Es ist nicht lange her, da musste man in Europa noch erklären, was Matcha ist: Dieses feine grüne Pulver, das, als Tee zubereitet, wacher macht als Kaffee, aber weniger Schwindel erregt, wenn man etwas mehr davon trinkt.
Unter Foodies in westlichen Ländern war das Zeug über lange Zeit so etwas wie ein Geheimtipp. Leute, die Sätze sagten wie „Morgens trinke ich jetzt Matcha“, wirkten weltmännisch, originell, fast einzigartig. Denn dieser spezielle Grüntee aus Japan war exotisch.
Ob Paris oder Berlin - eine Matcha Latte gibt es im Café fast überall
Diese Zeiten sind vorbei. Sieht man sich heute in Pariser, Berliner oder Londoner Cafés um, die etwas auf sich halten, ist ein Matcha Latte fast immer im Angebot. Viele bieten Matcha Cookies, Matcha-Tiramisu oder irgendwas Anderes mit Matcha an.
Denn nicht nur die kräftige grüne Farbe ist in der westlichen Kulinarik eine Innovation. Der mild-bittere Geschmack erweitert auch die Geschmackspalette. Gerade in Kombination mit süßen Zutaten schmeckt Matcha eigentlich immer hervorragend. So boomt der Stoff.
Die Exporte aus Japan - wo Matcha vor allem angebaut wird - sind über die vergangenen Jahre deutlich gestiegen. Allein 2023 lagen sie mit einem Wert von 29 Milliarden Yen (rund 180 Millionen Euro) gut 30 Prozent über dem Vorjahresniveau. Gegenüber dem Vorpandemiejahr 2019 markiert dies fast eine Verdopplung. Binnen 15 Jahren hat sich das Exportvolumen annähernd verzehnfacht.
Es gibt Geschäfte, die nur Matchaprodukte anbieten
Wohin das alles geht, lässt sich in Europa schnell sehen. In Berlin gibt es etwa Geschäfte, die sich ausschließlich auf Matchaprodukte spezialisieren - von gröberen bis zu feinsten Sorten, von Süßigkeiten bis zu den Matchabesen, die man braucht, um den Tee daheim zuzubereiten. In anderen Metropolen entsteht eine ähnliche Matchaökonomie. Das Geschäft wächst also, ein Ende ist noch lange nicht in Sicht.
Nur: Als Folge des weltweiten Matchabooms zeigen sich im Ursprungsland erste Phänomene von Knappheit. In Australien - wo Matcha ebenfalls begeistert - sorgte im November die Notiz für Schlagzeilen, dass Matcha-Importeure nicht mehr an ihre Ware kommen, weil aus Japan nicht mehr nachgeliefert werde. Andere Hersteller betonen, es sei - noch - genügend Kapazität vorhanden, um die Nachfrage zu stillen.
„Unsere Produktionskapazität ist überstiegen“
Dass das Angebot nicht grenzenlos ist, zeigt aber schon dadurch, dass die Preise zuletzt spürbar gestiegen sind. Hersteller aus Kyoto - wo Matcha die höchste Qualität haben soll - haben ihre Preise jüngst deutlich erhöht. Ippodo Tea, ein führender Anbieter, veröffentlichte im September eine Liste auf seiner Website, nach der die Premiumprodukte des Unternehmens fortan rund 20 Prozent teurer sind als bisher. Anderswo sind die Preise gar um rund 40 Prozent gestiegen.
Niemand habe den Matchaboom vorgesehen, heißt es bei Ippodo als Erklärung. Für Matcha gebe es pro Jahr nur eine passende Erntezeit, zudem erfordere das Mahlen und Weiterverarbeiten zu Pulver nun mal Zeit. So sei es auch nicht möglich, die Produktion entsprechend auszuweiten, um Preise konstant zu halten. Der Konkurrent Marukyu Koyamaen äußert sich ähnlich: „Wegen des starken Nachfragezuwachses über die vergangenen Monate ist unsere Produktionskapazität überstiegen.“
In Ostasien ist Matcha viel mehr als ein Modegetränk
Die Vorräte für sämtliche Matchaprodukte seien derzeit „extrem gering.“ Bis zum kommenden Jahr dürfte dies bis auf Weiteres anhalten. Im ostasiatischen Raum kommt dies nicht gut an. Matcha ist hier schließlich kein Modegetränk, sondern beinahe ein Grundnahrungsmittel. Hier und da wird über den globalen Boom, den man im Land selbst auch wegen des regen Interesses unter Touristen bemerkt, schon gemosert.
Was ist ein guter Matcha?
- Rund um die Pflanze Camellia sinensis hat sich über mehr als ein Jahrtausend eine ausgeklügelte Kultur herausgebildet, die in der buddhistisch geprägten Teezeremonie einen Ausdruck findet.
- Ein guter Matcha, sagen Expertinnen, erreicht im Geschmack eine Balance zwischen Süße, Bitterkeit und Umami.
- Begleitet werden sollte er von einem fein-matten Duft.
Dabei könnten sich zumindest Patrioten auch freuen. In Japan es üblich, stolz auf die eigene Kultur und froh zu sein, wenn sie auch im Ausland geliebt wird.
Die instagram-gefärbte Ästhetik befeuert den Boom
Nur warum boomt Matcha überhaupt? Tatsächlich ist Matcha ein besonderes Getränk. Durch seine Anbauweise ist die Art, es zu verarbeiten, ist es stärker konzentriert als Grüntee, der aus losen Blättern besteht. Zudem enthält Matcha mehrere antioxidative Stoffe, weshalb diejenigen, die damit ein Geschäft machen, oft gesundheitliche Vorteile gegenüber Kaffee betonen. Matcha soll nicht nur wach machen, sondern auch die Zellproduktion anregen und geistig fit halten.
Besonders bedeutend für den Boom des Teeprodukts ist wohl aber die Ästhetik bei der Sache. Die japanische Teezeremonie, bei der starre Regeln eingehalten werden, die das Getränk samt seinen Behältnissen würdigen, wird auf sozialen Medien immer wieder geteilt.
Die knallgrüne Farbe wird dabei durch Smartphonefilter gelegt, so dass man auf Plattformen wie Instagram ein noch stärker leuchtendes Grün erhält als in der Realität. Das sorgt für Likes und Shares. Und führt dazu, dass Läden Matcha auf die Karte setzen.
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