Frankfurt. Eigentlich ist die Metall- und Elektroindustrie, Deutschlands größte Industriebranche, eine Männerbastion: Nur gut jede fünfte der 3,9 Millionen Beschäftigten ist eine Frau. Bei der Industriegewerkschaft Metall, der mächtigen Arbeitnehmervertretung, ist der Anteil sogar noch etwas kleiner. Trotzdem schickt sich eine Frau an, im Oktober neue Vorsitzende der IG Metall zu werden: Christiane Benner (Bild).
Die 55-jährige gebürtige Aachenerin, die ihr Abitur 1987 im hessischen Bensheim gemacht hat, ist bereits seit acht Jahren Zweite Vorsitzende der größten Einzelgewerkschaft der Welt. Jetzt spricht alles dafür, dass sie im Oktober zur Nachfolgerin von Gewerkschaftschef Jörg Hofmann gewählt wird. Der Schwabe geht nach acht Jahren an der Spitze mit 67 in Rente.
Konkurrenz aus dem Südwesten
Dabei würde ihn ein Badener gerne beerben: Roman Zitzelsberger (Bild), seit fast zehn Jahren Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg. Erst im November hat er den jüngsten Pilotabschluss durchgesetzt: 8,5 Prozent mehr Lohn, wenn auch auf zwei Jahre verteilt und nicht, wie gefordert, innerhalb nur eines Jahres, plus steuerfreie Einmalzahlungen. Trotzdem spricht vieles dafür, dass der 56-Jährige den Machtkampf verliert.
Noch zu Jahresanfang sah alles danach aus, dass die IG Metall eine gleichberechtigte Doppelspitze bekommen würde, damit beide zum Zug kommen. Das wurde zumindest als Lösung öffentlich diskutiert, und Benner erweckte den Eindruck, als könne sie sich das auch vorstellen. Was bei Parteien inzwischen gang und gäbe ist, wäre allerdings für die IG Metall eine Premiere, wofür die Satzung geändert werden müsste. Ob die dafür nötige Zweidrittel-Mehrheit auf dem Gewerkschaftstag in Frankfurt zustande kommen würde, ist ungewiss - ebenso wie die Frage, wie eine Kampfabstimmung ausgehen würde. Wobei es das ungeschriebene Gesetz gibt, dass immer der Vize der neue Vorsitzende wird und keiner, der von außen in den Vorstand drängt.
Das musste vor 20 Jahren Berthold Huber schmerzlich erfahren. Der gebürtige Ulmer, damals Bezirkschef in Stuttgart, wollte Nachfolger von Klaus Zwickel als IG-Metall-Vorsitzender werden und dessen Stellvertreter Jürgen Peters überholen - ein Richtungskampf, der in aller Öffentlichkeit ausgetragen wurde. Es kam zur Kampfabstimmung im Vorstand über die Empfehlung an den Gewerkschaftstag, und sie endete für Huber überraschend mit einem Patt.
Letztlich fügte er sich und hielt vier Jahre mit zusammengebissenen Zähnen als Zweiter Vorsitzender unter Peters durch, mit dem er eigentlich überhaupt nicht konnte. 2007 wurde er doch noch IG-Metall-Chef. Das Trauma dieses öffentlichen Machtkampfs wirkt bis heute nach, und es macht jetzt eine Kampfabstimmung unwahrscheinlich.
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Schon deswegen sorgte für Aufsehen, als Benner 2015 bei Hofmanns Wahl zum Vorsitzenden mit fast 92 Prozent zu seiner Stellvertreterin gewählt wurde. Würde auch bei ihr eines Tages die eherne Regel gelten? Dass sie machtbewusst ist, bewies sie im vergangenen Jahr, als sie mancher gerne zum Dachverband DGB als Vorsitzende weggelobt hätte, wo Reiner Hoffmann altershalber ausschied. Doch das ist eher ein repräsentativer Posten mit wenig Einfluss - ganz im Gegensatz zum IG-Metall-Vorsitz, der viel Macht und Mitsprache bei Politik und Wirtschaft verspricht. Benner blieb bei den Metallern, um dort ihre Chancen zu wahren. Nach mühsamer Suche einigte sich der DGB schließlich auf die SPD-Politikerin Yasmin Fahimi.
Das SPD-Parteibuch haben auch Benner und Zitzelsberger. Die gebürtige Aachenerin machte nach dem Abitur eine Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin beim Darmstädter Maschinenbauer Carl Schenk AG und studierte danach Soziologie. Es folgte eine rasche Gewerkschaftskarriere; in den hauptamtlichen Vorstand zog sie bereits 2011 ein. Vier Jahre später wurde sie Gewerkschaftsvize und zuständig unter anderem für die Werbung um mehr Angestellte als Mitglieder sowie für Frauen- und Gleichstellungspolitik, wichtige Zukunftsthemen der IG Metall. Dagegen hat sie keine Erfahrung in der Tarifpolitik.
Empfehlung durch Tarifabschlüsse
Dabei gilt diese als Königsdisziplin der IG Metall. Die meisten Vorsitzenden empfahlen sich als Bezirksleiter durch erfolgreiche Tarifabschlüsse, gerade im traditionellen Pilotbezirk Baden-Württemberg - auch Hofmann, der als Bezirksleiter in Stuttgart den gemeinsamen Entgelt-Tarifvertrag für Arbeiter und Angestellte ebenso aushandelte wie das „Pforzheimer Abkommen“, das zur Arbeitsplatzsicherung befristete Abweichungen vom Tarifvertrag ermöglicht.
Bei Zitzelsberger scheint es nicht zu klappen. Sein Berufseinstieg war sehr traditionell mit einer Ausbildung zum Maschinenschlosser im Werk Gaggenau von Daimler-Benz. Danach wechselte er schon bald hauptberuflich zur IG Metall, zunächst in die Geschäftsstelle Gaggenau und im Dezember 2013 als Be-zirksleiter nach Stuttgart.
Vorbehalte gegen Doppelspitze
Bisher hat er sich öffentlich überhaupt nicht geäußert - weder ob er IG-Metall-Chef werden, noch ob er auch für den Vizeposten kandidieren will. Dabei hat er den Nachteil, dass er nicht darauf spekulieren kann, eines Tages Benner als Vorsitzende zu beerben: Er ist älter als sie. Klar ist bisher nur, dass der Vorstand eine Satzungsänderung abgelehnt hat, um eine Doppelspitze möglich zu machen. Es sei komisch, dies genau dann in die Satzung zu schreiben, wenn eine Frau Vorsitzende werden solle, hieß es aus dem Spitzengremium. Zudem sei in Tarifkämpfen eine klare Nummer 1 nötig.
Es bleibt also bei Vorsitzendem und Stellvertreter. Allerdings soll in der Satzung festgeschrieben werden, dass einen von beiden Posten eine Frau übernehmen muss. Zudem soll der hauptamtliche Vorstand von sieben auf fünf Mitglieder verkleinert werden, um die Führung schlagkräftiger zu machen.
Für den Vorsitz soll Hofmann als Amtsinhaber noch vor der Sommerpause einen Vorschlag machen. Allgemein wird erwartet, dass er sich für Christiane Benner ausspricht und dass dem der Gewerkschaftstag folgt. Spannend wird dann noch, wie die Themen zwischen ihr und ihrem Stellvertreter verteilt werden - etwa, wer sich um die Tarifpolitik kümmert.
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