Berlin. Abgase haben einen Preis. Wer die Umwelt belastet, muss zahlen. Dieses Prinzip ist mittlerweile einer der wichtigsten Mechanismen der Klimapolitik in Deutschland und Europa. Doch vielen Bürgerinnen und Bürgern ist die Wirkung nicht genau bekannt – ebenso wenig die Folgen für ihr persönliches Leben. Schon jetzt entrichtet jede und jeder dafür erhebliche Summen. Und in Zukunft soll es quasi automatisch mehr werden. Wie funktionieren der Emissionshandel und der Kohlendioxidpreis?
Schon seit 2005 läuft der europäische Emissionshandel. Rund 9000 Kraftwerke, Raffinerien, Stahlwerke und andere Großindustrien müssen für jede Tonne klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2), die sie ausstoßen, eine Genehmigung vorlegen. Den kleineren Teil dieser Zertifikate bekommen sie von den europäischen Staaten geschenkt. Über die Hälfte müssen sie jedoch an einer speziellen Börse ersteigern. Momentan liegt der Preis bei 75 Euro pro Tonne, es waren aber auch schon 100 Euro. Die Tendenz geht nach oben, weil die Gesamtmenge der Verschmutzungsrechte regelmäßig abnimmt. Denn Kraftwerke und Industrie sollen in gut 20 Jahren kaum noch CO2 verursachen – das ist das Ziel der Operation.
Der Zertifikatepreis kommt über die Stromrechnung an
Ein guter Teil des Zertifikatepreises kommt bei allen Privathaushalten und der großen Mehrheit der Firmen in Gestalt der Stromrechnung an. Geht man von 100 Euro pro Tonne CO2 aus, rechnet sich das in vier Cent pro Kilowattstunde (kWh) Strom um. Ein Privathaushalt mit einem Verbrauch von 2500 kWh bezahlt für den EU-Emissionshandel damit etwa 100 Euro im Jahr oder etwa acht Euro monatlich. Das sind beispielsweise zehn Prozent der Stromrechnung. Wie sich diese Größenordnung künftig ändert, ist schwierig zu sagen. Einerseits wird zwar der Preis der Zertifikate steigen, weil das Angebot sinkt. Andererseits geht die Zahl der Kohle- und Gaskraftwerke, die Verschmutzungsrechte brauchen, stark zurück. Vielleicht balancieren sich beide Effekt ungefähr aus.
Zu diesem EU-Emissionshandel 1 wird bald der EU-Emissionshandel 2 hinzukommen. Eine Vorform davon ist in Deutschland unter der Bezeichnung „Kohlendioxid-(CO2)-Preis“ schon in Kraft. Dabei müssen seit einigen Jahren die Unternehmen CO2-Zertifikate nachweisen, die Auto-Treibstoff und Heizwärme verkaufen, etwa Tankstellen-Konzerne und Erdgas-Anbieter. Momentan ist dieser CO2-Preis politisch festgelegt, 2024 beträgt er 45 Euro pro Tonne CO2. Bis 2026 steigt er in Richtung 65 Euro. Danach sollen alle Zertifikate für Treibstoff und Heizwärme europaweit versteigert werden, während gleichzeitig ihre Menge regelmäßig abnimmt. Der Sinn der Sache: Der Kohlendioxid-Ausstoß aus Fahrzeugen und Gebäuden soll gegen Null sinken – was für die Privathaushalte eine besondere Bedeutung hat.
Der Preis von 45 Euro pro Tonne CO2 rechnen sich für Gaskunden augenblicklich etwa in einen Cent pro kWh Erdgas um. Bei 18 000 kWh Verbrauch pro Jahr macht das 180 Euro oder 15 Euro monatlich. Das sind beispielsweise fünf Prozent der gesamten Gasrechnung. Steigt der CO2-Preis aber auf 100 Euro pro Tonne, summiert sich das auf 360 Euro im Jahr oder 30 Euro monatlich.
Autofahrer bekommen das zu spüren
Hinzu kommen entsprechende Ausgaben für Benzin. Leute, die regelmäßig mit dem Auto zur Arbeit fahren und etwa 15 000 Kilometer jährlich unterwegs sind, müssen jetzt zum Beispiel mit 130 Euro Zusatzaufwendungen im Jahr rechnen, was etwa elf Euro pro Monat ausmacht. Steigt der CO2-Preis hingegen auf 100 Euro pro Tonne, werden etwa 300 Euro mehr pro Jahr für Benzin oder 25 Euro monatlich erreicht.
Zusammengefasst können sich die Kosten, die ein Privathaushalt für Emissionshandel 1 und CO2-Preis ausgibt, augenblicklich auf zum Beispiel 34 Euro monatlich belaufen (Strom 8 Euro, Gas 15 Euro, Benzin 11 Euro). Wächst der CO2-Preis allerdings auf 100 Euro, wären es 63 Euro pro Monat (Strom 8 Euro, Gas 30 Euro, Benzin 25 Euro).
Es kann aber auch deutlich teurer werden. Im Hinblick auf die geplante Versteigerung der Zertifikate ab 2027 sagt Jan Weiß von der Deutschen Emissionshandelsstelle des Umweltbundesamtes: „Der Preis bildet sich grundsätzlich am Markt. Trotz preisdämpfender Maßnahmen gibt es keinen festen Deckel, der bestimmte Preisniveaus verhindert.“ Lea Marie Nesselhauf von der Organisation Agora Energiewende fügt hinzu: „Manche Berechnungen gehen von 200 Euro zu Beginn der 2030er Jahre aus.“
Wobei die gute Nachricht lautet: Millionen Verbraucher sind diesen Belastungen nicht hilflos ausgeliefert. Solche Ausgaben lassen sich steuern – sie werden ja nur fällig, wenn man weiterhin fossile Energie verfeuert. Wer die Heizung des Hauses austauscht und ein E-Auto anschafft, wird dann vom Emissionshandel 2 (CO2-Preis) nicht mehr betroffen sein. Allerdings können fehlendes Vermögen oder zu niedriges Einkommen die dafür nötigen privaten Investitionen verhindern. Und auch viele Privathaushalte, die ihre Wohnungen mieten, profitieren nicht von der Handlungsoption: Sie müssen warten, bis die Vermieter aktiv werden.
Hier kommen nun die Einnahmen ins Spiel, die der Staat durch Versteigerung und Verkauf der Verschmutzungsrechte erhält. In diesem Jahr fließen dadurch über 20 Milliarden Euro in den Klima- und Transformationsfonds (KTF), einen Sonderetat der Bundesregierung. Mit diesem Geld kann die Regierung die private Klimapolitik der Bürgerinnen und Bürger unterstützen oder auch ihre finanziellen Belastungen abfedern.
Aus dem KTF werden viele Vorhaben finanziert
Aus dem KTF werden heute schon zahlreiche Vorhaben finanziert, etwa Milliarden Euro für die Industrie, um deren hohe Stromkostenauszugleichen, den Brennstoff Kohle durch grünen Wasserstoff zu ersetzen oder die Ansiedlung von Chip-Fabriken zu fördern. Auch die Privathaushalte werden bereits großzügig bedacht. So finanziert der Fonds 2024 rund zehn Milliarden Euro, die die Verbraucher und Firmen früher als sogenannte EEG-Umlage für Ökostrom bezahlen mussten. Und 17 Milliarden sind als Förderung für Immobilienbesitzer eingeplant, damit diese zum Beispiel ihre Öl- und Gasheizungen durch Wärmepumpen ersetzen.
Einen Teil der Transformationskosten nimmt der Staat seinen Bürgern damit ab – aber nicht alle. „Europaweit gilt es zunächst, die energetisch schlecht gedämmten Gebäude zu modernisieren und dadurch Energiekosten deutlich zu reduzieren“, empfiehlt Karsten Neuhoff von Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Das würde jedoch zusätzliches Geld kosten. Außerdem steht die Forderung im Raum, besonders Leuten mit niedrigen Einkommen ein Klimageld auszuzahlen, um die Belastung des Kohlendioxidpreises auszugleichen. Die Regierung redet seit langem darüber, derzeit fehlen dafür aber die Mittel.
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