Arbeitsgericht - DB Regio darf Lokführer trotz "menschenverachtendem" Auschwitz-Eintrag auf Facebook nicht kündigen

Tabu verletzt und Job behalten

Von 
Birgit Müller
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Mannheim/Heidelberg. Das Arbeitsgericht Mannheim hat die Kündigung eines Lokführers durch die DB Regio für unwirksam erklärt. Obwohl Anton W. im Herbst vergangenen Jahres nach Ansicht des Gerichts ein "menschenverachtendes" und "tabuüberschreitendes" Bild auf seine Facebook-Seite gestellt hatte, hat der 37-Jährige seinen Arbeitsplatz nun wieder.

"Keine Gedanken gemacht"

Die Eingangstür des Konzentrationslagers Auschwitz mit dem Schriftzug "Arbeit macht frei". Darunter steht: "Polen ist bereit für die Flüchtlingsaufnahme." Anton W., der in Polen geboren worden ist und als Kind ebenfalls als Flüchtling nach Deutschland gekommen war, habe sich nichts dabei gedacht, die Problematik nicht eingeschätzt, als er dieses Bild auf Facebook gepostet hatte, sagte sein Verteidiger Mathias Helmke. Auch die Sechste Kammer des Arbeitsgerichts Mannheim geht davon aus, dass W. "sich überhaupt keine Gedanken darüber gemacht hat", was er mit der Veröffentlichung auf seiner Facebook-Seite auslösen würde.

Unmittelbar nachdem er von seinem Arbeitgeber auf das Bild angesprochen worden war, habe er sich dafür entschuldigt und es gelöscht. Darüber hinaus habe es während W.s mehr als 14-jährigem Arbeitsverhältnis nie einen Grund zu Beanstandungen gegeben. Dies alles begründet der Vorsitzenden Richterin Sigrid Pult-Wilhelm zufolge, dass der Lokführer nicht habe gekündigt werden dürfen. Schriftlich wurde er zudem dazu aufgefordert, künftig "sensibler in sozialen Netzwerken zu agieren".

Die DB Regio hatte W.s Verhalten in der vorangegangenen Verhandlung als untragbar bezeichnet, da auch Flüchtlinge in den Zügen fahren würden. "Für uns ist es eine menschenverachtende, rassistische Äußerung", sagte eine Vertreterin des Unternehmens damals. Aus diesem Grund habe DB Regio W. fristlos gekündigt.

"Geschäftsschädigende" Wirkung

Das von W. im vergangenen Herbst eingestellte Bild war zuvor auf der polnischen Satire-Webseite chamsko.pl erschienen. Der 37-jährige Vater zweier Kinder, der auf seinem Facebook-Profil auch sein Beschäftigungsverhältnis bei der Deutschen Bahn angegeben hatte, habe mit seinem Eintrag satirisch seine Kritik an die polnische Regierung signalisieren wollen - diese lehnt die Aufnahme von Flüchtlingen vehement ab. Diesen Einwand ließ das Gericht aber nicht gelten: Bei dem Bild sei "objektiv nicht erkennbar", dass es sich um Satire handle. Text sowie Foto seien daher nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt. Stattdessen könne sich der Facebook-Eintrag "ruf- und geschäftsschädigend" auf DB Regio auswirken. W.s Verhalten habe seine Pflichten verletzt. Trotzdem falle eine Abwägung der Interessen zu seinen Gunsten aus.

"Danke", sagte Anton W. zur Richterin nach der Urteilsverkündung. Seine Hände zitterten. "Ja, sehr gut", tönte es aus dem Zuschauerraum. Dort saß eine Gruppe Männer, offensichtlich Arbeitskollegen von W. Nur wenige Minuten hat die Sitzung gedauert. W. und seine Frau lagen sich anschließend kurz in den Armen, verließen dann den Verhandlungsraum. "Ich bin erleichtert", sagte der Lokführer. Er möchte so bald wie möglich wieder zurück an seinen Arbeitsplatz.

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