Mannheim. Wolfgang Thomasberger, Vorstandschef der VR Bank Rhein-Neckar, beendet zum Jahresende seine Karriere. Im Interview blickt der Genossenschaftsbanker zurück und nach vorn.
Herr Thomasberger, hinterlassen Sie Ihrem Nachfolger ein bestelltes Feld oder verbrannte Erde?
Wolfgang Thomasberger: Dadurch, dass Michael Düpmann schon länger im Gesamtvorstand mitarbeitet, kann er mir auf die Finger schauen. Im Ernst: Wir führen das Schiff ja gemeinsam, das Feld ist auch deshalb gut bestellt.
Auf Ihrer Kommandobrücke ist allerdings für Frauen kein Platz. Warum nicht?
Thomasberger: Das ist eine gute Frage, die wir uns auch stellen. Wir hätten gerne mehr Frauen in Spitzenpositionen. Denn wir haben auf der unteren Ebene festgestellt, dass gemischte Gruppen oft bessere Ergebnisse erzielen als reine Männerrunden. Wir haben die freigewordene Stelle im Vorstand intern mit einem Mann besetzt, weil Jürgen Gärtner für diesen Posten hervorragend qualifiziert ist. Ich muss aber betonen, dass es im Haus keine Frau gibt, die mit ihm hätte konkurrieren können.
Wolfgang Thomasberger
Woran liegt das?
Thomasberger: Natürlich spielt die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bei weiblichen Führungskräften eine besonders große Rolle. Frauen haben oft aber auch höhere Ansprüche an ihre Leistung als Männer und trauen sich deshalb weniger zu. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Wir haben die Stelle einer Bereichsleiterin mit einer Frau besetzt. Sie meinte zu mir: Herr Thomasberger, ich kann das doch noch gar nicht. Dann habe ich zu ihr gesagt: Ich habe nie eine Position übernommen, die ich schon konnte. Für die Zukunft bedeutet dies: Wir müssen potenzielle Bewerberinnen vielleicht anders ansprechen und vielleicht anders ausbilden, damit sie in ihrer Karriere mehr Selbstbewusstsein bekommen.
Zurück zum Geschäft. Wie ist Ihre Genossenschaftsbank durch Corona gekommen?
Thomasberger: Bisher überraschend gut. Die Risiken waren überschaubar, die Insolvenzen sind bisher ausgeblieben. Mit dem Geschäftsjahr 2021 bin ich sehr zufrieden. Das Ergebnis dürfte nach Steuern bei zehn bis zwölf Millionen liegen. Das ist im Rahmen der vergangenen Jahre. Wir wollen außerdem unseren Eigenkapitalanteil erhöhen.
Nachhaltige Anlagen boomen, eine Finanzwende-Studie kommt aber zum Schluss, dass diese oft nicht wirklich nachhaltig sind.
Thomasberger: Die Finanzwende kritisiert uns oft, nach meiner Meinung zu Unrecht. Die VR Bank Rhein-Neckar betreibt kein Greenwashing. Es stellt sich aber auch die Frage, was wir mit Unternehmen machen sollen, die viel CO2 ausstoßen, aber ihre Produktion umstellen wollen. Am liebsten würde die große Mehrheit der Kunden nur noch in rein nachhaltige Fonds investieren. Die Rendite ist nicht ausschlaggebend. Wenn die Idee stimmt, zahlen die Anleger auch höhere Gebühren.
Wie groß ist die Bereitschaft Ihrer Kunden, für die Fondsmanager Geld auszugeben?
Thomasberger: Diese Frage könnte jetzt auch wieder von der Finanzwende kommen.
Ich stelle diese Frage, weil ich viele junge Leuten kenne, die Trading Apps auf ihrem Handy haben, bei denen kaum Gebühren anfallen.
Thomasberger: Gute Beratung gibt es nicht umsonst. Wer keine braucht, kann natürlich auch auf solche Apps zurückgreifen. Wem das zu heiß ist, kann sich bei uns direkt vor Ort beraten lassen, denn wir haben ja als Genossenschaftsbank ein großes Filialnetz. Das kann eine Trading App nicht leisten. Aber klar ist, dass auch wir in Zukunft einen Mix aus digitaler und persönlicher Beratung haben werden. Klar ist auch, dass unsere mit Abstand größte Filiale mit rund 70 000 Nutzern die App auf dem Handy ist. Und die wird täglich mehrere Hunderttausende Male aufgerufen.
Stichwort Filialen. Immer mehr Banken schließen Zweigstellen, wie sieht das bei Ihnen aus?
Thomasberger: Gegenwärtig sind wir ja dabei, im neuen Mannheimer Stadtteil Franklin eine neue Filiale aufzubauen. Das ist auch ein Signal. Ein gut ausgebautes Netz gehört als VR Bank auf jeden Fall zu unserer DNA. Wir haben gegenwärtig noch 40. Doch die Zahl wird in den nächsten Jahren sinken. Die Filialen werden sich auch in der Größe und der Struktur ändern. Kleiner und flexibler, heißt die Devise.
Herr Thomasberger, 2020 haben sich die Volksbanken Weinheim und Kurpfalz zusammen- geschlossen. Geht die Fusionitis in der Region noch weiter?
Thomasberger: Die Frage sollten Sie meinem Nachfolger stellen, wenn Sie ihn interviewen. Ich halte es aber für wahrscheinlich, dass in den nächsten Jahren weitere Fusionen anstehen werden. Man sollte aber aufpassen: Wir sind eine Genossenschaftsbank. Da muss man schon noch eine regionale Nähe zu den Kunden haben.
Ihre Bank verlangt inzwischen auch Negativzinsen für Bestandskunden. Können Sie es sich leisten, diese zu vergraulen?
Thomasberger: Die Marktlage zwingt uns dazu, ein Verwahrentgelt zu verlangen. Die VR Bank steht da nicht allein da. Wir wollen aber für unsere Bestandskunden immer eine Lösung finden.
Ein Leser hat sich bei mir über die Art und Weise bitter beklagt.
Thomasberger: Ich kenne diesen Fall. Auch bei uns muss der Bestandskunde dem Verwahrentgelt zustimmen. Das hat er getan. Dennoch haben wir nach Ihrer Intervention dem Kunden ein persönliches Gespräch angeboten. Das wurde abgelehnt. Glauben Sie mir: Wir wollen unsere Kunden nicht vertreiben.
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