Tourismus

Schön kühl hier: Schweden wird zum neuen Italien

Schwitzt du noch - oder urlaubst du schon? Schweden liegt als Soomerurlaubsziel im Trend. Ein Experte führt das auf den Klimawandel zurück und erklärt, ab welcher Hitze die Komfortzone endet

Von 
Miguel Sanches
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Blick auf Ulvön: Mehr Schweden passt kaum auf ein einzelnes Bild. © Roswitha Bruder-Pasewald/dpa-tmn

Berlin. Nach den Hitzewellen 2023 in Südeuropa zieht es deutsche Urlauber verstärkt in den kühlen Norden. Für die Ferienhausplattform FeWo-direkt zeichnet sich für 2024 ab, dass die schwedische Provinz, dass Skåne, Kronoberg oder Kalmar genauso heiß begehrt sind wie der Gardasee, Mallorca oder Schleswig-Holstein. Für Juli liege die Verfügbarkeit „teilweise schon bei unter 50 Prozent“, teilte das Unternehmen mit.

Die hohen Belegungsraten in Schweden könnten durchaus eine Folge der Hitzewellen in Südeuropa im Sommer 2023 sein“, vermutet FeWo-direkt-Manager Wolfgang Pagl. Bereits im vergangenen Jahr sei das Interesse an Skandinavien gestiegen. „Es scheint, als möchten sich in diesem Jahr viele Familien von vorneherein ein Urlaubsdomizil im kühleren Norden sichern“, erklärte er dieser Redaktion.

In Frankreich boomt der Norden

Harald Zeiss forscht an der Hochschule Harz in Wernigerode mit den Schwerpunkten Nachhaltigkeit und internationaler Tourismus. Er denkt, dass der Klimawandel in zunehmendem Maße Einfluss auf die Entscheidungen von Reisenden hat. „Die steigenden Temperaturen und die Extremwetterereignisse, wie die von Ihnen erwähnten Hitze und Waldbrände im Mittelmeerraum, führen dazu, dass Urlauber künftig andere Reiseziele in Betracht ziehen“, sagte er dieser Zeitung.

Beim Wetter ist extrem das neue Normal. Touristen passen sich an, nicht nur in Deutschland, sondern auch im übrigen Europa, ja bereits weltweit. Die „New York Times“ berichtet, dass Amerikaner, die im Sommer europäische Städte besuchen wollen, bereits im vergangenen Jahr vermehrt kurzfristig umgebucht haben: statt Rom lieber Amsterdam.

Diese Luftaufnahme zeigt «Le Mont-Saint-Michel» im Wattenmeer der Normandie. Der Norden Frankreichs boomt als Tourismusregion. © Damien Meyer

In Frankreich boomt der Norden. Das muss laut dem Branchenverband Institut Français du Tourisme nicht heißen, dass die Franzosen nicht mehr in den Süden fahren. Vielmehr würde sich die Verteilung der Urlauber über das Jahr gesehen verändern, erläuterte Verbandspräsident Jean-Luc Michaud. In der Hochsaison Juli und August sei ein Rückgang an Buchungen im Süden zu verzeichnen. Die Nebensaisonmonate Mai und Juni, zunehmend auch September und Oktober würden dort aber immer attraktiver für Urlauber.

Ob Nordfrankreich 2023 oder Schweden 2024, das Reiseverhalten wandelt sich. Von heute auf morgen werden sich die Tourismusströme nicht ändern. Wissenschaftler Zeiss sagt: „Nicht alle auf einmal und nicht alle mit dem gleichen Ziel - aber das Umdenken findet schon seit einigen Jahren statt.“ Es werde durch jede Negativmeldung aus den betroffenen Gebieten angetrieben. „Dieses Umdenken ist ein Teil des sich wandelnden Reiseverhaltens, das durch ökologische Bedenken und persönliche Komfortpräferenzen beeinflusst wird.“

Unterkünfte in Riga oder Edinburgh gefragt

Schweden und generell die nördlichen Regionen profitierten nach seinen Worten von der Entwicklung. Schwitzt du noch - oder urlaubst du schon? Sie böten in den Sommermonaten angenehmere Temperaturen und seien bekannt für ihre unberührte Natur - „und damit das Gegenmodell zu verbauten Küsten mit Hotelanlagen“. Zeiss meint: „Dies passt gut zu dem wachsenden Trend des nachhaltigen Tourismus, bei dem Urlauber nach Destinationen suchen, die sowohl umweltfreundlich als auch weniger überlaufen sind.“ Die zu erwartenden angenehmeren Temperaturen sind dann noch ein zusätzlicher Impuls. Den „Komfortbereich“ definiert Zeiss übrigens „bis maximal 28 Grad“.

Schon 2023 zogen die Sommerbuchungen für Schweden und Norwegen an, ebenso die Suchanfragen nach Ferienwohnungen in Nordspanien oder - bei Städtereisen - nach Unterkünften in Riga in Lettland, Tallinn in Estland und Edinburgh in Schottland. Wenn die Sommer über längere Zeiträume hinweg wärmer werden, sind die Temperaturen insbesondere für Kinder und ältere Menschen immer schwerer zu ertragen. Müssen die südlichen Regionen deshalb mit einem erheblichen Rückgang der Nachfrage rechnen?

Die Bedürfnisse müssen sich nicht einmal ändern. Im Sommer geht es immer noch um Sonne, Strand und Meer. Nur findet man die Bedingungen auch zunehmend woanders, an der Ostsee statt im Mittelmeerraum, in Skandinavien statt Italien, Griechenland und Spanien. Die drei klassischen Tourismusziele litten 2023 unter Hitzerekorden, Dürre und Waldbränden. Griechenland freute sich 2023 über Rekordzahlen - bloß, wie lange noch?

Vorbild Influencer

So naheliegend der Zusammenhang zwischen Erderwärmung und Reiseverhalten ist, für den Trend gen Norden haben die Fachleute von FeWo-direkt noch eine andere Vermutung: „Zusätzliche Impulse kommen aus den sozialen Medien“, sagt Manager Wolfgang Pagl. Zahlreich Influencer und Influencerinnen würden gerade dem sogenannten Vanlife den Rücken kehren. „Vanlife“ heißt übersetzt „Leben im Wohnmobil“ und war eine Zeit lang „in“. Nun legen sich Influencer lieber ein rotes Schwedenhaus zu.

Traditionell buchen die Deutschen Anfang Januar ihren Sommerurlaub. Bei Ferienhäusern und Wohnungen sinkt die Auswahl von Monat zu Monat. Nach einer Analyse von FeWo-direkt gibt es faktisch drei Deadlines. Für Ostern sollte man bis zum 13. Februar buchen, für Pfingsten bis zum 9. März, für die Sommerferien empfiehlt sich das Zeitfenster bis zum 28. April - unabhängig davon, ob jemand nach Schweden reist oder woanders Urlaub macht.

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