Bio-Motorsport mit 285 km/h

Von 
Alexander Jungert
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Fast 4000 Kubikzentimeter Hubraum, eine Leistung von 485 PS, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 285 Kilometer pro Stunde. Zunächst klingt der Porsche 911 GT3 Cup recht wenig öko. Das Rennauto will es aber sein. Die Fahrertür besteht aus Biofasern. Im Tank befindet sich E20, ein Kraftstoff mit 20 Prozent Ethanol. Aber widersprechen sich Nachhaltigkeit und Motorsport nicht?

Thomas von Löwis verneint diese Frage klar. „Rennwagen waren und sind immer wieder das Entwicklungs- und Präsentationsfeld neuer Technikkonzepte“, erklärt der Geschäftsführer von Four Motors. „Eine Umstellung auf Elektromobilität ist von heute auf morgen nicht möglich. Es müssen Alternativen geschaffen werden, um endliche Ressourcen so lange wie möglich für nachfolgende Generationen verfügbar zu machen.“

Four Motors aus Reutlingen testet seit Anfang der 2000er Jahre mit sogenannten Bioconcept-Cars – Prototypen von Rennwagen – Innovationen unter harten Bedingungen auf ihre Serientauglichkeit. Unter anderem bei der Deutschen Langstreckenmeisterschaft und dem internationalen 24-Stunden-Rennen am Nürburgring. Ein Kilometer der berüchtigten Nordschleife am Nürburgring entspricht etwa 20 Kilometern Straßenerprobung, sagt man.

Partner und Sponsor ist CropEnergies. „Alle reden von Dieselkrise und Jobverluste durch E-Autos. Die Möglichkeiten saubererer Kraftstoffe im Tank werden leider schlicht vergessen oder unterschlagen“, erklärt Vorstandschef Joachim Lutz. Das Mannheimer Unternehmen stellt E20 her, mit dem die Tanks der Rennwagen befüllt werden. Das Ethanol stammt aus Reststoffen. Es ist also ein Biokraftstoff der zweiten Generation. Davon produziert CropEnergies schon kleinere Mengen, die bereits heute an der Tankstelle in Benzinsorten wie Super-E10 getankt werden können. Der überwiegende Teil des Ethanols wird jedoch aus Getreide und Zuckersirupen hergestellt.

E10 hat hierzulande auch acht Jahre nach der Einführung den Durchbruch noch nicht geschafft, andere europäische Staaten sind längst weiter. Viele Autofahrer befürchten Motorschäden durch den Biokraftstoff, was CropEnergies und auch der ADAC zurückweisen. Zudem entsteht oft eine Teller-Tank-Diskussion, der Umweltnutzen wird bezweifelt. „Wir brauchen für unser Ethanol weder Palmöl noch werden Regenwälder abgeholzt“, sagt Lutz. „Unsere Rohstoffe kommen aus der Region und genügen strengsten Nachhaltigkeitsstandards.“

Four Motors will den Beweis antreten: Ein Rennwagen mit Bauteilen aus Pflanzenfasern, befüllt mit aufbereitetem Öl fürs Getriebe und Biokraftstoffen, ist genauso leistungsstark wie ein gewöhnliches Modell. Eine Karosserie aus Biofasern soll ähnlich leicht sein wie aus Carbon und teils bessere Eigenschaften haben. Zudem sei schon die Herstellung umweltfreundlicher, weil wesentlich weniger klimaschädliches CO2 freigesetzt werde. Four Motors arbeitet mit Partnern aus Forschung und Entwicklung zusammen, beispielsweise dem Fraunhofer-Institut für Holzforschung.

Erfolge bei Rennen geben dem Konzept recht. Ein achtköpfiger Kader von Four Motors holte sich im vergangenen Jahr beim 24-Stunden-Rennen am Nürburgring mit dem Porsche 911 GT3 Cup den Sieg in der Klasse Alternative Treibstoffe.

Zum Rennteam gehört ein prominenter Künstler. „Die ganzen Biotechnologien machen unsere Autos besser statt schlechter“, sagt Smudo von den „Fantastischen Vier“. Seit 2003 nimmt der Musiker für Four Motors an den Turnieren am Nürburgring teil – damals noch mit dem Biodiesel-betriebenen VW New Beetle. Die Entwicklung ist mittlerweile weiter. Als erstes in Serie produziertes Rennfahrzeug verfügt der Porsche 718 Cayman GT4 Clubsport über Karosserieteile aus einem Biofaser-Verbundwerkstoff, der zuvor in einem Bioconcept-Car auf Serientauglichkeit getestet worden ist.

Info: Teamvideo von Four Motors: https://bit.ly/2SWZrqg

Tochtergesellschaft des Mannheimer Südzucker-Konzerns

  • CropEnergies, 2006 in Mannheim gegründet, ist nach eigenen Angaben der führende europäische Hersteller von nachhaltig erzeugtem Ethanol. Das Unternehmen gehört zur Südzucker-Gruppe.
  • Produktionsstandorte sind Deutschland, Belgien, Großbritannien und Frankreich.
  • Das Ethanol aus Zuckerrüben und Getreide wird Spritsorten beigemischt, es soll herkömmliches Benzin ersetzen und klimaschädliches CO2 einsparen.
  • Zusätzlich zu Kraftstoffalkohol stellt CropEnergies hochreinen Neutralalkohol her, der in der Getränke-, Kosmetik- und pharmazeutischen Industrie oder für technische Anwendungen eingesetzt wird.
  • Das Unternehmen beschäftigt mehr als 400 Mitarbeiter und hat im Geschäftsjahr 2017/2018 einen Umsatz von rund 882 Millionen Euro erwirtschaftet. Das operative Ergebnis lag bei etwa 71,6 Millionen Euro. jung

Redaktion berichtet aus der regionalen Wirtschaft

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