Pharmabranche

Roche hat Angst vor dem Zwangsrabatt

Der weltweit größte Pharma-Konzern kann die hohe Inflation im regulierten Markt nicht weitergeben - und fürchtet sogar Preissenkungen in Deutschland.

Von 
Walter Serif
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Roche-CEO Severin Schwan warnt vor Preisnachlässen für Medikamente in Deutschland. © roche

Mannheim. Wenn Konzern-Bosse Verständnis für Gewerkschaften und Arbeitnehmerinteressen aufbringen, ist in der Regel Vorsicht geboten. Wie zum Beispiel bei Severin Schwan. Der CEO der Roche-Gruppe in Basel redet bei seinem Besuch am Mannheimer Standort recht schnell über die „Inflation, die uns große Sorgen macht“, und fragt rhetorisch: „Was glauben Sie, was in der nächsten Tarifrunde passiert? Natürlich wollen die Leute mehr verdienen. Das ist legitim.“ Normalerweise warnen die Arbeitgeber vor höheren Löhnen, nehmen für sich selbst aber das Recht in Anspruch, ihre höheren Material- und Energiekosten an die Verbraucher weiterzugeben. Die Gewerkschaften dagegen sollen Maß halten, damit die Wirtschaft keinen Schaden nimmt, weil sonst eine Preis-Lohn-Spirale drohen könne. Diese Debatte läuft gerade in der aktuellen Tarifrunde der Metall- und Elektroindustrie.

In der Pharma-Branche ist die Sachlage allerdings anders. Erstens gibt es dort aktuell keine Tarifverhandlungen. Und zweitens „sind in Europa die Preise reguliert, wir können, anders als in den USA, Preise nicht erhöhen. Das ist ein grundsätzliches Problem“, sagt CEO Schwan und schießt sich deshalb gleich auf die Europäische Zentralbank ein. „Ich bin enttäuscht, wie zögerlich sie reagiert. Die hohe Inflation kann die Gesellschaft zerreißen und trifft die Pharma-Industrie besonders“, sagt der gebürtige Österreicher, der laut Wikipedia auch noch einen deutschen und Schweizer Pass hat.

Größter Pharma-Konzern der Welt

  • Die börsennotierte Roche-Gruppe mit Hauptsitz in Basel ist nach dem Umsatz das größte Pharma-Unternehmen der Welt. Roche beschäftigt mehr als 100 000 Mitarbeiter.
  • Die bedeutendste Vergrößerung erfolgte 1997, als Hoffmann-La Roche – so der frühere Firmenname – das Konkurrenzunternehmen Boehringer Mannheim für knapp zehn Milliarden Euro übernahm und in den Konzern eingliederte.
  • Boehringers ehemalige Sparte Diagnostika wurde wesentlicher Bestandteil der Roche Diagnostics GmbH mit einem Standort in Mannheim. Dort arbeiten 8400 Beschäftigte. Damit ist Roche nach eigenen Angaben größter Arbeitgeber in Mannheim.
  • Der zweitgrößte Standort des Konzerns ist der Hauptumschlagsplatz für einen Großteil der Welt. Es mussten während der Pandemie 1,4 Milliarden Corona-Tests verschickt werden.

Dass Roche die Preise trotz der hohen Inflation nicht ändern kann, weiß ein ausgebuffter Profi wie der 54-Jährige. Jammern bringt also nichts. Doch der Pharma-Branche droht zumindest in Deutschland an einer anderen Front Ungemach. „Die Bundesregierung redet davon, die Preise zu senken. Wir sind da offensichtlich im falschen Film“, ärgert sich der CEO und setzt nach: „Davor haben wir große Angst.“

Hagen Pfundner sekundiert ihm. Der Geschäftsführer von Roche Deutschland und Vorstand bei der Roche Pharma bezeichnet sich selbst „gerne als Cheflobbyist in Deutschland“, damit habe er kein Problem, sagt er und erklärt, wovor sich der der größte Pharmakonzern der Welt fürchtet. „Unsere größte Sorge ist, dass sich diese Zwangsrabattgeschichte wiederholt“, verweist Pfundner auf die 2010 erfolgte drastische Erhöhung des gesetzlichen Rabatts von sechs auf 16 Prozent. „Das hat uns damals Hunderte Millionen Euro pro Jahr gekostet“, kritisiert er die „Sondersteuer für hochinnovative Produkte“, die sich nach seinen Angaben negativ auf die Investitionen an den deutschen Standorten ausgewirkt hat.

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Ob Roche tatsächlich die Preise senken muss, ist allerdings noch nicht entschieden – deshalb ist der Cheflobbyist derzeit auf allen Parketten unterwegs. Die Alarmglocken haben bei Roche jedoch schon kurz nach dem Regierungswechsel im vergangenen Jahr in Berlin geschrillt – also bevor die Inflation noch einmal kräftige Sprünge gemacht hat. Die Ampelpartner SPD, Grüne und FDP haben in ihrem Koalitionsvertrag – noch recht vage – festgelegt: „Wir stärken die Möglichkeiten der Krankenkassen zur Begrenzung der Arzneimittelpreise.“

Hintergrund ist der Druck der Krankenkassen auf Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), die ihn aufgefordert haben, ein Sparpaket auf den Weg zu bringen. Der Ausgabenanstieg bei Arzneimitteln habe im vergangenen Jahr mit fast acht Prozent rund ein Drittel über dem durchschnittlichen Anstieg aller Leistungsausgaben der Krankenkassen gelegen, zitiert das RedaktionsNetzwerk Deutschland die Vorständin des Kassen-Spitzenverbands, Stefanie Stoff-Ahnis. Zum Beispiel will der Verband eine Änderung der Preisregulierung für neue Medikamente. Bisher können die Pharmaunternehmen für das erste Jahr nach der Zulassung den Preis beliebig festsetzen, egal wie hoch der zusätzliche Nutzen für die Patienten ist. Die Kassen wollen dieses Privileg ganz streichen. Pfundner weiß natürlich, dass die Pharmabranche nicht ohne Blessuren davonkommen wird. „Wir sind offen für Verhandlungen, aber bitte keine dirigistischen Maßnahmen.“

Interessant ist in diesem Zusammenhang seine Würdigung der Bundesländer. „Wir erleben derzeit eine Renaissance der Gesundheitswirtschaft auf Landesebene“, sagt er und meint damit vor allem Baden-Württemberg und Bayern. Die hätten erkannt, wie wichtig die Branche sei. Für Gesundheitsminister Karl Lauterbach fällt dagegen kein Lob ab.

Redaktion Reporter für Politik und Wirtschaft

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