Berlin. Angesichts der schier unüberschaubaren Angebote an Dienstleistungen und Waren im Internet ist der Informationsbedarf der Verbraucher hoch. Welcher Rasenmäher kürzt das Gras am besten, welcher Kindersitz ist der sicherste, bei welchem Laptop stimmt das Preis-Leistungs-Verhältnis – guter Rat ist gefragt. Doch im Gegensatz zu den großen Preisvergleichsportalen endet die Suche nach verlässlichen Produkttests oft mit enttäuschenden Käufen.
„Im Internet wimmelt es nur so vor erfundenen Warentests“, sagt Björn Köllen-Steiner, Sprecher der Stiftung Warentest, „meist haben sie eine geringe bis gar keine Aussagekraft“. Die Stiftung gehört zu den Einrichtungen, die Produkte und Dienstleistungen tatsächlich mit großem Aufwand genau unter die Lupe nehmen. Solche Tests können schon mal einen sechsstelligen Betrag kosten. Deshalb sind die Ergebnisse auch nicht kostenlos zu haben.
Diesen Aufwand sparen sich unseriöse Webportale. Stattdessen loben sie bestimmte Produkte in den Himmel und kassieren Provisionen oder Werbegelder von deren Herstellern.
Produkttests aus dem Internet: Im schlimmsten Fall droht Lebensgefahr
Wer sich blind auf vermeintliche Tests verlässt, kann im schlimmsten Fall sogar die Gesundheit seiner Kinder gefährden, wie ein Beispiel aus der Praxis zeigt. Vergleichsportale hatten einen Kindersitz als „Preis-Leistungs-Sieger“ und „besonders sicher“ angepriesen. Ein Crashtest der Stiftung Warentest hat dagegen nachgewiesen, dass dieser Sitz bei einem Unfall durch das Auto geschleudert wurde. „Das bedeutet Lebensgefahr für das Kind“, warnt Köllen-Steiner vor zu viel Vertrauen in zweifelhafte Portale.
Der Umgang mit dem Wort „Test“ zeigt eine Menge Kreativität der Portalbetreiber. Das zeigt zum Beispiel ein Blick auf das Portal „Warentest online“. Die Betreiber bieten Herstellern aller möglichen Produkte einen Test an, der mit einem Gütesiegel endet. Ein Produkttest kostet die Unternehmen 299 Euro. Das Testverfahren wird auch beschrieben. „Die Endnote setzt sich aus verschiedensten Kategorien wie Verpackung, Design, Qualität und Preis-Leistungs-Verhältnis zusammen“, erklärt das Unternehmen. Pluspunkte gibt es schon für selbstverständliche Eigenschaften wie die Angabe des Herkunftslandes oder ob das Produkt für die vorgesehene Anwendung überhaupt geeignet ist. Mit diesem Gütesiegel wollen die Hersteller dann wiederum Verbraucher beeindrucken.
Datenauswertung statt handfeste Prüfung
Rechtlich ist den unseriösen Betreibern schwer beizukommen. Das versucht zum Beispiel die Wettbewerbszentrale, die sich den Kampf gegen unlautere Methoden auf die Fahnen geschrieben hat. 2021 hat sie zum Beispiel ein Urteil gegen ein Portal mit dem Wort „Test“ in der Webadresse erstritten. Dabei wurden lediglich Produktinformationen mithilfe einer Software zusammengestellt. Eine unmittelbare Prüfung der Produkte hat es demnach nicht gegeben. Für jede ausgelöste Bestellung erhielt der Betreiber eine Vergütung. Die Richter untersagten die Nutzung des Domain-Namens, weil sie ihn für irreführend halten.
Vor einem Jahr klagte die Wettbewerbszentrale auch in der ersten Instanz erfolgreich gegen eine weitere Warentest- Domain. Denn die vermeintlichen Tests bestanden aus der Zusammenstellung von allgemein zugänglichen Produktinformationen der Hersteller, die Werbung auf der Seite schalteten. Testsieger waren stets Produkte der Werbekunden. „Nur Daten auszuwerten ist kein Test“, sagt Kai-Oliver Kruske, Sprecher der Wettbewerbszentrale.
Auch die Stiftung Warentest muss sich immer wieder einmal auf den Rechtsweg begeben. Mitunter kombinieren Testportale die bekannte Marke mit Links zum Kauf getesteter Produkte und erzielen dadurch Einnahmen. Oder es werden Testergebnisse der Stiftung ohne Erlaubnis veröffentlicht. In diesen Fällen mahnen die Verbraucherschützer die Unternehmen wegen Urheberrechtsverstößen ab.
„Wir beobachten eine Zunahme von sogenannten Testanbietern, die mit irreführenden Siegeln, gekauften Bewertungen oder methodisch fragwürdigen Tests Verbraucherinnen und Verbraucher täuschen wollen“, stellt Köllen-Steiner fest.
Produkttests im Internet: Darauf sollten Verbraucher achten
Es gibt einige Tipps, mit denen sich ein Fehlkauf durch Fake-Tests vermeiden lässt. Ein Indiz für ein rein wirtschaftliches Interesse der Portalbetreiber ist eine durchweg positive Bewertung aller aufgeführten Produkte. Das lässt darauf schließen, dass es hier ausschließlich um eine Verkaufsförderung geht. Auch die Wortwahl kann ein Hinweis auf Fake-Tests sein. Wenn es etwa Vergleichssieger heißt, wurde wohl nichts auf Herz und Nieren geprüft.
„Verbraucherinnen und Verbraucher sollten zudem stutzig werden, wenn der angebliche Test nur mit den Fotos bebildert ist, die auch der verlinkte Online-Händler verwendet“, rät Köllen-Steiner. Besser seien Bilder aus einer echten Testsituation. Einige Portale geben im Kleingedruckten auch offen zu, dass ihre Einschätzungen rein subjektiv zustande kommen. Auch hier sollten bei den potenziellen Kunden die Alarmglocken schrillen.
URL dieses Artikels:
https://www.mannheimer-morgen.de/wirtschaft_artikel,-wirtschaft-vorsicht-im-netz-viele-portale-taeuschen-produkttests-oder-unabhaengige-vergleiche-vor-_arid,2337038.html