Alexander Stenacker gestikuliert, schlägt mit den Händen um sich, wird von der Strömung getrieben. Er ist ein erfahrener Rettungsschwimmer und tut hier im Rhein in Höhe der Rheinterrassen gerade nur so, als wäre er in Not. Schon rast ein Boot der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) heran. Nicole Aichele fährt zu dem Mann und öffnet die Bugklappe, Jonas Hinkeldey und Johannes Böhrer holen den vermeintlich in Not geratenen Schwimmer mit dem gelben Rettungsbrett auf ihr Boot, bringen ihn ans Ufer.
„Mit dem Spineboard können wir den Patienten fixieren, in eine schonende Lage bringen“, erläutert Nils Treiber von der DLRG Heidelberg die Vorführung. Sie ist Teil des Sommerempfangs der DLRG-Landesverbände Württemberg und Baden, zu dem Vertreter aus Politik und Hilfsorganisationen dieses Mal in Mannheim, im Gasthaus am Fluss, eingeladen sind. „Einsatzschwerpunkt Wasserstraßen“ lautet das Motto, denn neben Badeseen und Schwimmbädern ist die DLRG auch an Rhein und Neckar gefordert.
Rheinterrassen in Mannheim eine „besonders knackige Stelle“
„Da kommt es auf Geschwindigkeit an“, betont Nils Treiber. Am Rhein setze die DLRG bewusst auf robuste, hoch motorisierte Boote – wegen der enormen Fließgeschwindigkeit von 2,7 Metern pro Sekunde. „Das gilt nur bei Normalwasser, bei Hochwasser ist es noch mehr“, so Treiber. Ein großer Hafen, viele Frachtschiffe und pro Tag sieben bis neun Flusskreuzfahrtschiffe, die in Mannheim anlegten, machten die Quadratestadt zu einem besonderen Gefahrenpunkt, sagte er. Kreuzfahrtschiffe hätten oft philippinische Besatzung, was Sprachprobleme bedeuten könne, und ein Publikum, „das nicht 25 Jahre alt und gut trainiert ist“.
Gerade die Rheinterrassen seien „eine besonders knackige Stelle“, mit enormer Strömung, sagt Thorsten Großstück, Leiter Einsatz und stellvertretender Vorsitzender der DLRG Mannheim. Taucher lasse er hier nicht ins Wasser. Gefährlich sei der Rhein nicht nur wegen der hohen Fließgeschwindigkeit, sondern auch wegen der Berufsschifffahrt. Die modernen, großen Motorschiffe verursachten „erst einen heftigen Sog, dann eine große Welle“, weshalb die DLRG nicht nur das Schwimmen im Rhein für zu gefährlich halte. „Kinder sollten auch nicht direkt am Ufer spielen“, warnt er.
„Desaster“ und „Misere“: Immer weniger Menschen können schwimmen
Neben Warnungen für die Bevölkerung äußert die DLRG auch deutliche Kritik an der Politik. Von „Desaster“ und „Misere“ spricht Ursula Jung, Vizepräsidentin der DLRG Württemberg, weil immer weniger Menschen schwimmen können und es die Wasserretter immer schwerer haben. 125 000 Mitglieder haben beide Landesverbände, und etwa ein Drittel davon ist – ob in der Schwimmausbildung oder im Wasserrettungsdienst – ehrenamtlich aktiv. Im vergangenen Jahr leisteten sie 5000 mal Erste Hilfe, 160 Menschen wurden vor dem Ertrinken gerettet. Und 28 Todesfälle waren, trotz aller Bemühungen, zu beklagen.
Doch das liege eben auch daran, dass immer weniger Menschen schwimmen können, bedauert Ursula Jung. 2017 hätten laut einer Forsa-Umfrage zehn Prozent der Eltern angegeben, dass ihre Kinder im Grundschulalter nicht schwimmen könnten. 2022 sei diese Zahl auf 20 Prozent gestiegen, „Tendenz steigend“, bedauert Jung. Dabei seien Eltern oft der irrigen Meinung, dass schon das „Seepferdchen“ ausreichende Schwimmfähigkeiten bescheinige, aber das ist „nur ein Motivierungsabzeichen, erst ab Schwimmabzeichen in Bronze kann man sicher schwimmen“, stellt sie klar. Nach Einschätzung des Verbands könnten sechs von zehn Viertklässlern am Ende der Grundschule nicht sicher schwimmen.
Pöbeleien und Handgreiflichkeiten gegenüber ehrenamtlichen Rettern
Als Begründung verweist sie einmal auf die Corona-Pandemie, durch die viele Kurse ausgefallen seien. Es gebe zudem einen Mangel an qualifiziertem Personal in Schulen, Bädern sowie bei der DLRG. Und es fehle an Wasserflächen, um trainieren zu können, weil immer mehr Kommunen ihre Bäder schließen würden. „Die Mängel der Bäderinfrastruktur müssten systematisch behoben werden“, fordert die DLRG-Vizepräsidentin.
Sorge mache der DLRG zudem der Umgang mit ihren durchweg ehrenamtlichen Rettungskräften, so Jung. „Es gibt immer häufiger Pöbeleien und Handgreiflichkeiten“, kritisierte sie. „Es wird zu wenig gesehen, dass da Menschen für Menschen da sind, das hat mehr Wertschätzung verdient“ verlangt sie.
„Sie leisten eine wichtige ehrenamtliche Arbeit und haben das Recht, Anerkennung zu erfahren“, sagt Bau- und Sportbürgermeister Ralf Eisenhauer in seinem Grußwort. Für die marode Unterkunft der Mannheimer DLRG am Herzogenriedbad laufe eine Machbarkeitsstudie, um die Wasserrettungsorganisation „in einem zukunftsgerechten Gebäude gut unterzubringen“.
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