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Wie lang kann man im Alter arbeiten?

Mit der Rente ist nicht automatisch Schluss. Nur wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde, endet das Arbeitsverhältnis mit der Regelaltersgrenze. Dies ist allerdings üblich.

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Dieter Keller
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Auch wenn das Rentenalter erreicht ist, endet der Arbeitsvertrag nicht automatisch (Symbolbild). © picture alliance/dpa/dpa-tmn

Mannheim. Angesichts des Fachkräftemangels soll es Älteren eigentlich schmackhaft gemacht werden, auch über die Altersgrenze hinaus zu arbeiten. Aber haben die Unternehmen überhaupt Interesse daran? Das fragt sich Hugo Müller. Der 63-Jährige ist derzeit arbeitslos und auf Stellensuche. Er wäre durchaus bereit, von vornherein zu vereinbaren, dass mit der Regelaltersgrenze nicht Schluss ist. Doch er findet keinen neuen Arbeitgeber. Woran kann das liegen?

Wie sieht die rechtliche Lage aus?

Es gibt keine gesetzliche Vorschrift, dass Arbeitsverträge mit dem Erreichen des Rentenalters automatisch enden. Im Gegenteil: Besteht ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, so läuft es unverändert weiter bis zum Lebensende. Will das Unternehmen den Arbeitsvertrag beenden, muss es seinem Mitarbeiter kündigen. Dann greift das Kündigungsschutzgesetz: Es braucht einen triftigen Grund. Das Erreichen der Regelaltersgrenze ist das nicht, denn dies wäre Altersdiskriminierung. Das gilt unabhängig von der Unternehmensgröße. Umgekehrt muss auch der Arbeitnehmer kündigen, wenn er seinen Job mit dem Start der Rente beenden will. Allerdings kann er das ohne Angabe eines Grundes tun. Er muss nur darauf achten, die Kündigungsfrist einzuhalten. Gesetzlich beträgt sie in der Regel vier Wochen, wenn im Arbeits- oder Tarifvertrag nichts anderes vereinbart ist.

Ist es der Regelfall, dass der Arbeitsvertrag unbegrenzt weiterläuft?

Nein. Schon um Planungssicherheit zu haben sowie wegen des Problems der Kündigung legen Arbeitgeber meist Wert darauf, von vornherein festzulegen, dass der Arbeitsvertrag mit dem Renteneintritt endet. Das kann in einem Tarifvertrag für eine ganze Branche geschehen, in einer Betriebsvereinbarung oder im individuellen Arbeitsvertrag. Eine solche Vereinbarung, die die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze vorsieht, ist nach § 41 Absatz 2 des Sozialgesetzbuchs IV nur wirksam, wenn sie „in Textform“ vereinbart wird. Es reicht also nicht, dies mündlich zu vereinbaren. In Musterverträgen, die im Internet zu finden sind, steht regelmäßig ein Satz wie „Das Arbeitsverhältnis endet ohne Kündigung spätestens mit Ablauf des Monats, in dem der Arbeitnehmer das für ihn gesetzlich festgelegte Renteneintrittsalter vollendet hat.“

Arbeiten im Alter

  • Neben der Altersrente sind 38 Prozent der Seniorinnen und Senioren noch erwerbstätig . Das ergab eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit für das Jahr 2024. Bei Selbstständigen sind es sogar 70 Prozent, bei Beamten dagegen nur 23 Prozent.
  • Sowohl die Beschäftigung als auch das Anforderungsniveau entsprechen in den meisten Fällen der Tätigkeit vor der Rente . Reinigungskräfte arbeiten auch als Rentner am häufigsten im gleichen Beruf, während Sicherheitskräfte besonders häufig wechseln.
  • Die meisten haben einen Minijob , arbeiten also nicht mehr voll. Ob die Senioren noch bei ihrem früheren Betrieb beschäftigt sind, hat das IAB nicht erfasst. dik

Welches Alter ist damit gemeint?

Die Regelaltersgrenze, die noch bis 2031 stufenweise auf 67 Jahre erhöht wird. Für den Jahrgang 1959 beispielsweise liegt sie bei 66 Jahren und zwei Monaten. Nicht zulässig wäre es, das frühestmögliche Rentendatum zu verlangen. Das wäre 63, wenn 35 Beitragsjahre erreicht sind, allerdings nur mit erheblichen Abschlägen. Diesen Nachteil zu verlangen, wäre Altersdiskriminierung.

Wird die Altersklausel meist in Tarifverträgen festgelegt?

Darüber gibt es keine Statistiken, auch nicht bei den Gewerkschaften. Bei der größten, der IG Metall, heißt es beispielsweise, die Tarifverträge enthielten „in aller Regel“ keine solche Klausel. „Am häufigsten begegnen Altersklauseln Beschäftigten in ihrem einzelnen Arbeitsvertrag“, berichtete ein Gewerkschaftssprecher dieser Zeitung. Dass durch eine solche Vereinbarung ein eigentlich unbefristetes Arbeitsverhältnis ohne Kündigung endet, hat auch das Bundesarbeitsgericht gebilligt.

Ist es möglich, die Beendigung des Arbeitsvertrags hinauszuschieben?

Das geht, wenn sich Arbeitgeber und Mitarbeiter einig sind. Es ist sogar mehrfach möglich. Allerdings muss dies vor dem Erreichen der Altersgrenze vereinbart werden; im Nachhinein ist es nicht zulässig. Zudem muss das Arbeitsverhältnis nahtlos fortgesetzt werden. Bei der Weiterbeschäftigung hat der Betriebsrat ein Mitspracherecht. Zusätzliche Klippe: Die übrigen Arbeitsbedingungen dürfen nicht geändert werden. Will der Arbeitnehmer etwa nur noch in Teilzeit arbeiten, geht das auf dieser Basis nicht.

Warum kann ich nicht einfach mit meinem Arbeitgeber ausmachen, dass ich weiterarbeite, nur in Teilzeit?

Derzeit gibt es ein gesetzliches Vorbeschäftigungsverbot: Hat mit einem Arbeitgeber schon einmal ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden, so darf mit ihm ohne sachlichen Grund kein neuer befristeter Vertrag abgeschlossen werden. Merkt das Unternehmen erst nach dem Renteneintritt eines Mitarbeiters, dass es seine Fachkenntnisse dringend braucht, ist es zu spät. Daher sollte eine zeitweise Weiterbeschäftigung frühzeitig vor der Rente besprochen werden. Allerdings hat sich die schwarz-rote Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag vorgenommen, diese Regelung für alle zu streichen, die die Regelaltersgrenze erreicht haben. Dies soll im Rahmen des ersten Rentenpakets geschehen, das vom Bundeskabinett Anfang August auf den parlamentarischen Weg gebracht wurde. Künftig soll es für Rentner möglich sein, sachgrundlos befristete Arbeitsverträge maximal zwölfmal zu verlängern, solange eine Höchstdauer von acht Jahren nicht überschritten wird. Diese Regelung muss allerdings erst noch der Bundestag beschließen; sie könnte Anfang 2026 in Kraft treten.

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Sind dann alle Probleme gelöst?

So einfach ist es nicht. Auch mit Rentnern kann ein neuer Job nur dann befristet vereinbart werden, wenn dafür ein sachlicher Grund vorliegt. Da gelten die gleichen rechtlichen Regeln wie für jüngere Arbeitnehmer. Die arbeitsrechtlichen Regeln sorgten vielerorts für „Stolperfallen, die einem (vermehrten) Einsatz von Silver Workern im Weg stehen“, schließt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aus Auswertungen seines Personalpanels 2024. Empfinden Unternehmen arbeits- und sozialrechtliche Vorschriften als Hemmnis, so führen sie das in über der Hälfte der Fälle auf den Kündigungsschutz zurück und in einem Drittel auf das Vorbeschäftigungsverbot bei sachgrundlosen Befristungen.

Was ist, wenn ich schon in Rente bin und einen Job bei einem neuen Betrieb annehme?

Dann gelten die normalen arbeitsrechtlichen Regeln wie bei jeder Neueinstellung, auch bei Minijobs. So sind befristete Verträge nur unter bestimmten Bedingungen möglich.

Liegt es also am Alter, dass Hugo Müller keinen neuen Job findet?

Das lässt sich so nicht sagen. Ein zentraler Punkt ist, welchen Beruf er sucht und wie groß da der Fachkräftemangel ist. Zudem spielt die schlechte Konjunkturlage in manchen Bereichen eine entscheidende Rolle: Autohersteller und Maschinenbauer beispielsweise bauen derzeit in erheblichem Umfang Arbeitsplätze ab. Da werden sie keine neuen Mitarbeiter einstellen, egal ob sie noch jünger sind oder schon kurz vor der Rente stehen.

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