Serie 75 Ideen für Mannheim

Umbau des Paradeplatzes macht auch historisch gesehen Sinn

Von 
Peter W. Ragge
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Mannheim. „Das geht auf gar keinen Fall, werden die historisch Bewanderten sagen“, hat Lutz Pauels befürchtet. In der „MM“-Serie „75 Ideen“ schlug er eine Umgestaltung des Paradeplatzes vor. Wären die Blumenrabatten an den Seiten, könnte man ihn zur Belebung der Innenstadt mit Märkten, Gastronomie, Festen, Straßenkünstlern und Musikern nutzen. Doch ein Blick in die Geschichte zeigt: Die heutigen Blumenrabatten sind gar nicht so historisch und damit tabu, wie Pauels annimmt.

„Paradeplatz“ – das klingt danach, dass hier Soldaten zackig aufmarschieren. Als sie hier stramm stehen, heißt die Fläche noch gar nicht so. Sie entsteht, als die große Zeit des Militärs in Mannheim endet. Die 1606 gegründete Festung wird während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) verwüstet und 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg erneut zerstört. Als 1698 der Wiederaufbau unter Kurfürst Johann Wilhelm beginnt, verzichtet man auf die Wälle als Befestigung zwischen Friedrichsburg und Stadt. Dadurch entsteht ein freier Platz – im heutigen Quadrat O 1. Johann Wilhelm verfügt, dass die Quadrate N 1 und O 1 frei zu halten sind.

Carl Philipp, ab 1716 Nachfolger von Kurfürst Johann Wilhelm, verlegt 1720 seine Residenz von Heidelberg nach Mannheim und ordnet am 23. März 1724 an, ein großes Kauf- und Lagerhaus in N 1 zu errichten, um die neue Residenz auch als Handelsstandort zu stärken – das „Alte Kaufhaus“. Das Areal nördlich davon bleibt frei. „Alarmplatz“ und „Neuer Marktplatz“ wird es zunächst genannt, später „Place d’Armes“ – Paradeplatz. 1735 taucht der Name offiziell erstmals in Akten auf. Die später „Planken“ genannte Straße quer durch die Residenzstadt trägt den Namen „Alarmgass“, weil durch sie die Verteidiger zur Stadtmauer eilen sollen. Zivilisten dürfen den Platz nicht betreten. Er ist von einem kleinen, einen Meter hohen Mäuerchen umgeben, wie alte Stiche zeigen.

1738 wird aus Düsseldorf eine Bronzepyramide des dortigen ehemaligen Hofbildhauers Gabriel Grupello per Schiff auf dem Rhein nach Mannheim gebracht. „Allegorie an die Tugenden eines Herrschers“, so ist das 6,90 Meter hohe Werk betitelt. Aufgestellt wird das 15 Tonnen schwere Brunnenmonument aber erst 1743, als Kurfürst Carl Philipp tot ist und Carl Theodor seine Nachfolge angetreten hat.

Die erste Bürgerbeteiligung

Ein Stadtführer von 1823 schwärmt von der „jungen Akazienallee“ an drei Seiten des Platzes außer zum Kaufhaus hin und bedauert wortreich, dass es die „Prachtaufzüge“ und „großen Paraden“ des Militärs nicht mehr gibt. Zudem vermerken alte Chroniken, dass im späten 18. Jahrhundert bis etwa Mitte des 19. Jahrhunderts dort und unter den Arkaden des Kaufhauses der Maimarkt stattfindet.

Ende des 19. Jahrhunderts entsteht im Tiefbauamt der Stadt der Gedanke, den, so alte Verwaltungsberichte, als „eintönig“ empfundenen Paradeplatz aufzuwerten. Erste Pläne für die Bepflanzung des Platzes werden aber verworfen – als zu teuer. Und nicht nur das: Zu viel Rasen, zu viele Blumen wollen die Bürgervertreter nicht, man müsse das „reduzieren zugunsten des Verkehrs“, heißt es.

1893 nimmt die Stadt eine erneute Planung in Angriff. Im Winter 1894/95 erfolgt sogar etwas, was man heute „Bürgerbeteiligung“ nennen würde – damals ist es ein Experiment. So werden anhand der Fußstapfen im Schnee „die vom Publikum beliebtesten Verkehrsrichtungen genau festgestellt“, wie der Verwaltungsbericht festhält. Es zeigt sich, dass die meisten Passanten diagonal über den Platz gehen.

Im März 1895 beginnen die Bauarbeiten nach den neu ausgearbeiteten Plänen, am 4. Juli 1895 wird der neu gestaltete Platz der Öffentlichkeit übergeben. Zugleich erhält die Grupello-Pyramide ihre Erweiterung durch acht Brunnenschalen mit Figuren des Bildhauers Johannes Hoffart.

Zerstört wird diese Platzgestaltung in der Zeit der Nationalsozialisten. Sie bauen 1940 bis 1942 unter dem Paradeplatz einen Bunker mit 510 Plätzen, in den im Notfall auch 1500 Menschen passen. Nach dem Zweiten Weltkrieg dient der Bunker ab 1947 bis in die 1950er Jahre als Hotel. Oben ist es eine asphaltierte, öde Fläche, zeitweise als Parkplatz und ab 1972 für den Weihnachtsmarkt genutzt. Alte Fotos belegen zudem, dass es hier ab den 1950er Jahren an der Ecke Richtung C 1 Stühle und Tische von einem Straßencafé gibt.

Wochenmarkt-Standort

Als 1977 unter dem Marktplatz G 1 eine Tiefgarage gebaut werden soll, zieht der Wochenmarkt auf den Paradeplatz um. Daher wandert der Weihnachtsmarkt, der ab 1972 auf dem Paradeplatz aufgebaut wird, ab 1978 an den Wasserturm. In O 1 bleibt wieder nur eine dröge Asphaltfläche übrig. Beete und Bänke sind am Rand.

Erst im Zusammenhang mit der – heftig umstrittenen – Bebauung des Quadrats N 1 in moderner Form fällt die Entscheidung, den Platz nach Plänen von Architekt Carlfried Mutschler in Anlehnung an das Aussehen von 1895 zu rekonstruieren. Ganz funktioniert das indes nicht: Da im Untergrund weiter der Bunker ist und Pflanzen keine Wurzeln schlagen können, werden Beete aufgeschüttet und mit einer Sandsteinumrandung versehen. Richtig historisch ist das also gar nicht.

Der Paradeplatz 1953, mit Straßencafé und Kaufhäusern. © Marchivum/B&N

Redaktion Chefreporter

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