Spekulative Geschäftsmodelle

Regionalbanken: Risiko durch fehlende Expertise?

Kleine Banken gerieten zuletzt vermehrt in Schieflage. „Sie bewegten sich weit weg von ihrem Kerngeschäft“, meint ein Experte. Wo die Gründe dafür liegen.

Von 
Sabine Rößing
Lesedauer: 
Der Stützungsfonds der genossenschaftlichen Finanzgruppe musste im Vorjahr rund 500 Millionen Euro aufbringen, um Mitgliedsinstitute aufzufangen. © picture alliance/dpa

Frankfurt. Überdimensionierte Immobilienkredite, Beteiligungen an einer Wasserquelle in Griechenland, verschwundene Gelder eines französischen Modelabels, ehrgeizige Fußballgeschäfte mit Promi-Unterstützung – in den vergangenen Monaten klangen einige Schlagzeilen im Zusammenhang mit regionalen Bank-Schieflagen zuweilen ziemlich bizarr.

Besonders heftig traf es zuletzt die genossenschaftliche Finanzgruppe. Deren Stützungsfonds musste im vergangenen Jahr rund 500 Millionen Euro aufbringen, um Mitgliedsinstitute aufzufangen. Die Bürgerinitiative Finanzwende attestiert spekulative Geschäftsmodelle statt regionalem Banking und fordert: „Back to Bodenständigkeit“.

Kleine Banken, große Risiken: Chef der Bankenaufsicht warnt

Es trifft aber nicht nur Genossenschaftsbanken. Die auf die Finanzierung von Gewerbeimmobilien spezialisierte Obotritia-Bank musste 2024 Insolvenz anmelden. Zu den Gläubigern des zerbröselnden Immobilienimperiums von René Benko zählen dem Vernehmen nach mehr als ein halbes Dutzend Sparkassen aus unterschiedlichen Bundesländern.

Ratgeber Geld

Für wen sich ein kostenloses Girokonto lohnt – und für wen nicht

Veröffentlicht
Von
Sabine Rößing
Mehr erfahren

Was Beobachter besonders irritiert, ist der Umstand, dass kleine Banken teilweise unverhältnismäßig großen Schaden anrichten. Das besorgt unter anderem den Chef der deutschen Bankenaufsicht BaFin, Mark Branson. Die Schuld an den sich häufenden Ausfällen sieht er weniger im schwierigen Wirtschaftsumfeld, Unternehmen hätten vielmehr Geschäfte gemacht, deren Risiken sie nicht verstanden: „Sie haben sich bisweilen verzettelt oder bewegten sich weit weg von ihrem Kerngeschäft“, kritisierte Branson Anfang Mai.

„Nicht immer ausreichend Expertise“ in Aufsichtsgremien regionaler Banken

Ähnlich sieht es der bei der Bundesbank für Finanzaufsicht und Finanzstabilität zuständige Vorstand Michael Theurer: „Leider zeigen unsere Erfahrungen, dass die Governance-Qualität oftmals unzureichend ist und bleibt“, kritisiert er. Im Fokus beider Bankenaufseher stehen dabei auch die Bank-Kontrollgremien: „Es gibt unter anderem Bedenken, dass gerade in kleineren, regional organisierten Instituten nicht immer ausreichend fachliche Expertise im Aufsichtsorgan vertreten ist“, sagt Theurer.

Zusammensetzung von Verwaltungsräten

Die Mitglieder von Sparkassen-Verwaltungsräten werden von den Trägern der Sparkasse (meist Städten, Gemeinden oder Landkreisen) entsandt. Darunter können auch externe Sachverständige oder Menschen mit Wirtschaftserfahrung sein. Ein Drittel der Mitglieder sind Vertreter der Beschäftigten.

Die genaue Zusammensetzung hängt von der jeweiligen Satzung und dem Sparkassengesetz des Bundeslandes ab.

Die Mitglieder des Verwaltungsrats von Genossenschaftsbanken werden von den Genossenschaftsmitgliedern gewählt. Sie vertreten die Interessen der Mitglieder und überwachen die Geschäftsführung.

Die genaue Zusammensetzung variiert je nach Satzung der jeweiligen Genossenschaftsbank.

Zu den Maßgaben an Verwaltungs- und Aufsichtsräte formuliert die BaFin in einem Merkblatt unter anderem, die Mitglieder von Verwaltungs- oder Aufsichtsorganen müssten zuverlässig sein, die erforderliche Sachkunde besitzen und der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ausreichend Zeit widmen können. Bank-Spezialkenntnisse sind keine Voraussetzung. In den vergangenen Jahren seien die Anforderungen an Verwaltungsräte gestiegen, betont der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Dennoch gelinge es den Sparkassen, ihre Gremien mit kompetenten Mitgliedern zu besetzen. Außerdem verweist der Sparkassenverband auf verpflichtende Schulungen.

Anforderungen an Qualifikation für Aufsichtsräte kleinerer Banken geringer

„Von Aufsichtsorganen regionaler Genossenschaftsbanken oder Sparkassen wird eine gewisse Bodenhaftung erwartet. Sie sollen ihre Region und die wichtigen Akteure darin gut kennen. Sie sollten gute Lagen von schlechten unterscheiden und einschätzen können, wer seriös arbeitet“, erklärt Hans-Peter Burghof, Professor an der Universität Hohenheim, der sich intensiv mit dem Thema Bankenregulierung beschäftigt. Seiner Beobachtung nach schreiten Aufsichtsräte oft aus Unsicherheit zu spät ein. Problemfälle würden zu lange laufen gelassen. „Wer wirksame Aufsichtsräte möchte, muss ihr Selbstbewusstsein stärken“, fordert er deshalb.

Die Qualifikationsanforderungen an Aufsichtsräte für kleinere Regionalbanken seien geringer als die an Aufseher großer Institute mit nationaler Relevanz, sagt Burghof. „Das ist proportional zum möglichen Risiko und daher angemessen.“ Die Risiken bei einer global agierenden Großbank seien größer, die Finanzprodukte meist komplexer, Risikoanreize und der mögliche Schaden um Vieles höher.

Die Präsidentin des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Marija Kolak, hat Reformen angekündigt: Die genossenschaftliche Solidargemeinschaft dürfe kein Freifahrtschein für riskante Geschäfte sein, sagt Kolak und verspricht Bemühungen, das Risikobewusstsein zu schärfen, Probleme früher zu identifizieren und Informationen besser zu teilen.

Kleinere Institute durch Bürokratie und Vorgaben überfordert?

Ein Problem für die Wirksamkeit von Aufsichtsgremien sieht Burghof in einer zunehmenden juristischen Formalisierung. Aufsichtsräte bestätigten, dass Vorgänge formal in Ordnung sind. „Dabei sollten sie sich mit den elementaren Fragen beschäftigen: Was ist die Aufgabe einer (Regional-)Bank und was nicht? Welche Dinge muss ich hinterfragen, wo setzen wir falsche Anreize?“

Das demokratisch legitimierte Auswahlverfahren sei Ausdruck der kommunalen Selbstverwaltung und verdiene Schutz, betont der DSGV. Die Besetzung der Verwaltungsräte liege überdies verfassungsgemäß in der alleinigen Verantwortung der kommunalen Träger. „Weder der DSGV noch die regionalen Sparkassenverbände greifen in diesen Prozess ein.“

Finanzexperten und BaFin befürchten zugleich eine Überforderung kleinerer Institute durch übertriebene bürokratische und regulatorische Vorgaben. „Aufsichtsrechtliche Fixkosten sind zu einem wesentlichen Treiber für Zusammenschlüsse geworden“, mahnt Burghof. „Größere Einheiten sind aber nicht automatisch sicherer.“

Autor

Copyright © 2025 Mannheimer Morgen

VG WORT Zählmarke