Mannheim. Schwere Vorwürfe gegen Funktionäre der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Mannheim: Die Staatsanwaltschaft geht dem Verdacht nach, dass einzelne Mitarbeiter der Gewerkschaft interne Veranstaltungen als Betriebsratsschulungen umetikettiert und den Arbeitgebern in Rechnung gestellt haben sollen. Es gehe um einen möglichen „Betrug“, bestätigte der Mannheimer Staatsanwalt Marc Schreiner entsprechende Ermittlungen. Zuerst hatte die Zeitung „Badische Neueste Nachrichten“ (BNN) über den Fall berichtet.
Bereits Ende Juli habe man aufgrund der Vorwürfe die Geschäftsstelle von Verdi in Mannheim durchsucht, so der Staatsanwalt. Das dabei gefundene Material werde derzeit ausgewertet. „Das Ergebnis ist völlig offen“, sagte Schreiner am Freitag. Ebenso die Fragen, wie viele Beschuldigte es gibt und wann mit ersten Ermittlungsergebnissen zu rechnen ist.
Ein Sprecher der Gewerkschaft bestätigte die Durchsuchung. Es werde aber ausdrücklich nicht gegen Verdi, sondern gegen einzelne Personen ermittelt. „Wir kooperieren mit den Ermittlungsbehörden selbstverständlich vollumfänglich und haben ein hohes Interesse daran, den Vorgang aufzuklären“, sagte er.
Doppelfunktion ausgenutzt?
Im Visier der Staatsanwaltschaft stehen Verdi-Mitarbeiter, die interne Veranstaltungen als Schulungen für Betriebsräte deklariert haben sollen. Sie sollen dabei ihre in der Praxis übliche Doppelfunktion als Betriebsräte und (ehrenamtliche) Gewerkschafter ausgenutzt haben.
Grundsätzlich haben Betriebsräte in Deutschland einen Anspruch auf regelmäßige Fortbildung, und Arbeitgeber sind verpflichtet, die entsprechenden Kosten dafür zu tragen. Voraussetzung ist allerdings, dass in den Seminaren Inhalte vermittelt werden, die für die Betriebsratsarbeit erforderlich sind. Wer genau geschädigt worden sein könnte, sagte der Staatsanwalt am Freitag nicht. Da es um Verdi-Mitarbeiter geht, könnte es sich um den öffentlichen Dienst handeln, geschädigt wäre somit auch der Steuerzahler.
Laut Verdi geht es um die Durchführung eines Fortbildungsseminars für Betriebsräte aus dem Jahr 2014. In der Regel würden solche Veranstaltungen über die Verdi b+b (Bildung und Beratung) angeboten. Bei der fraglichen Fortbildung sei allerdings eine andere Firma beauftragt worden. „Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden“, sagte der Verdi-Sprecher. Entscheidend sei vielmehr, „ob dort dem Gesetz entsprechende Inhalte besprochen wurden und ob die Kalkulation korrekt war“. Dies werde derzeit durch die Staatsanwaltschaft geprüft.
Wie hoch der mögliche Schaden ist, blieb am Freitag unklar. Er dürfte aber nicht unerheblich sein, da neben den reinen Seminarkosten in der Regel auch Spesen und Übernachtungskosten geltend gemacht werden. Hinzu kommen indirekte Kosten für die Arbeitgeber, da die Betriebsräte für die Dauer des Seminars freigestellt und weiterbezahlt werden.
Die Ermittlungen ins Rollen brachten laut „BNN“ zwei Mitarbeiter, nachdem es interne Streitigkeiten gegeben habe. Der Zeitung zufolge gebe es außerdem einen belastenden E-Mail-Verkehr, den die Staatsanwaltschaft bei ihrer Durchsuchung sichergestellt habe. Offiziell bestätigt wird das aber nicht.
Gewerkschaft Verdi
- Verdi (Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft) entstand im Jahr 2001 durch Zusammenschluss von fünf Einzelgewerkschaften und ist Mitglied im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB).
- Mit etwa zwei Millionen Mitgliedern ist sie nach der IG Metall die zweitgrößte deutsche Gewerkschaft.
- Der erste Vorsitzende war von der Gründung bis 2019 Frank Bsirske, dem Frank Werneke im September 2019 im Amt folgte.
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