Lebensmittel - Für 3,90 Euro drei Stücke Kuchen vor dem Müll bewahren / Mannheimer Konditorei macht bei Initiative „Too Good to Go“ mit

"Too Good to Go" kämpft gegen Lebensmittelverschwendung - auch in Mannheim

Von 
Stefanie Ball
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Der Mannheimer Konditormeister Harald Blum (links) überreicht Oskar Meier sein über eine App bestelltes Überraschungspäckchen. © Manfred Rinderspacher

Mannheim.

55 Kilogramm Lebensmittel werden jedes Jahr pro Kopf in Deutschland weggeworfen. Weltweit sind es geschätzte 1,3 Milliarden Tonnen, das ist ein Drittel der Lebensmittel, die in der Landwirtschaft, in Großküchen und Restaurants, in Supermärkten und in Privathaushalten verloren gehen. Eine Verschwendung auch von Ressourcen wie Wasser, Energie und Boden, die bei der Herstellung eingesetzt werden. So werden allein für ein Kilogramm Brot vom Anpflanzen des Getreides bis hin zur Teigherstellung rund 1600 Liter Wasser benötigt, für ein Kilogramm Käse sind es 5000 Liter Wasser.

In Dänemark gegründet

„Too Good to Go“ versucht, einen Teil dieser Produkte vor dem Mülleimer zu bewahren. Zu gut, um weggeworfen zu werden, lautet übersetzt der Slogan einer Gruppe „motivierter Lebensmittelretter“, wie sie sich selber nennen. Das Startup wurde 2015 in Dänemark gegründet, mittlerweile hat es Ableger in zwölf Ländern, darunter seit 2016 auch in Deutschland.

Wie das Ganze funktioniert? Simpel: kostenlose App aus dem Internet aufs Handy herunterladen, herausfinden, wer in der Nähe mitmacht - Bäckereien, Cafés, Restaurants, Supermärkte, Hotels -, und seine Überraschungsportion bestellen. Was in die Tüte kommt, weiß der Kunde vorab nicht, das hängt im Wesentlichen davon ab, was an dem Tag übriggeblieben ist.

Am Abend, kurz vor Ladenschluss, der genaue Zeitraum wird ebenfalls in der App angezeigt, kann die Mahlzeit dann abgeholt werden. Kostenpunkt: zwischen drei und vier Euro pro Tüte. 18 Millionen Mahlzeiten hat „Too Good to Go“ auf diese Weise bereits vor dem Wegwerfen bewahrt.

Einer der (noch wenigen), die in Mannheim mitmachen, ist Harald Blum vom gleichnamigen Café Blum mit seinen zwei Filialen in der Fahrlachstraße und in der Schwetzinger Vorstadt. „Das Konzept läuft prima, wir haben inzwischen unsere Stammgäste, die abends ihre Pakete abholen“, erzählt er.

Jede Portion kostet 3,90 Euro und umfasst drei, manchmal auch vier oder fünf Stücke Kuchen, verschnittene Teile, nicht mehr ansehnliche Kuchen, Produkte, die am nächsten Tag entsorgt werden müssten. Sein Geschäftspartner David Werner kennt die genauen Zahlen der geretteten Mahlzeiten: „1702 Portionen sind es seit Anfang des Jahres.“ Inzwischen hat „Too Good to Go“ in den zwölf Ländern mehr als 27 000 Partnerbetriebe, dazu zählen in Deutschland auch Ketten wie Nordsee oder Real. Die freuen sich vor allem über weniger Essenreste, die entsorgt werden müssen. Den Fischrestaurants beispielsweise gelingt es, pro Tag durchschnittlich 1000 Portionen vor der Tonne zu retten, bei Real waren es bislang 100 000 Lebensmittelportionen, vor allem Obst und Gemüse, die noch einen Kunden gefunden haben.

Aber auch das Image und der Bekanntheitsgrad profitieren von der Initiative. „Kunden kommen hierher, sehen das Café, probieren unseren Kuchen“, bestätigt Harald Blum. Sarah Hild ist eine dieser neuen Kundinnen. „Ich bin im Internet auf die App gestoßen und wollte sie einmal ausprobieren, und dann hatte mir noch jemand das Café Blum empfohlen“, erzählt sie, während sie ihre Wundertüte entgegennimmt.

Frankreich setzt auf Zwang

Bezahlt wird ebenfalls über die App, wobei „Too Good to Go“ von jeder verkauften Portion pauschal eine Kommission von 1,09 Euro einbehält, um sich darüber zu finanzieren. Hinzu kommt eine Mitgliedsgebühr von 39 Euro, die der Partnerbetrieb, wenn ihn das Konzept nach einer mehrmonatigen Probezeit überzeugt, jährlich entrichten muss.

Weniger auf Freiwilligkeit als auf Zwang setzen Länder wie Frankreich und Tschechien. In Tschechien müssen große Supermärkte neuerdings übriggebliebene Lebensmittel, die noch genießbar sind, an Hilfsorganisationen weitergeben. Wer das nicht macht, wird mit einem hohen Bußgeld bestraft.

In Frankreich gibt es ein ähnliches Gesetz schon seit ein paar Jahren: Nicht verkaufte Waren müssen verbilligt abgegeben oder gespendet werden. Das Ziel: Bis 2025 will die französische Regierung die Verschwendung von Lebensmitteln halbieren.


Infografik: Lebensmittelverschwendung | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

Infografik: Lebensmittel für die Tonne | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

„Too Good to Go“: Bestellung per App

  • „Too Good to Go“ ist ein Konzept, um übriggebliebene Lebensmittel und Speisen vor der Entsorgung zu retten.
  • Die Partnerbetriebe zahlen pro Portion eine Kommission an „Too Good to Go“ sowie eine jährliche Mitgliedsgebühr.
  • Der Kunde muss seine Überraschungstüte vorab per App bestellen und kann die Produkte dann abends zu einem reduzierten Preis abholen.
  • Hier ist die Initiative zu finden: www.toogoodtogo.de

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