Brauchtum

Wer am Christbaum verdient

Die Preise für den Weihnachtsbaum sind auf Rekordniveau. Doch wo landet das ganze Geld?

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Nach Schätzungen von Branchenverbänden werden in diesem Jahr gut 25 Millionen Weihnachtsbäume in Deutschland verkauft. © Jens Kalaene/dpa

Berlin. An den Baum, den sich Jörg Engler zu Weihnachten in seine eigenen vier Wände stellt, hat der Fachmann gar nicht so hohe Ansprüche: „Für mich ist ein perfekter Weihnachtsbaum ein Baum, der seine Eigenheiten haben darf“, sagt er. Im vergangenen Jahr habe er sich für eine Tanne entschieden, die im oberen Bereich eher korkenzieherförmig gewachsen sei, erzählt er. Das ist durchaus erstaunlich, denn eigentlich hätte sich der Unternehmer wohl problemlos ein wahres Prachtexemplar von Weihnachtsbaum aussuchen können.

Denn er gehört mit seiner Baumschule Engler zu einem der größeren Produktions- und Handelsbetriebe für Weihnachtsbäume in Deutschland. Zwischen 70 000 und 100 000 Stück gehen jedes Jahr in den Verkauf. Deutschlandweit schätzen Branchenverbände, dass in diesem Jahr gut 25 Millionen Weihnachtsbäume verkauft werden.

Jörg Engler stieg 1989 in den Familienbetrieb ein. Seitdem hat er die Produktion deutlich ausgebaut. Am Firmensitz zählen inzwischen gut 130 Hektar zur Anbaufläche, hinzu kommen 180 Hektar in Polen und weitere 50 Hektar in Dänemark. Dem Verband zufolge kann der deutsche Anbau knapp 80 Prozent der inländischen Nachfrage decken. Importiert werden in erster Linie Nordmanntannen aus Dänemark.

Die Preise für das grüne Gewächs sind nach einer Verschnaufpause im Vorjahr wieder etwas gestiegen: Pro laufendem Meter Nordmanntanne werden 21 bis 29 Euro fällig, Blau- und Rotfichten sind etwas günstiger. Was Kunden für einen Baum zahlen müssen, hängt stark von der Größe und Qualität ab. Discount-Angebote vom Weihnachtsbaumhändler an der Straße starten bei circa 24 Euro für einen 1,50 Meter großen Baum. Bei Baumärkten zahlt man für eine Zwei-Meter-Tanne um die 30 Euro.

„Steht in keinem Verhältnis“

Baumproduzent Jörg Engler wünscht sich mehr Wertschätzung für den Weihnachtsbaum und verweist auf die jahrelange Arbeit, die so ein Baum benötigt, bevor das Gewächs im heimischen Wohnzimmer steht. „Die Menschen geben im Moment auf dem Weihnachtsmarkt fünf Euro für einen Glühwein aus. Wenn ich sehe, dass wir für den gleichen Preis einen Aktionsbaum, der 12 bis 15 Jahre bei uns war, an eine Supermarktkette verkaufen, steht das in keinem Verhältnis“, moniert der Züchter, der von dem Geld, das die Deutschen ausgeben, um einen Weihnachtsbaum zu kaufen, nur einen Bruchteil erhält.

Engler rechnet vor: Die Aufzuchtkosten für seinen Betrieb lägen derzeit bei etwa 12 Euro pro Baum, hinzu kämen Kosten, die bei der Fällung und dem Transport der Tanne raus aus der betriebseigenen Erntefläche entstehen. Das seien weitere drei Euro. Beim Verkauf an Großhändler und Supermärkte bekomme er zwischen 5 und 20 Euro pro Baum.

Für herausfordernd hält Engler nicht nur die Einkaufsmacht des Großhandels, sondern auch die lückenhafte Kostenrechnung vieler Produzenten. Künftig werde es für Erzeuger und Handel wichtiger, gemeinsam den Wert des Weihnachtsbaumes als zentrales Symbol der Weihnachtszeit hervorzuheben und angemessen zu bepreisen. „Momentan aber sind kaum noch 40 Prozent der von uns verkauften Bäume in einem Preissegment, das sich für uns rechnet“, sagt der Züchter.

Zusätzlich zu den Gestehungskosten müssen noch Ausgaben für Logistik - also den Transport der Bäume zur jeweiligen Verkaufsstelle - einkalkuliert werden. Das können bis zu zwei Euro je Baum sein. Bei Straßenhändlern kommen dann noch Standmiete und Personalkosten hinzu. Und auch der Staat verdient mit, allerdings gilt ein ermäßigter Steuersatz von sieben Prozent. Was beim Anbieter letztlich hängen bleibt, variiert. Bei Zwischenhändlern und im Endverkauf sind aber nach wie vor zweistellige Margen möglich.

Davon kann Züchter Engler nur träumen. Aufwand und Ertrag stünden schon länger nicht mehr im gewünschten Verhältnis, sagt er. Die lange Reise, die Weihnachtsbäume unternehmen, bis sie geerntet werden, beginnt bei Engler in der Baumschule. Dort verbringen die Gewächse drei bis vier Jahre. Dann sind die Tannen bis zu 25 Zentimeter hoch, werden gerodet. Die restlichen neun bis elf Jahre wachsen sie in der Weihnachtsbaumkultur. Dort hört die Arbeit nicht auf.

Produzenten spüren Klimawandel

Während der Anwuchsjahre müssen Engler und seine Mitarbeiter die Bäume regelmäßig pflegen, etwa indem sie den Bewuchs zwischen den Pflanzen niedrig halten und Äste im unteren Teil der Tannen entfernen. Das soll vor allem einem Pilzbefall vorbeugen. Weitere Kosten entstehen bei Personal, Maschinen, Düngemitteln und Einzäunungen. „Diese Pflanzen schmecken Rehen und anderen Wildtieren so gut wie frisches Gemüse. Der teuerste Faktor bei der Begründung einer Kultur ist häufig der Zaun“, erklärt Engler.

Gerade jetzt sei ein guter Zeitpunkt, die Weichen zu stellen. Denn auch Weihnachtsbaumproduzenten spüren den Klimawandel. Engler arbeitet mittlerweile mit Grasmischungen, die nicht so hoch wachsen, aber dafür mehr Wasser im Boden halten. Die Unkrautvernichtung testet der Züchter inzwischen auch mithilfe von Dampf. Bald könnten wohl Roboter dabei helfen, die Kulturen sauber zu halten. Auch bei den Kunden scheinen sich Präferenzen zu verschieben: Der Trend, sagt der Experte, gehe zum kleineren Baum.

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