Region. Was Jürgen Gevers vor Kurzem gesagt hat, klingt ernst: "Es ist eine Tragödie, die sich durch alle Unternehmen der Freizeit- und Tourismusbranche zieht." Gevers ist Geschäftsführer des Verbands Deutscher Freizeitparks und Freizeitunternehmen. Mit "Tragödie" meint er den Personalmangel. Wie ist die Lage bei Parks in der Region? Ist es wirklich so schwer, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen?
Cleebronn im Landkreis Heilbronn. Hier befindet sich der Freizeitpark Tripsdrill. Ganzjährig sind rund 100 Mitarbeiter beschäftigt. In der Hochsaison stehen in Spitzenmonaten wie August über 450 Personen auf der Gehaltsliste. Bis vor einigen Wochen ist die Personalplanung noch ein größerer Kampf gewesen. Mittlerweile habe sich die Lage stabilisiert, erklärt ein Sprecher.
Den Bedarf an Arbeitskräften über den heimischen Markt zu decken - von diesem Gedanken hat sich Tripsdrill allerdings verabschiedet. "Bereits seit 2021 haben wir gute Erfahrungen mit einer Agentur, die uns Auszubildende und feste Mitarbeiter aus Tunesien vermittelt", sagt der Sprecher. "In der Hochsaison bekommen wir außerdem - wie bereits in den Vorjahren - über eine andere Agentur Verstärkung von Studenten aus Ländern wie Kirgistan, Georgien oder Bosnien."
Ähnlich sieht es bei Deutschlands größtem Freizeitpark aus, dem Europa Park in Rust bei Freiburg. In der Saison beschäftigt er 4450 Menschen, in den Sommermonaten, insbesondere auch aufgrund der großen Vielzahl an Aushilfen, sind es mehr als 6000. Die Personaler suchen mittlerweile selbst in Südafrika nach Mitarbeitern. Aktuell gibt es einige freie Stellen unter anderem in den Hotels, genauer gesagt an der Rezeption und im Service. In der Wasserwelt "Rulantica" werden Meister für Bäderbetriebe, Mitarbeiter an den Wasserattraktionen oder Rettungsschwimmer gesucht.
Wir müssen deutlich mehr Ausfälle kompensieren.
Der Europa Park hebt zwar hervor, gut aufgestellt zu sein. Doch nach wie vor werden die Besucherzahlen mithilfe des Online-Tickets genau im Auge behalten, um Engpässe zu vermeiden. Erstmals Mitte Juni hatte die Nachricht für Schlagzeilen gesorgt, dass der Park die Besucherzahlen deckelt, um ein "optimales Erlebnis" garantieren zu können. Eine konkrete Obergrenze wurde und wird aber nicht genannt.
Warum hat sich die Lage so zugespitzt? Warum fehlen gute Leute an allen Ecken und Enden? Erklärungen dafür gibt es so viele wie Fahrgeschäfte in den Parks. Der Mangel an Bewerbern, der Mangel an Arbeitskräften insgesamt, ist eine davon. Corona hat die Betriebe hart getroffen. Sie mussten quasi als erste schließen und durften als letzte wieder öffnen. Die Lockdowns in den Jahren 2020 und 2021 haben Saisonkräfte derart verunsichert, dass sie während der Schließungen in andere Branchen abgewandert sind.
Oft sitzen Freizeitparks in wirtschaftsstarken Regionen, sie konkurrieren zwangsläufig mit anderen Unternehmen. Hinzu kommt: "Wir müssen deutlich mehr Ausfälle kompensieren, als es noch 2019 der Fall war", erklärt die Sprecherin des Europa Parks. Früher hätte eine Erkältung noch ein bis zwei Fehltage ausgemacht. Seit Corona fehlten Erkrankte deutlich länger.
Davon kann der Heidelberger Zoo ein Lied singen. Rund 100 Menschen sind dort angestellt, Saisonkräfte gibt es keine. Durch die Sommer-Coronawelle ist der Krankenstand derzeit erhöht, das führt zu Engpässen beim Personal. Besonders schwer zu bekommen sind Fachkräfte für die Tierpflege.
"Generell merken wir, dass die Anzahl der gut qualifizierten Bewerber abnimmt", teilt eine Sprecherin des Zoos mit. Sie beobachtet zudem, dass sich die Fluktuation erhöht habe und es schwieriger geworden sei, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen zu binden. "Es gibt viele Zoos, die aktuell Stellen zu besetzen haben - dadurch besteht auch ein erhöhter Wettbewerb."
Die Serie - "Fachkräfte gesucht!"
Ob an der Ladenkasse im Supermarkt, im Handwerk oder im Restaurant – überall fehlen Arbeitskräfte. Warum ist das so? Wo sind die Fachleute hin verschwunden? In unserer Serie wollen wir das Thema von allen Seiten angehen. Zum Auftakt ein Beitrag über die Lage in den Freizeitparks. Nächste Woche gehen wir der Frage nach, welche Branchen besonders betroffen sind und welche Folgen das auch für uns Verbraucher hat.
Der Holiday Park im pfälzischen Haßloch unterstreicht die Ansprache über neue Kanäle - so ist eine Bewerbung formlos über den sozialen Nachrichtendienst WhatsApp möglich. Einfach kurz texten - fertig. Den Personalmangel spürt der Park besonders in der Gastronomie und in der Technik-Abteilung. Insgesamt gibt es derzeit 50 Festangestellte (zwei freie Stellen), 100 saisonale Vollzeitkräfte (vier freie Stellen) - und mehr als 400 Aushilfen (50 freie Stellen).
Die Bedeutung von Benefits, also speziellen Angeboten für potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, nimmt zu. Sie werden mit allerlei Vorteilen angelockt, wie eine Umfrage dieser Redaktion unter den Parks gezeigt hat. Eine Auswahl: Beschäftigte erhalten freien Eintritt oder sonstige Vergünstigungen, wenn sie privat den Park besuchen; das Essen in der Kantine ist kostenlos; es gibt Rabatte in Fitnessstudios oder Guthabenkarten zum Tanken und Einkaufen, Zuschüsse zur arbeitgeberfinanzierten Betriebsrente. Und, und, und.
Verbandsgeschäftsführer Gevers dringt indes auf politische Unterstützung für die Branche. Es sei ein Unding, dass Beschäftigte kostenfrei zur Verfügung gestellte Wohnungen als geldwerten Vorteil versteuern müssten. Die Betriebe stünden im Wettbewerb mit Arbeitgebern in anderen europäischen Ländern, in denen es ein solches Hindernis nicht gebe. Auch dass der Verdienst in Deutschland geringer ausfalle als andernorts, wirke abschreckend. Helfen würde auch, dass Zuschläge am Samstag nicht versteuert werden müssten - so wie an Sonn- und Feiertagen.
Die Sprecherin des Europa Parks meint darüber hinaus: "Erleichterungen beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz wären wünschenswert." Bei Tripsdrill in Cleebronn sehnt man eine bessere Anbindung an den Öffentlichen Personen-Nahverkehr herbei. Das würde sehr helfen, Mitarbeiter zu gewinnen, die kein eigenes Auto hätten, meint der Sprecher.
Eine gute Nachricht gibt es für alle Freizeitpark-Fans: Unter den befragten Betrieben hat keiner die Eintrittspreise erhöht, weil Personal knapp ist.
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