Rohstoffe

Staat entzieht Rosneft die Kontrolle

Diesel, Benzin, Kerosin – die Raffinerie Schwedt ist wichtig für die Ölversorgung in Ostdeutschland. Nun greift der Bund ein

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Tobias Kisling
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Die PCK-Raffinerie in Schwedt liefert 90 Prozent des Öls für Berlin und Brandenburg. © Patrick Pleul /dpa

Berlin. Nach Gazprom Germania hat die Bundesregierung dem nächsten Deutschlandableger eines russischen Konzerns die Kontrolle entzogen: Rosneft Deutschland wird unter die Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur gestellt. Damit verliert der russische Mineralölriese Rosneft, der erst am Donnerstag einen Gewinnzuwachs von 7,2 Milliarden Euro im ersten Halbjahr vermeldet hat, die Kontrolle über drei Raffinerien in Deutschland: über die PCK Schwedt in der Uckermark, die Karlsruher Mineralölraffinerie Oberrhein (MiRO) und die Vohburger Bayernoil. Vor allem Schwedt stand zuletzt im Fokus. Die dortige Raffinerie ist zentral für die Versorgung großer Teile Ostdeutschlands – vor allem von Berlin und Brandenburg – mit Benzin und Diesel, aber auch mit Heizöl sowie mit Kerosin für den Hauptstadtflughafen BER. Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was bedeutet die Treuhandschaft?

Ein Unternehmen durch staatliche Anordnung unter Treuhandverwaltung zu stellen, ist ein schwerer Eingriff in den Markt und für gewöhnlich nicht ohne Weiteres möglich. Man habe sich die Entscheidung nicht leicht gemacht, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Es sei eine weitreichende Entscheidung „zum Schutz unseres Landes.“

Es ist nicht das erste Mal, dass die Regierung eingreift. Im April wurde bereits der Gasversorger Gazprom Germania, zu dem auch der Gashändler Wingas zählt, unter die Treuhand der Bundesnetzagentur gestellt. Zuvor hatte Gazprom seinen Deutschlandableger an eine windige Firma verkauft, die sich laut Unternehmensregister auf Immobiliendeals spezialisiert hat und deren Geschäftsführer zuvor als Autohändler und DJ jobbte. Die Bundesregierung vermutete dahinter den Versuch Russlands, den deutschen Gasmarkt ins Chaos zu stürzen, und schritt ein.

Bei Rosneft ist der Fall etwas anders gelagert. Noch fließt Öl über die Pipeline „Druschba“ (russisch für „Freundschaft“). Allerdings seien zuletzt Versicherer, Geldgeber, IT-Dienstleister und auch Abnehmer auf Abstand gegangen, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Zum 1. Januar 2023 tritt zudem das Embargo auf russisches Öl in Kraft. Zwar kann Schwedt auch anders Öl beziehen, etwa über den Hafen von Rostock oder aus dem polnischen Danzig. Polen war aber nicht bereit, Öl mit der Aussicht zu liefern, dass Rosneft die Gewinne einstreicht. Rosneft Deutschland selbst zeigte nach Angaben des Wirtschaftsministeriums kein Interesse daran, auf die Lieferungen des Mutterkonzerns aus Russland zu verzichten.

Wie erfolgversprechend ist der Schritt?

Bei Gazprom Germania, das mittlerweile Securing Energy for Europe (Sefe) heißt, gelang es, den Kollaps zu verhindern. Das lässt sich der Staat allerdings einiges kosten. 9,8 Milliarden Euro stellt die staatliche Förderbank KfW Sefe an Krediten bereit. Auch von der Gasumlage soll das Unternehmen profitieren.

In Schwedt wird es nun auch darauf ankommen, dass Polen Öl liefert. Sollte das klappen, könnte die Raffinerie möglicherweise weiter unter Volllast laufen, sagte Habeck. In Rostock landete bereits testweise im August ein Schiff mit Öl aus den USA an. Die Raffinerie kann nur mit bestimmten Ölqualitäten betrieben werden.

Warum erfolgt der Schritt so spät?

Um dem Unternehmen die Kontrolle entziehen zu können, wurde bereits im Mai das Energiesicherungsgesetz geändert und der Vorgang als „Lex Rosneft“ bezeichnet. Danach wurde öffentlich viel debattiert – es passierte aber wenig. Ein Grund dafür ist die Sorge vor der russischen Antwort auf die Treuhandverwaltung. Zwar dürfen die Eigentümer Rosneft Deutschland behalten, sie sind aber de facto entmachtet. Die Entscheidungen trifft nun die Bundesnetzagentur. Als ersten Schritt tauschte sie den Chef aus: Neuer Geschäftsführer ist Christoph Morgen, Partner einer Rechtsanwaltskanzlei und laut Netzagentur ein „ausgewiesener Krisenmanager“.

Es ist durchaus denkbar, dass Russland als Reaktion auf den Vorgang die Lieferungen nach Schwedt drosselt. Vorsorglich wurden dafür bereits die Vorräte in Schwedt, aber auch in der sachsen-anhaltinischen Raffinerie Leuna erhöht.

Warum sind die Raffinerien so wichtig?

Nach eigenen Angaben ist die PCK-Raffinerie in Schwedt für 90 Prozent der Ölversorgung im Metropolraum Berlin und Brandenburg verantwortlich. Auch ist sie mit 1200 Beschäftigten ein wichtiger Wirtschaftsstandort für die Uckermark. Die Karlsruher MiRO ist nach eigenen Angaben Deutschlands größte Raffinerie und stellt pro Jahr 14 Millionen Tonnen Rohölprodukte her. Bei Bayernoil wird unter anderem Flüssiggas produziert.

Und wie geht es mit den Raffinerien jetzt weiter?

Die Hauptsorge gilt Schwedt, da die Raffinerie besonders abhängig von russischem Öl ist. Um den Fortbestand der Raffinerie zu sichern, schnürten die Bundesregierung sowie die Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt für die kommenden 15 Jahre ein rund eine Milliarde Euro schweres Maßnahmenpaket. Damit soll die Pipeline vom Rostocker Hafen nach Schwedt weiter ertüchtigt werden, zudem soll in der Stadt ein Start-up-Labor entstehen. Kündigungen sollen vermieden werden, kündigte Scholz an. Auch der sachsen-anhaltinische Raffineriestandort Leuna soll von dem Geld profitieren. In Schwedt selbst ist man erleichtert. „Die heutige Entscheidung ist ein konsequenter Schritt in die richtige Richtung. Arbeitsplatzgarantie und ein erhebliches Zukunftspaket für Investitionen in Schwedter sind schriftlich abgesichert“, sagte der Schwedter Landtagsabgeordnete Mike Bischoff (SPD) dieser Redaktion.

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