Mannheim. CropEnergies-Chef Stephan Meeder kommt um die „Tank-und-Teller“-Debatte nicht herum. Angesichts der hohen Bedeutung Russlands und der Ukraine als Getreide-Exporteure und angesichts steigender Getreidepreise ist sie wieder hochgekocht. Auch viele Aktionärinnen und Aktionäre stellen Fragen dazu. Also spricht Meeder auf der virtuellen Hauptversammlung als Erstes darüber. Er sagt: Angetrieben werde die Debatte von einer „Anti-Biokraftstoff-Kampagne“ von mehreren Umweltverbänden, die den Krieg zum Anlass genommen hätten, seit Jahren widerlegte Vorwürfe gegen Biokraftstoffe aus Ackerpflanzen erneut in die politische Diskussion einzubringen.
Das Mannheimer Unternehmen CropEnergies, eine Tochtergesellschaft von Südzucker, stellt aus pflanzlichen Rohstoffen Ethanol her. Dieser Biokraftstoff wird Spritsorten wie E10 beigemischt. Er soll helfen, klimaschädliches CO2 im Straßenverkehr einzusparen.
Umweltverbände wie Greenpeace kritisieren jedoch, wertvolle Lebensmittelpflanzen wie Getreide und Ölsaaten würden zu Biosprit und Tierfutter verarbeitet und fordern deshalb: „Kein Essen in den Tank!“ Auch Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) ist eine Gegnerin. Sie will den Einsatz von Biokraftstoffen aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen in den kommenden Jahren schrittweise reduzieren und bis 2030 ganz auslaufen lassen.
Meeder sieht zu einem möglichen Verbot von Biokraftstoffen keine einheitliche Position in der regierenden Ampel-Koalition. Ohnehin hält er die Vorwürfe für „unsachlich und ungerechtfertigt“. Ihm ist wichtig hervorzuheben: Die Herstellung von Ethanol basiere auf der Verarbeitung von Getreide, das nicht die Qualitätsanforderungen für den menschlichen Verzehr erfülle. Dieser werde nicht extra für Biokraftstoffe angebaut.
Zudem, so Meeder, entstünden bei der Ethanol-Produktion proteinhaltige Lebens- und Futtermittel. Würde die Politik tatsächlich ein Verbot durchsetzen, fehlten diese Produkte in Deutschland und Europa. „Die Folge wäre zum Beispiel bei der Proteinversorgung eine zunehmende Importabhängigkeit, vor allem aus Südamerika.“
Was Meeder ärgert: Aus seiner Sicht hat die öffentliche Diskussion „einmal mehr“ das Vertrauen von Investoren zerstört. Der Halbwertszeit politischer Entscheidungen werde immer kürzer, dabei brauche CropEnergies stabile Rahmenbedingungen. Das Unternehmen sei bereit zu investieren, sagt Meeder und fügt einen bemerkenswerten Satz hinzu: „Aber wenn die Rahmenbedingungen nicht sicher sind, müssen wir uns überlegen, ob Deutschland oder auch Europa ein guter Standort ist, oder ob Investitionen und die entstehenden Arbeitsplätze anderswo besser aufgehoben sind.“ Was mit „anderswo“ gemeint ist, lässt der Vorstandssprecher offen.
Das geplante Verbot von Neuwagen mit Verbrennermotor ab 2035 stößt bei Meeder auf wenig Begeisterung. Er kritisiert die EU, dass lediglich die Emissionen am Auspuff berücksichtigt würden. „Lebenszyklusemissionen von Fahrzeugen ohne lokale Emissionen, wie zum Beispiel Elektroautos, werden vollkommen ignoriert. Die Emissionen aus der Herstellung der Akkus werden ebenso wenig eingerechnet wie jene des verwendeten Ladestroms.“
Nun müsse die endgültige Entscheidung von EU-Parlament und -Rat abgewartet werden. „Aber es ist zu befürchten, dass die Regelung nicht technologieoffen und technologieneutral ausfallen wird“, sagt Meeder. Dabei würden Biokraftstoffe doch als Brückentechnologie hin zur Elektromobilität gebraucht.
Abseits der großen umwelt- und wirtschaftspolitischen Themen gibt es im Aufsichtsrat von CropEnergies einen bedeutenden Wechsel: Der langjährige Vorsitzende Markwart Kunz verabschiedet sich aus dem Gremium. Neu an der Spitze ist Thomas Kirchberg, Vorstandsmitglied bei Südzucker. Zumindest noch, denn Kirchberg verlässt den Mutterkonzern zum September.
Nach dem Rekord-Geschäftsjahr 2021/2022 – erstmals mit einem Umsatz von mehr als einer Milliarde Euro – steigt die Dividende von 35 auf 45 Cent je Aktie. Daraus ergibt sich eine Ausschüttungssumme von 39,2 Millionen Euro. Laut CropEnergies sind bei der virtuellen Hauptversammlung 150 Aktionäre und Gäste vor den Bildschirmen dabei gewesen, die Kosten: 190 000 Euro. Bei der letzten Präsenz-Veranstaltung vor Corona im Rosengarten 2019 waren 600 Menschen vor Ort, sie hatte 220 000 Euro gekostet.
Positive Einstellung überwiegt
- Biokraftstoffe werden weiterhin von 65 Prozent der Bevölkerung insgesamt als positiv gesehen, ein Viertel ist skeptisch. Das ist das Ergebnis einer Studie des Marktforschungsunternehmens Kantar im Auftrag unter anderem des Bundesverbands der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe). Nach eigenen Angaben ist die Studie repräsentativ.
- Drei Viertel der Bevölkerung sprechen sich dafür aus, die Nutzung von Biokraftstoffen grundsätzlich fortzusetzen und nicht vollständig und dauerhaft einzustellen. Einer zeitweisen Einstellung stimmen 44 Prozent zu, 33 Prozent finden, dass die Nutzung unverändert fortgeführt werden soll.
- „Die Umfrage zeigt, dass sich die Menschen in ihrer positiven Meinung zu Biokraftstoffen von der laufenden, undifferenzierten Negativkampagne nicht beirren lassen“, teilte der BDBe-Vorsitzende Norbert Schindler dieser Redaktion mit.
- Fast 80 Prozent der Bürger erteilten dem Plan von Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne), die Nutzung von Biokraftstoffen im Verkehr verbieten zu wollen, eine deutliche Absage.
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