisvoll Heino Ferch, der als Kurator des Wormser Nibelungenmuseums und ausgewiesener Wagner-Fan selbst ganz offensichtlich scharf auf die frühmittelalterlichen Funde ist - und zwar mehr, als es sein berufliches Interesse gebietet.

Eine filmgewordene Oper

Ferch ist als Dr. Albert Dürr ein echter Lichtblick in der anspielungsreichen, unterm Strich aber verschwurbelten Geschichte, die die Form ganz deutlich über den Inhalt stellt. Es bleibt auch am Ende der Geschichte offen: Ist Dürr nun Bösewicht, besessen, verschlagen und ein Fleisch gewordener Alberich als Hüter des Schatzes von eigenen Gnaden? Oder macht er nur seinen Job, historische Schätze vor Raubgräbern zu schützen?

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Tatsächlich inszeniert Regisseurin Wenger das Stück als eine filmgewordene Oper. Sie unterteilt die Kapitel - ganz Nibelungenring-konform - in die Kapitel „Rheingold, Walküre“, „Siegfried“ und „Götterdämmerung“. Lena Odenthal und ihre Kollegin Johanna Stern werden unfreiwillig zu Jägerinnen des verlorenen Schatzes. Vor allem Johanna Stern lässt sich gehörig in den Bann der Versuchung schlagen.

Dass „Tatort“-Kommissarinnen und Kommissare sich nicht unbedingt an die drögen Realitäten des Berufsalltags von echten Kriminalern halten müssen, ist eine Binse. Aber es mutet auch den Otto-Normal-„Tatort“-Zuschauer ein wenig befremdlich an, dass sich das Duo Odenthal/Stern intensivst den Sorgen einer Frau annimmt, die bislang lediglich ihren Sohn vermisst. Immerhin arbeiten Odenthal und Stern in der Mordkommission des Ludwigshafener Polizeipräsidiums. Ganz offenkundig sind die beiden also unterbeschäftigt, wenn sie Zeit für die Aufnahme einer ganz normalen Vermisstenanzeige haben. Und wer vom Empfang des Präsidiums hat die Dame eigentlich ins Mordkommissariat hineingelassen, wenn’s doch noch keine echten Hinweise auf eine Gewalttat gibt?

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Geschenkt auch, dass das tatsächlich existierende Wormser Nibelungenmuseum keinen eigenen Kurator hat. Gleichwohl darf Heino Ferch in ebendieser Funktion mit wehendem Mantel durch den Fundus des städtischen Museums im Andreasstift eilen. Denn der SWR drehte im vergangenen Herbst einige Szenen in diesem Museum. Die Räumlichkeiten des im Film gezeigten Nibelungenmuseums existieren dagegen nur im Fernsehstudio.

Kulisse Deidesheim

Auch im pfälzischen Deidesheim machte das Filmteam Station, unter anderem im fiktiven Hotel „Pfälzer Hof“, dessen Hotelier René Schalles von dem Wormser Schauspieler André Eisermann dargestellt wird. Eisermann darf nicht nur mit ziemlich übertriebenem Pfälzer Zungenschlag kalauern, sondern schmettert - erkennbar nicht selbst - als Heldentenor einen Arienauszug aus der Walküre „Leb Wohl du kühnes herrliches Kind“. Da weiß man als Zuschauer längst nicht mehr, ob man weinen oder lachen soll.

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