Auto - Vom künftigen BMW-Chef Oliver Zipse erwarten Aufsichtsrat und Gewerkschaft in der Branchenkrise Führungsstärke

Sehnsucht nach „Alpha-Tier“

Von 
Ralf Müller
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Der gebürtige Heidelberger Zipse soll sein neues Amt bei BMW am 16. August antreten. © dpa

München. Auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) in Frankfurt ist im September ein Auftritt mit Symbolwert zu erwarten. Dort, wo vor vier Jahren der BMW-Vorstandsvorsitzende Harald Krüger auf offener Bühne einen Schwächeanfall erlitt, wird sein Nachfolger Oliver Zipse BMW neu präsentieren. Ein kräftiger Auftritt ist dabei Pflicht.

Dass ein 55-Jähriger (Zipse) einem 53-Jährigen (Krüger) nachfolgt, belegt, dass nichts nach Plan lief. Nach vier Jahren an der Spitze des Konzerns mit weltweit 135 000 Beschäftigten hatte Krüger erklärt, seinen 2020 auslaufenden Vertrag nicht mehr verlängern zu wollen.

Was der 30-köpfige Aufsichtsrat, der am vergangenen Donnerstag im US-amerikanischen Spartanburg über Krügers Nachfolge entschied, auszusetzen hatte, liest sich zwischen den Zeilen der glatten Erklärung: Mit Zipse übernehme ein „führungsstarker Stratege und Analytiker“ den Vorstandsvorsitz. Aufsichtsratsmitglied Horst Lischka, Münchener IG-Metall-Chef, erwartete vom neuen Chef „Führungskompetenz und klare Positionierung nach innen und außen“.

Das liest sich ein wenig wie ein Katalog dessen, was man an Krüger vermisste. Zu wenig Mut, zu viel Zögerlichkeit und Kooperation im Führungsstil, zu leises Auftreten – diese Vorwürfe gegen den scheidenden Vorstandschef sprechen aus den wohl abgewogenen Erklärungen. Tatsächlich ist Krüger, der seine Position zum 15. August abgibt und aus dem Vorstand ausscheidet, wohl der zurückhaltendste und leiseste unter den deutschen Automobil-Topmanagern gewesen.

Uneitel, aber durchsetzungsstark

Nachfolger Zipse wird nicht ins andere Extrem verfallen. Der seit 2015 als Produktionsvorstand dem BMW-Führungsgremium angehörende geborene Heidelberger gilt als uneitel, aber auch als durchsetzungsstark. Er bietet das Erscheinungsbild eines Gentlemans. Das ist eine Mischung, an welcher der Hauptaktionärsfamilie Quandt gelegen ist. Hemdsärmelige Raubauze passen weder zum Understatement des Geldadels noch zum noblen Image des Premium-Herstellers. Die Sehnsucht nach einem „Alpha-Tier“ aber ist unverkennbar.

Zipse war bei BMW bisher Produktionsvorstand. In einer Regierung würde man den Zuständigkeitsbereich als „Kernressort“ bezeichnen. Der gelernte Informatiker und Maschinenbauer hatte 30 BMW-Werke auf vier Kontinenten zu managen. Auch Zipses Vorgänger Norbert Reithofer und Harald Krüger kamen aus diesem Ressort an die Spitze.

Krüger Erfolglosigkeit vorzuwerfen, ist nicht sehr fair. In den ersten Jahren seiner Führung lief der BMW-Motor noch auf Vollgas, die Zahlen konnten sich sehen lassen, und auf den BMW-Hauptversammlungen herrschte überwiegend eitel Sonnenschein, zumal es bei den Münchenern keine Betrügereien mit Abgasmanipulationen gab. Doch im Zuge der Krise um Klimaschutz und Dieselabgasen stieg die Unsicherheit. Die operative Umsatzrendite, eine zentrale Größe für die Profitabilität eines Unternehmens, sank von 9,7 Prozent Anfang 2018 auf deutlich unter sieben Prozent.

Ausgerechnet zur letzten Jahreshauptversammlung musste Krüger dann den ersten Quartalsverlust seit zehn Jahren verkünden: Rückstellungen für eine erwartete Geldbuße der EU-Wettbewerbskommission ließen Umsatzrendite und operatives Ergebnis für das erste Quartal 2019 ins Minus rauschen. Grund war zwar ein „Sondereffekt“, doch die Stimmung war gedrückt.

Produktion im Umbruch

Welchen Weg Zipse als neuer Chef einschlagen wird, ist zumindest in Sachen Produktion ziemlich klar: Die Strategie, von Grund auf anders konstruierte Elektroautos wie den i3 in einer solitären Anlage zu produzieren, ist bereits so gut wie aufgegeben. Stattdessen sollen alle volumenstarken Modelle mit allen vier Antriebsarten (Benzin, Diesel, Hybrid und batteriebetrieben) angeboten werden.

Alle großen BMW-Werke will das Unternehmen damit in die Lage versetzen, Autos mit allen Antriebstechniken herzustellen – und zwar flexibel je nach Nachfrage. Derzeit kümmert sich Zipse um einen entsprechenden Umbau des Stammwerks in München.

Macher ist Zipse längst, jetzt muss er sich zusätzlich auch noch die Rolle des Visionärs, am besten noch die des Wahrsagers, aneignen und voraussehen, wie sich BMW angesichts des größten Umbruchs in der Geschichte der Branche behaupten kann. Gemunkelt wird, dass man sich in München stärker auf die Wasserstofftechnologie konzentrieren könnte. Seit längerem schon kooperiert BMW auf dem Gebiet der Brennstoffzellen-Forschung mit Toyota.

Wurzeln in der Region

Der künftige BMW-Chef Oliver Zipse (55) wurde in Heidelberg geboren.

Er wuchs in Bensheim auf und machte dort 1983 am Alten Kurfürstlichen Gymnasium sein Abitur.

Sein Studium in den USA und an der TU Darmstadt schloss er 1991 als Diplomingenieur im Fach „Allgemeiner Maschinenbau“ ab.

Seit 2015 sitzt Zipse bei BMW im Vorstand, dessen Vorsitz er im August übernehmen soll.

Der 55-Jährige ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. red

Korrespondent

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