Kartelle - Regionaler Verkehrsverbund ist überzeugt, zu viel für Schienen gezahlt zu haben, und zieht vor Gericht

RNV klagt auf 10 Millionen Euro

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Matthias Kros
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Über mindestens zehn Jahre hinweg trieb ein vom Kartellamt aufgedecktes Schienenkartell die Preise in die Höhe.

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Mannheim. Die Rhein-Neckar-Verkehr GmbH (RNV) hat vor dem Landgericht Mannheim Klage gegen das sogenannte Schienenkartell rund um den Stahlkonzern ThyssenKrupp eingereicht. Das bestätigte Tobias Weisbrod, Leiter des Bereichs Recht und Versicherungen der RNV, gestern in Mannheim. Insgesamt richte sich die Klage gegen sieben Firmen, bei denen man Schadenersatz in Höhe von 10 Millionen Euro geltend mache. Es gehe um mehr als 100 Neubau- und Instandhaltungsprojekte zwischen 2001 und 2011, bei denen man, so Weisbrod, im Durchschnitt rund 20, teilweise bis zu 40 Prozent zu viel für Schienen, Schwellen und Weichen bezahlt habe.

Hohe Bußgelder verhängt

Das Bundeskartellamt hatte das Schienenkartell 2011 aufgedeckt und zwei Jahre später Bußgelder von 232 Millionen Euro verhängt, rund 191 Millionen Euro entfielen auf ThyssenKrupp. Die beteiligten Stahlhersteller hatten sich nach den Erkenntnissen der Kartellwächter mindestens ein Jahrzehnt lang abgesprochen und überhöhte Rechnungen gestellt. Neben dem Bußgeld kommen auf die Kartellmitglieder nun Schadenersatzforderungen zu. Hauptgeschädigte ist die Deutsche Bahn, die über entsprechende Vergleiche bereits rund 200 Millionen Euro von ThyssenKrupp und dem österreichischen Stahlkonzern Voestalpine erhalten haben soll.

Auch die RNV sei grundsätzlich offen für einen Vergleich mit den Kartellmitgliedern gewesen, sagte Weisbrod. "Wirklich ernsthafte Gespräche in diese Richtung hat es aber nicht gegeben". Man habe vielmehr den Eindruck gehabt, "hingehalten worden zu sein", so der Justiziar. Da zum Monatsende hin eine Verjährung der Angelegenheit drohe, habe man sich entschieden, Klage einzureichen.

Diese habe man über einen Zeitraum von rund zwei Jahren hinweg vorbereitet, sagte Weisbrod. Schließlich sei es überaus komplex, in jedem einzelnen Fall zu beziffern, wie viel die RNV ohne die Kartellabsprachen für die Schienen hätte zahlen müssen. "Das müssen wir aber vor Gericht nachweisen", so Weisbrod. Deshalb habe man mit dem erfahrenen Institut für angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen zusammengearbeitet, das auf Basis verschiedenster Vergleichsdaten ein entsprechendes Gutachten erstellt habe, welches man nun beim Mannheimer Landgericht eingereicht habe. In dem erwarteten Verfahren werde man sich von der auf Wirtschafts- und Kartellrecht spezialisierten Stuttgarter Rechtsanwaltskanzlei Oppenländer vertreten lassen.

"Die Preisabsprachen sind überaus ärgerlich", schimpfte der Justiziar gestern. Schließlich würden die öffentlichen Mittel für Infrastrukturmaßnahmen ohnehin schon immer weiter zurückgefahren. "Und wenn dann noch Kartelle die Preise nach oben treiben, tut das natürlich doppelt weh." Eigentümer der RNV sind die Städte Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg. Investiert in Infrastruktur werden laut Weisbrod jährlich zwischen 50 und 80 Millionen Euro. Geht es um Maßnahmen zur Instandhaltung, etwa einen Austausch von Gleisen, schultert die RNV die Kosten selbst, bei Neubauten kommen Landesmittel hinzu. Ein Schaden durch die Kartelle sei somit auch dem Land Baden-Württemberg entstanden, das seine Rechte in den zur Debatte stehenden Fällen aber an die RNV abgetreten habe.

"Wir vertrauen unserem Gutachter und sind sicher, dass wir den Schaden nachweisen können", zeigte sich Weisbrod gestern optimistisch. Allerdings sei auch klar, dass die Klage "kein Spaziergang" werde. "Wir stellen uns auf eine Verfahrensdauer von anderthalb bis zwei Jahren ein und möglicherweise auch einen Gang durch mehrere Instanzen."

Das ist die RNV

Die RNV ist das siebtgrößte Nahverkehrsunternehmen Deutschlands. Sie betreibt die Stadtbahn-, Straßenbahn- und Buslinien in Mannheim, Heidelberg und Ludwigshafen. Darüber hinaus ist sie auch im südhessischen Raum mit ihrem Tochterunternehmen, der V-Bus GmbH, präsent.

Mit rund 200 Kilometer Schiene verfügt das Unternehmen über eines der längsten zusammenhängenden Netzte Deutschlands. Dazu gehören mit den Linien 4 und 5 auch zwei Eisenbahnstrecken.

Gesellschafter sind anteilig die Städte Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg. Die RNV beschäftigt über 1900 Mitarbeiter, Hauptsitz des Unternehmens ist Mannheim.

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