Mannheim. Friedrich von Bohlen und Halbach sagt, er sei fünf Mal geimpft, davon zwei Mal mit dem Vakzin von CureVac. „Wahrscheinlich ist das der Grund, weshalb ich mich bislang noch nicht mit dem Coronavirus infiziert habe“, sagt von Bohlen und das Publikum lacht. Tatsächlich war die Entwicklung eines Impfstoffs gegen Covid-19 bei dem Tübinger Biotechnologie-Unternehmen, wo von Bohlen im Aufsichtsrat sitzt, gefloppt.
Studie mit Grippe-Impfstoff
Nach enttäuschenden klinischen Studien – die Wirksamkeit lag weiter unter der, die Konkurrenten wie Biontech mit ihrem Produkt erreichten – zog die Firma ihren Impfstoffkandidaten im vergangenen Herbst aus dem laufenden Verfahren bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) zurück.
Von Bohlen ist auf Einladung der Heinrich-Vetter-Stiftung nach Mannheim gekommen, die in diesem Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum feiert und eine Reihe von Veranstaltungen ausrichtet. Von Bohlens Vortrag ist eine davon, der Titel: „Stand, Chancen und Herausforderungen der deutschen Biotechnologie“. Von Bohlen, ein Neffe von Alfried Krupp von Bohlen und Halbach, 1962 in Essen geboren, ist Mitbegründer und Geschäftsführer der Biotech-Beteiligungsgesellschaft Dievini von SAP-Gründer Dietmar Hopp, die wiederum an CureVac beteiligt ist.
Der Rückschlag in der Impfstoffentwicklung ist für von Bohlen allerdings kein Grund, einfach aufzugeben. Für den studierten Biochemiker steht es jetzt eben 0:1. „Im ersten Spiel haben wir nicht gewonnen, es kommen weitere Spiele, da mache ich mir um die Zukunft keine Sorgen“, sagt er.
Was CureVac in der Pipeline hat? In ersten klinischen Studien in Panama wird seit ein paar Wochen ein Grippe-Impfstoff erprobt, ein neu entwickelter Covid-19-Impfstoff soll bald in den USA getestet werden. Aber: Das Risiko zu scheitern ist hoch. „Die Biotech-Branche ist die riskanteste“, so von Bohlen. 85 Prozent der Produktkandidaten würden nie realisiert. „Man muss die Biologie verstehen, aber vieles ist noch nicht verstanden.“ Einer der wichtigsten Schlüssel zum Erfolg sei die Molekularbiologie.
Doch Forschung kostet eben Geld, und das zu investieren, seien in Deutschland nur wenige bereit. In den Vereinigten Staaten seien die Wagniskapital-Investitionen 50 Mal höher, und auch im europäischen Vergleich liege Deutschland im hinteren Feld. Staatliche Förderprogramme reichten zur Finanzierung nicht aus. Als Konsequenz fürchtet von Bohlen, dass Deutschland eines Tages wichtige Technologien zukaufen müsse.
Was seiner Meinung nach noch falsch läuft: Die Frankfurter Börse sei, was Biotech-Firmen angehe, eine Wüste, die US-Technologiebörse Nasdaq viel besser auf diese Branche zugeschnitten. Der Datenschutz verhindere außerdem, dass Daten zum Nutzen der Patienten gesammelt werden könnten.
Kultur des Scheiterns fehlt
Es mangele auch am Verständnis, dass Innovationen nicht aus der Akademie, sondern nur unternehmerisch erfolgen könnten, lautet von Bohlens Schlussfolgerung. Grundlagenforschung sei wichtig, ein Medikament zu entwickeln, sei aber nicht Aufgabe universitärer Einrichtungen. Und dann fehle eine Kultur des Scheiterns. „Wir erwarten, dass es sofort gut gehen muss, die Amerikaner probieren es einfach noch mal“, sagt von Bohlen.
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