Serie - Beim superschnellen Hochfrequenzhandel beherrschen Computer die Börse

Wertpapier-Geschäfte in Mikrosekunden

Von 
Rolf Obertreis
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Der Hochgeschwindigkeitshandel ist bei Experten umstritten. Was hier passiert, kann oft keiner überblicken. Einige sprechen von "Casino an den Aktienmärkten".

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Frankfurt. Seit knapp zwei Jahren gibt es zwar ein Gesetz. Aber selbst Profis fordern eine weitere Verschärfung. Der Hochfrequenzhandel (englische Bezeichnung: High Frequency Trading) an den Börsen ist umstritten. Der superschnelle Computerhandel innerhalb von Milli-, Mikro- oder Nano-Sekunden sorgt für faire Preise - auch für Kleinanleger, sind einige überzeugt. Andere warnen hingegen vor Verzerrungen, Manipulationen und "räuberischen Handelsstrategien". Bei einer Umfrage unter Finanzexperten und Börsenprofis der Deutschen Vereinigung für Finanzanalyse im März sprachen ungefähr 70 Prozent von negativen Auswirkungen. So werden etliche kurzfristige Kurseinbrüche an den Börsen den Hochfrequenzhändlern angelastet.

Plötzliche Kursabstürze

Das gilt zum Beispiel für den Börsengang von Facebook im Mai 2012. Es gab Pannen im Handelssystem, möglicherweise ausgelöst durch Blitz-Händler. Der Kurs der Facebook-Aktie stürzte kurzfristig ab, bescherte Investoren zum Teil dreistellige Millionen-Verluste. Schon mehrfach gab es in den USA plötzliche Kursabstürze, für die der Hochfrequenzhandel verantwortlich gemacht wird. In den USA entfallen bereits 70 Prozent der Börsengeschäfte auf den Blitzhandel, in Frankfurt sind es rund 40 Prozent. Börsenbetreiber profitieren vor allem dann, wenn die Kurse stark schwanken. Dann sind die schnellen Händler besonders aktiv.

Mit dem Hochfrequenzhandelsgesetz brauchen Börsen und Händler eine spezielle Erlaubnis. Sie sind verpflichtet, ihre Handelssysteme so abzusichern, dass Störungen des Marktes verhindert werden. Es soll ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Aufträgen und tatsächlich getätigten Käufen und Verkäufen geben. Manipulationen etwa durch Massen-Orders, die nur zum Test aufgegeben und nach Sekunden wieder zurückgezogen werden, sind verboten. Experten berichten, dass mitunter nur einer von 60 Wertpapieraufträgen ausgeführt wird. Peter Kasiske, Experte an der Juristischen Fakultät der Uni München, spricht von "räuberischen Handelsstrategien" durch Hochfrequenzhändler. Es könne strafbar sein, wenn kurzfristig viele Scheinaufträge erteilt und sofort wieder storniert würden. Damit entstehe ein falsches Bild der Orderlage. Was andere eventuell zum verlustträchtigen Kauf oder Verkauf verleitet.

Banken, Wertpapierfirmen und Hedge Fonds sind die Hauptakteure. Dort sitzen unter anderem Informatiker und Physiker, die Computerprogramme schreiben und ständig aktualisieren. Damit werden etwa laufend Preisunterschiede für Wertpapiere an verschiedenen Börsen analysiert und automatisch Geschäfte getätigt. Schon bei Differenzen von wenigen Cent winken satte Gewinne, weil es in der Regel um Großaufträge geht. An Börse A wird günstig gekauft, an Börse B teurer verkauft. Oder es werden historische Daten untersucht und daraus Schlüsse für die Kurse gezogen, verbunden mit entsprechenden Strategien. Der Handel spielt sich innerhalb von 250 bis 300 Mikrosekunden ab - also von 0,00025 bis 0,0003 Sekunden. Experten zufolge ermöglichen moderne Glasfaserkabel die Abwicklung von mehr als 100 000 Transaktionen pro Sekunde und Kunde, auch zwischen den Finanzzentren London und New York. Über Mikrowellenverbindungen soll es noch einmal um 40 Prozent schneller gehen und dann fast mit Lichtgeschwindigkeit.

"Gewisse" Risiken

Bei der Deutschen Börse ist man überzeugt, dass der superschnelle Handel für mehr Liquidität im Handel sorgt und damit die Qualität der Preise verbessert. Das sei auch ein Vorteil für Unternehmen, weil die Finanzierungskosten niedriger lägen. Der Hochfrequenzhandel habe einen volkswirtschaftlichen Nutzen, behauptet die Börse. Auch Pensionskassen und Privatanleger könnten profitieren, zumindest sehen Finanzexperten keine Nachteile, weil es keine Belege für systematische, langanhaltende Preisverzerrungen gebe. Im Gegenteil, sagen wieder andere, seien die Preise durch den schnellen Handel günstiger.

Allerdings räumt die Börse "gewisse" Risiken ein, wie stärkere Schwankungen, Marktmanipulationen und technische Fehler. Deshalb gebe es umfangreiche Sicherungen und Kontrollen. Für Wertpapieraufträge gelten tägliche Obergrenzen. Händler, die darüber liegen, müssen höhere Gebühren zahlen. Bei zu starken Kursschwankungen wird der Handel mit den jeweiligen Papieren auch schon mal unterbrochen. Im Extremfall werden Händler vom Handel ausgeschlossen.

System stößt auf Kritik

Alteingesessene Händler an der Frankfurter Börse halten von ihren superschnellen elektronischen Kollegen wenig. "Das braucht niemand", schimpft einer.

"Da kann ich gleich ins Casino gehen", sagt ein anderer und spricht von Zockern.

Fondsgesellschaften verlagern Aufträge stärker als früher auf den Handel außerhalb der normalen Börsen, um dem Hochfrequenzhandel aus dem Weg zu gehen.

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