Budapest

Leichtathletik-WM: Wie es MTG-Kugelstoßerin Yemisi Ogunleye in die Weltspitze geschafft hat

Nach langer Leideszeit hatte sich Yemisi Ogunleye Ende Mai mit 19,31 Meter sensationell in die Weltklasse katapultiert. Nun peilt die Kugelstoßerin von der MTG Mannheim bei der Leichtathletik-WM in Budapest den Endkampf an

Von 
Reinhard Köchl
Lesedauer: 
Yemisi Ogunleye hat in diesem Jahr ihre Bestleistung auf über 19 Meter gesteigert. © Gladys Chai von der Laage/dpa

Budapest. Sie singt. Achten Sie mal an diesem Samstag am Fernseher darauf, wenn Yemisi Ogunleye morgens im Vorkampf der Leichtathletik-Weltmeisterschaften in Budapest (10.25 Uhr) und hoffentlich am Abend im Endkampf der stärksten Frauen dieses Planeten (20.15 Uhr) abseits des Kugelstoßringes umherwandert. „Wenn ich merke, dass ich nervös werde, dann versuche ich ruhig zu atmen und überlege mir einen Song, den ich dann für mich anstimme. Das bringt mich runter.“

Damit verscheucht sie erfolgreich störende Gedanken, kann das Drumherum ausblenden, relativ rasch missglückte Stöße abhaken und jeden Versuch als neue Chance begreifen. Die 24-jährige Vorzeigesportlerin der MTG Mannheim, die sich nach langer Leidenszeit beim Rehlinger Pfingstsportfest mit 19,31 Meter fast sensationell in die Weltklasse katapultiert hatte, singt leidenschaftlich gerne Gospels zuhause in der Kirche, die afroamerikanische, musikalische Verkündungsvariante des Evangeliums. Jetzt auch im Budapester Nemzeti Atlétikai Központ-Stadion. Aber ganz für sich.

„Ich glaube an Gott und darf ihm auch vertrauen, dass alles zu seinem Zeitpunkt zusammenkommt“, sagt Ogunleye lächelnd im Teamhotel des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) in Budapest vor ihrem ersten großen Auftritt im Welttheater der Leichtathletik.

Rückschläge weggesteckt

Die gläubige Christin erzählt, dass sie nach zwei Knieoperationen und einer Zeit, in der sie gedacht habe, ihre Karriere als Leistungssportlerin zu beenden, die Orientierung am christlichen Glauben geholfen habe. „Auch Rückschläge können einen stärker machen“, sagt Ogunleye. „Zu wissen, dass ich das alles überwunden habe und heute auf einem solchen Level performe, gibt mir die Zuversicht, dass ich am Samstag die bestmögliche Leistung abliefere. Ob es dann für den Endkampf reicht, weiß ich nicht. Was ich aber weiß, ist, dass Gott mein Leben in der Hand hat. Und das hat mir in den zurückliegenden neun Jahren so viel Zuversicht und Vertrauen gegeben. Gott will mich auf dieser Bühne hier in Budapest sehen!“

Mehr zum Thema

Leichtathletik

Das Glück läuft bei MTG-Läuferin Fabienne Königstein immer mit

Veröffentlicht
Von
Sibylle Dornseiff
Mehr erfahren
Leichtathletik

Wie es Zehnkämpfer Leo Neugebauer plötzlich zum WM-Medallienanwärter geschafft hat

Veröffentlicht
Von
Reinhard Köchl
Mehr erfahren

Dafür sei sie in wirklich guter Form, habe sich mit ihrem Trainerteam um Iris Manke-Reimers, die auch die Umstellung vom Angleiten zum heute weltweit üblichen Drehstoß begleitete, sowie den Bundestrainern optimal vorbereiten können. „Ich gehe da mit der Einstellung ran, dass es ein Wettkampf wie jeder andere ist. Du hast deine Kugel, deinen Ring, deine Wurfschuhe. Es ist exakt das Gleiche wie in Rehlingen oder einem Werfertag.“

Oder wie im polnischen Chorzów Ende Juni, wo Ogunleye nicht minder überraschend den zweiten Platz ergatterte. „Wir Sportler neigen leider dazu, unter dem Druck solcher Wettkämpfe etwas in der Technik umzustellen. Das möchte ich aber hier in Budapest auf keinen Fall tun!“ Denn die Gewissheit, dass ihre Familie und Iris Manke-Reimers im Stadion seien, gebe ihr Kraft. „Und gepaart mit dem Adrenalin, das man da automatisch ausschüttet, und mit der Freude, mit der ich momentan in die Wettkämpfe gehe, kommt auch die Leistung. Da bin ich wirklich zuversichtlich.“

Zur rechten Zeit am rechten Ort

Selbst in einer ständig unter Doping-Generalverdacht stehenden Disziplin wie dem Kugelstoßen habe sie keine Angst, dass es im bislang wichtigsten Wettkampf ihres Lebens möglicherweise nicht mit rechten Dingen zugehen könnte. „Die Medaillen gehen in Budapest wahrscheinlich mit 20 Metern weg“, analysiert Ogunleye. Es habe aber auch schon Zeiten gegeben, in denen die Frauen 22-Meter-Ergebnisse vorzuweisen hatten. Insofern sei sie zur rechten Zeit am rechten Ort - in der erweiterten Weltspitze. Und sie weiß: Man kann nie tiefer fallen als in Gottes Arme. Um dies zu untermauern, intoniert sie zum Ende des Gespräches sogar den Gospel „My God is greater“ (Mein Gott ist größer). Klingt mindestens genauso gut, wie ihre Kugeln weit fliegen…

In Richtung Weltspitze drängen auch die beiden Sprinter Lisa Nippgen und Robin Ganter (beide MTG), die auf einen Einsatz in der deutschen 4x100-Meter-Staffel hoffen. Für Nippgen, die 2021 wegen einer Verletzung die Olympischen Spiele in Tokio verpasste, wäre es eine Art Wiedergutmachung, während Ganter schon froh ist, überhaupt dabei zu sein und im DLV-Teamhotel täglich Superstars wie Mondo Duplantis und Daniel Stahl über den Weg laufen zu können. „Es ist der absolute Höhepunkt meiner bisherigen Karriere“, bekennt Ganter. Seine Chancen, tatsächlich in der Staffel zum Einsatz zu kommen, schätzt der 22-Jährige diplomatisch-realistisch mit 50 zu 50 ein. „Die anderen haben sicher einen kleinen Vorteil wegen ihrer Erfahrung“, sagt Ganter.

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen