Landwirtschaft - Der Ladenburger Familienbetrieb Maas kämpft wie viele Bauern gegen den sinkenden Milchpreis

"So schnell geben wir nicht auf"

Von 
Caroline Blarr
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Thomas Maas (links) und sein Vater Friedrich im Stall des Familienbetriebs mit seinen 72 Kühen. Alleine mit dem Milchgeschäft könnte der Hof nicht überleben.

© Rinderspacher

Ladenburg. Gemächlich trabt Kuh Paulana in die Melkbox. Zwei Bürsten kreisen um das Euter, die Füße werden von zwei Wasserdüsen gereinigt, dann scannt ein Laser das Euter, um die Zitzen zu finden. "Bei uns läuft das Melken vollautomatisch", erklärt Jochen Maas stolz. Über ein Halsband kann er jeden Schritt der Tiere verfolgen: Wiederkaumenge, Brunstwahrscheinlichkeit, Milchqualität, Melkstand. Für den 27-Jährigen, der den Ladenburger Hof gemeinsam mit Bruder Thomas führt, ist die Arbeit ein Traumberuf.

"Ich wollte nie etwas anderes machen. Ich kenne jede Kuh bei ihrem Namen", sagt er. Alle zwei Tage kommt der Milchlaster. Rund 4000 Liter Rohmilch verkauft der Milchhof monatlich an die Molkerei FrieslandCampina. "Der Preis fällt Monat für Monat. Im Moment liegt er bei 25 Cent pro Liter. Und das ist noch ein guter Wert. In manchen Regionen liegt der Auszahlungspreis bereits unter 20 Cent", rechnet Thomas Maas vor.

Weitere Standbeine nötig

Auf ihrer Internetseite wirbt die Molkerei für ihre monatliche Preisgarantie. Doch die Grafiken zeigen den Absturz. Im Mai 2015 erhielten die Landwirte noch 32 Cent pro Liter, ein Jahr davor lag er sogar noch bei 40 Cent. Die Zahl der Milchbetriebe in Deutschland hat sich laut Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung seit dem Jahr 2000 nahezu halbiert: Derzeit gibt es in Deutschland rund 73 300 Milchkuhhalter. Im Jahr 2000 waren es noch 139 000 Milchviehbetriebe.

"Schwankungen sind ganz natürlich in unserem Geschäft. Aber so extrem habe ich das noch nicht erlebt"; gibt Vater Friedrich Maas zu. Der 63-Jährige hat sich aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, greift seinen beiden Söhnen aber unter die Arme, wenn Not am Mann ist. "So schnell geben wir nicht auf. Mit der Milchproduktion alleine würden wir jetzt schon rote Zahlen schreiben. Unser Vorteil ist, dass wir zusätzlich eine Biogasanlage und Ackerbau betreiben. Damit können wir uns ganz gut über Wasser halten. Als Familienbetrieb haben wir auch keine hohen laufenden Kosten mit festem Personal", sieht Thomas Maas nach vorne.

"Kuh gibt nun mal jeden Tag Milch"

Zum Zweckoptimismus gibt es auch keine Alternative. Erst 2013 hat die Familie in den neuen Hightech-Stall investiert. Die Abzahlung des Zuschusskredites vom Land bindet den Hof noch 15 Jahre. Friedrich Maas lässt seinen Blick nachdenklich über die Herde schweifen. "Wir können nicht immer nur den Discountern den Schwarzen Peter zuschieben. Der Verbraucher muss sich auch mal die Frage stellen, wie viel ihm ein hochwertiges Produkt wert ist."

Die Krise hat mehrere Ursachen. Seit dem Wegfall der europäischen Milchquote im März 2015 ist schlicht zu viel Milchmenge auf dem Markt, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern EU-weit und auch global. "In den Niederlanden wurde die Milchproduktion zum Beispiel deutlich ausgeweitet, auch weil eine staatliche Obergrenze für Phosphatemissionen in der Gülle eingeführt wurde", erklärt Jochen Maas. Dazu kommt das russische Embargo für Nahrungsmittel sowie eine sinkende Nachfrage aus den ölexportierenden Ländern sowie China hinzu. All dies führt dazu, dass das Angebot an Milch und Milchprodukten auf dem Weltmarkt derzeit die Nachfrage übersteigt.

Der Bundestag soll bald auch ein neues Agrarmarktstrukturgesetz verabschieden, das den Bauern Mengenabsprachen erlauben soll. Doch die Erwartungen an den Milchgipfel heute sind verhalten. "Wir können nicht einfach die Produktion herunterfahren, wenn der Absatz nicht da ist. Eine Kuh gibt nun mal jeden Tag ihre Milch. Und Soforthilfen schaffen vielleicht kurzfristig Abhilfe, aber lösen nicht das Problem", ist Thomas Maas skeptisch.

Skepsis gegenüber Bio-Modell

Agrarminister Schmidt hat angekündigt bis zum Jahresende ein "Grünbuch" ausarbeiten zu lassen, das die Grundzüge einer "marktorientierten" Agrarpolitik für die Zukunft beinhalten soll. Die deutschen Bauern hätten demnach drei Chancen, sich auf dem Weltmarkt zu behaupten: Regionalisierung und Spezialisierung der Produkte sowie tierfreundlichere Haltungsformen. "Klar haben wir schon darüber nachgedacht, auf Bio umzusatteln. Aber dann müssen wir den ganzen Hof anpassen. Da käme eine zweijährige Umstellungsphase auf uns zu. Und wer garantiert uns, dass der Preis im Biosegment auf Dauer stabil bleibt?", sagt Maas.

Und mit der Regionalisierung ist es so eine Sache: Im Milchautomat auf dem Hof kostet der Liter 80 Cent. "Bei uns auf dem Weiler in Neubotzheim gibt es noch ein bisschen Laufkundschaft. Aber wer fährt für einen Liter Milch irgendwo in den Odenwald?", fragt Thomas Maas. Und dann muss er los. Sein Handy klingelt. Es muss ja weitergehen.

Heute Milchgipfel in Berlin

  • Zum Milchgipfel sind heute in Berlin bei Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) Spitzenvertreter der Landwirte, der Molkereien und des Einzelhandels geladen.
  • Der Minister stellte "schnelle direkte Hilfen" für die Milchbauern in Aussicht. "Wir werden eine Reihe von Betrieben über Bürgschaften, Kredite sowie steuerliche Erleichterungen stützen", sagte er dem "Focus". Im Gespräch war ein Hilfspaket von mindestens 100 Millionen Euro.
  • Schmidt will zudem erreichen, die Risiken des Milchmarkt fairer zu verteilen.

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