Mannheim. Der Name für das außergewöhnliche Wohnprojekt in Mannheims jüngstem Stadtteil Franklin war Programm: Esperanza, das heißt auf Deutsch Hoffnung. Und Hoffnungen waren mit dem Vorhaben zahlreiche verbunden: Die Hoffnung auf ein neues Zuhause; auf ein erfülltes Leben in einer bunten, generationenübergreifenden Gemeinschaft; auf bezahlbaren, selbstverwalteten, teils gemeinschaftlich genutzten Wohnraum in einem neuen Haus, das den Menschen gehören sollte, die gerade darin wohnen. Doch mittlerweile schwingt der bittere Beigeschmack der Ironie bei dem Namen mit. Denn das alternative Wohnprojekt ist in der angedachten Form gescheitert.
„Das tut schon weh“, sagt Roland Staar, der Geschäftsführer der GmbH, die die Projektgruppe gegründet hatte, um ihren Traum zu verwirklichen. „Da steckt viel Herzblut drin – und auch der eine oder andere Burnout.“
Geplant für 50 bis 60 Bewohner
Dabei lief es lange Zeit gut für das Vorhaben, das Staar mit einer Gruppe von zeitweise etwa 20 Gleichgesinnten und der Unterstützung des Mietshäuser Syndikats umsetzen wollte: In der George-Washington-Straße in der Nähe der Sports Arena wollten sie zwei viergeschossige Gebäude errichten lassen, die mittels zweier Verbindungsbrücken quasi zu einem verschmelzen sollten.
Im Erdgeschoss sollte ein großer Gemeinschaftsraum entstehen, den auch andere Bewohnerinnen und Bewohner von Franklin hätten nutzen können. Darüber waren 19 Mietwohnungen vorgesehen, für etwa 50 bis 60 Menschen: Familien, Paare, Singles, vom Säugling bis ins Rentenalter. Ein Teil der Wohnungen sollte barrierefrei sein, etwa ein Viertel öffentlich gefördert und somit zu einem bezahlbaren Preis. Die anderen hätten vermutlich rund zehn Euro pro Quadratmeter Miete gekostet. Eine begrünte Dachterrasse war geplant und, wenn es richtig gut läuft, sogar eine Sauna für alle.
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Fünf bis sechs Jahre haben Staar und seine Mitstreiter davon geträumt, Pläne geschmiedet, sich immer wieder auseinandergesetzt – und jede Menge Zeit investiert. Lange sah alles gut aus: Ende 2021 haben sie von der städtischen Entwicklungsgesellschaft MWSP das Grundstück zu einem vertretbaren Preis kaufen können. Die Architekten hatten ihren Job erledigt, der Bauantrag war gestellt. Doch dann kam es Schlag auf Schlag.
„Alle waren sauer“
Ende Januar 2022 stoppte die staatliche Förderbank KfW ihr Unterstützungsprogramm für energieeffiziente Gebäude, berichtet Staar. Das riss die erste Lücke von etwa 600 000 Euro in den Plan, der von Kosten von etwa sechs Millionen Euro ausging. Dann griff Russland die Ukraine an, Energie- und Baukosten schnellten in die Höhe – und die Zinsen ebenfalls. So musste die Gruppe schon einen Mietpreis von zwölf Euro pro Quadratmeter ansetzen, um wirtschaftlich zu bleiben. Doch auch das sollte nicht reichen.
Denn im Oktober des vergangenen Jahres lag zwar nach einer Bearbeitungszeit von zehn Monaten endlich die Baugenehmigung vor, erzählt der Geschäftsführer der Projektgruppe weiter. Doch parallel dazu teilte die L-Bank – die Staatsbank für Baden-Württemberg – mit, dass sie das eingeplante Förderdarlehen in Höhe von 1,7 Millionen Euro nicht gewähren kann. Weil sie das Projekt als „nicht wirtschaftlich“ einstufte. „Ich war sauer“, erinnert sich Staar, für den die Prüfung viel zu lange dauerte und viel zu kompliziert war. „Alle waren sauer.“
Da nützte es auch nichts, dass die Gruppe bereits etwa eine Million Euro über sogenannte Direktkredite eingesammelt hatte – also relativ kleine Darlehen, die Unterstützerinnen und Unterstützer ihr zu einem moderaten Zinssatz zur Verfügung gestellt hatten. Die Finanzierung war geplatzt – denn ein weiterer Kredit der Hausbank hing ebenfalls am Förderdarlehen.
„Das Ding ist aus“
Es folgten Verhandlungen, Diskussionen, Krisengespräche. Bis die Gruppe im Frühjahr schließlich entschied: „Das Ding ist aus.“ Die Kosten waren so weit in die Höhe geschossen, dass Staar und seine Mitstreiter es sich gar nicht mehr hätten leisten können, in den Häusern zu wohnen: „Irgendwann sind wir auf horrende Mieten gekommen.“ Und so lautet seine bittere Bilanz: „Wir haben alles fertig – nur den Startschuss konnten wir nicht geben.“
Das ist nicht nur für die potenziellen Bewohnerinnen und Bewohner ein herber Schlag. Auch den vielen Unterstützern droht ein Verlust: Da für den ganzen Planungsprozess schon rund eine halbe Million Euro ausgegeben wurde, bekommen sie vermutlich nur etwa die Hälfte ihrer Direktkredite zurück.
Vermeiden ließe sich das womöglich, wenn jemand anderes das Projekt übernimmt und es doch noch zu Ende führt: Staar hat die Stadtverwaltung, Stadträtinnen und Stadträte, Parteien und weitere Gruppierungen angeschrieben und um Unterstützung gebeten. „Es gibt immer Möglichkeiten, andere Städte haben es gezeigt“, sagt er und verweist auf Tübingen, Leipzig oder Hamburg.
Es gab auch schon das eine oder andere Gespräch – aber noch keine konkreten Zusagen. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG jedenfalls wird das Projekt nicht übernehmen, sagt deren Geschäftsführer Karl-Heinz Frings: „Wir können da leider nicht helfen.“ Andere Träger überlegen noch. Auch das Mietshäuser Syndikat sucht nach einer Lösung. Es gibt als noch etwas Hoffnung für Esperanza.
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