Landwirtschaft - BASF bringt erste tränenlose Zwiebel auf den deutschen Markt / Fragen und Antworten zur Sunion

Schluss mit Weinen: BASF bringt tränenlose Zwiebel auf den Markt

Von 
Julius Paul Prior
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Die Sunion soll nicht nur süß und mild schmecken, sondern beim Schneiden vor allem nicht auf die Tränendrüsen drücken. © dpa

Rhein-Neckar. Zwiebelschneiden dürfte schon einige Köche zum Weinen gebracht haben. Dagegen gibt es unzählige Tipps – und jetzt auch eine Zwiebel selbst. Die Landwirtschaftssparte der BASF hat im Februar die erste „tränenfreie Zwiebel“ in Deutschland auf den Markt gebracht. Die Sunion verspricht nicht nur trockene Augen, sondern auch einen süßen und milden Geschmack. Doch spielt das Hauptverkaufsargument tränenfrei überhaupt eine Rolle? Wir haben Köche, Supermärkte, einen Marketing-Experten und Umweltorganisationen zu den Sunions befragt.

Ist die Zwiebel ein Produkt für die Profiküche?

Für die Mannheimer Sterneköche Norbert Dobler und Gregor Ruppental zählt nur eins: der Geschmack. „Als Erstes muss ein Produkt schmecken“, sagt Dobler entschieden. Ob eine Zwiebel ihn zum Weinen bringe oder nicht, sei kein entscheidendes Kaufargument. „Wenn man etwas draus machen kann, dann ist es gut“, fährt er fort. Wie Dobler sagt auch Ruppental, dass erst der Geschmackstest zeige, ob er das Produkt in der Profiküche verwenden würde. Alleine trockene Augen reichen ihm nicht aus. „Die Tränen und das Scharfe machen doch auch den Charme einer Zwiebel erst aus“, ergänzt Ruppental. Erst wenn die Sunion besser schmecke als andere Zwiebelsorten, werde es interessant. „Im Privatbereich ist das vielleicht anders“, sagt der Sternekoch.

Die Entstehung der Sunion

  • Die Gemüsesparte der BASF hat die erste tränenlose Zwiebelart der Welt entwickelt – die „Sunion“.
  • Beim Schneiden werden Zellwände der Zwiebel durchbrochen, sodass enthaltene Stoffe miteinander reagieren. Ein reizendes Gas mit dem Namen Propanthialoxid entsteht.
  • Die Sunion hat einen anderen Stoffwechsel, der diese Reaktion im Endeffekt verhindert, erklärt eine Sprecherin der BASF.
  • Entstanden ist die Sunion über mehr als 30 Jahre hinweg. Dazu wurden je zwei Elternlinien miteinander gekreuzt, bis das gewünschte Ziel erreicht wurde.
  • Bis 2018 lag die Forschung beim Pharmakonzern Bayer. Dann kaufte die BASF deren Saatgutspate auf. 

Wie kommt die Sunion bei Kunden an?

In den USA und Kanada wird die Zwiebel bereits seit 2017 verkauft. Dort habe sich das Produkt laut Angaben der BASF in mehr als 10 000 Supermärkten etabliert. In Deutschland gehe das Unternehmen zunächst mit einer limitierten Zahl an den Markt. Wenn es auch bei den deutschen Verbraucherinnen und Verbrauchern gut ankommt, werde das Angebot vergrößert, heißt es von der BASF.

Einziger Vertriebspartner in Deutschland ist nach eigenen Angaben Rewe. In den USA hat auch Aldi die Zwiebel im Sortiment – in Deutschland habe die Kette nicht vor, Sunions anzubieten. Das teilte das Unternehmen auf Anfrage mit. Bei Rewe sei das Produkt dagegen gut gestartet, heißt es in einer Pressemitteilung: „Die Nachfrage in den ersten Tagen ist schon vielversprechend und deutet darauf hin, dass die ,tränenlose‘ und aktuell noch begrenzt verfügbare Variante den Zuspruch der Verbraucher finden wird.“ Auch in einigen Märkten in der Region seien die Sunions erhältlich, teilte eine Sprecherin von Rewe auf Nachfrage mit. Kostenpunkt: mit 1,59 Euro pro 350 Gramm etwas teurer als andere Zwiebeln.

Sind Kreuzungszüchtungen gefährlich?

Das Einkreuzen verschiedener Pflanzen für den Lebensmittelanbau wird seit Jahrtausenden praktiziert. Ziel war es immer, höhere Erträge zu erzielen, indem die besten Fähigkeiten der verschiedenen Pflanzensorten zusammengebracht wurden. All dies geschieht rein natürlich. Mit Genmanipulation haben Kreuzungszüchtungen also nichts zu tun. Gefahren für Menschen entstehen auch nicht. Für Insekten könnte das anders aussehen.

Es gibt beispielsweise Bienen, die sich auf einheimische Samen spezialisiert haben. Sie bestäuben nur Pflanzen, die von Natur aus in ihrem Lebensraum vorkommen. Auf die Frage, ob gezüchtete Gemüsesorten zur Ausrottung von Insekten beitragen können, können jedoch weder der Naturschutzbund (Nabu) noch Greenpeace antworten. Es fehlten die „tieferen Kenntnisse zu der Züchtung und sich daraus eventuell ergebenden Auswirkungen“, teilt ein Sprecher des Nabu Deutschland auf Anfrage mit.

Werden die Sunions auch regional angebaut?

„Die neue Zwiebelsorte wird aktuell in den USA, Spanien und Italien angebaut“, erklärt eine Sprecherin der BASF. Die Anbaugebiete könnten auf weitere Länder ausgebreitet werden, wenn dies nötig werden solle. Deutschland falle jedoch weg, da hier nicht die benötigten hohen Temperaturen herrschten. Ein regional angebautes Gemüse wird die Sunion im Rhein-Neckar-Gebiet demnach nicht.

Gibt es einen Markt für tränenfreie Zwiebeln?

„Es ist definitiv ein Nischenmarkt“, bewertet Florian Stahl, Professor für Marketing an der Universität Mannheim. Gleich zum Scheitern verurteilt sei die Zwiebel deshalb nicht. Der Grund: Tränenfrei Zwiebeln zu schneiden, ist bequem, und „Bequemlichkeit ist etwas, was sich gut verkauft“, sagt Stahl. Auch gegen den Fakt, dass die Sunions nicht regional angebaut werden, könne dieses Argument ankommen. „Es gibt viele Menschen, denen ist Bequemlichkeit wichtiger als Nachhaltigkeit“, erklärt Stahl. Hinzu komme, dass sich viele Menschen Nachhaltigkeit nicht leisten können – oder dies bei den aktuellen Preisen nicht wollen. Darüber hinaus könne Nachhaltigkeit nicht erlebt werden – beim Zwiebelschneiden nicht zu weinen allerdings schon. Dies erhöhe den Wert der Sunions.

Drei Jahrzehnte Arbeit stecken in der Sunion. Diese Mühe kann Stahl nicht nachvollziehen: „Millionen wird man damit nicht verdienen.“

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