Spielzeug oder Kleidung aus China, Kopfhörer und Ladekabel aus Großbritannien, Smartphones und Schuhe aus den USA: Der Einkauf in Onlineshops in Drittländern außerhalb der Europäischen Union hat sich auch bei deutschen Verbrauchern etabliert - in vielen Fällen lässt sich Geld sparen. Doch nun droht den Kunden eine böse Überraschung: Auch für kleinere Warenbestellungen aus Nicht-EU-Staaten sollen sie künftig Zollgebühren bezahlen. Das plant die EU-Kommission mit einem Gesetz zur Zollreform, der Entwurf wurde am Mittwoch beschlossen. Die bisherige Freigrenze von 150 Euro Warenwert soll demnach entfallen.
Kleine Elektrogeräte beliebt
Unter 150 Euro Warenwert mussten Kunden bislang lediglich die Einfuhrumsatzsteuer berappen, aber keine Zollgebühren - außer für Tabakprodukte, Parfüm und Alkohol. Zu den beliebtesten Produktkategorien beim Einkauf in Drittstaaten zählen neben kleineren elektronischen Produkten Bekleidung, Arzneimittel und Spielwaren. Insgesamt eine Milliarde Pakete mit solchen kleineren E-Commerce-Einkäufen gelangen jedes Jahr in die EU, mehrere hundert Millionen solcher Käufe sind es nach Schätzungen allein in Deutschland. Doch die EU-Kommission klagt über ein „Schlupfloch“, das jetzt geschlossen werden soll: Bislang werde die Freigrenze missbraucht, indem Händler die bestellte Ware in kleinere Tranchen verpackten, stückweise zu unter 150 Euro, wie EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni in Brüssel erklärte. Und bei bis zu 65 Prozent der Pakete würden die Händler beim angegebenen Wert schummeln, um den Einfuhrzoll zu vermeiden.
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EU rechnet mit einer Milliarde Euro, die in die Kasse fließen. Mit der Reform werden die Verbraucher in der Europäischen Union nach groben Schätzungen rund eine Milliarde Euro im Jahr zusätzlich bezahlen, die direkt in die EU-Kasse fließen. Im Gegenzug verspricht die Kommission Erleichterungen im Verfahren: Künftig sollen die Online-Händler verantwortlich dafür sein, dass für ihre Waren Zölle und Mehrwertsteuer abgeführt werden. Sie müssen laut Kommissionsentwurf auch zeigen, dass die Produkte EU-Standards entsprechen.
In welcher Höhe Zoll fällig wird, hängt vom Produkt ab: Bislang werden etwa für Autoteile in der EU bis zu 4,5 Prozent als Zuschlag auf den Warenwert verlangt, für Lederbekleidung 4 Prozent, für Textilien bis zu 12 Prozent, für Kosmetik bis zu 6,5 Prozent, für Schuhe aus Leder bis zu 8 Prozent und ohne Leder 17 Prozent, für Schmuck 2,5 bis 4 Prozent, für Fahrräder 14 Prozent - andere Waren wie Laptops, CDs und CD-Player oder Smartphones sind aber zollfrei. Künftig sollen die Händler aber alternativ auch ein vereinfachtes Vier-Stufen-System wählen können: Mit Zollsätzen von 5 Prozent etwa für Spielzeug, 8 Prozent zum Beispiel für Seidenprodukte oder Keramik, 12 Prozent unter anderem für Lederhandtaschen und Kleidung und 17 Prozent für Schuhe.
Geben Händler Kosten weiter?
Mit dem Vier-Stufen-Modell würde sich der Preis einer Handtasche von 130 auf etwa 145 Euro erhöhen, die Schuhe für 125 Euro würden um 21 Euro teurer - wenn der Händler die Zusatzkosten an den Kunden weitergibt, womit in vielen Fällen zu rechnen ist.
Kritik am Kommissionsvorstoß kommt vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK): Bei der geplanten Abschaffung der Zollgrenze für Kleinsendungen werde übersehen, dass die Kosten höher wären als die Einnahmen, klagt DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier.
Zugleich würden notwendige Verschlankungen des Zollrechts nicht angegangen, der überkomplexe EU-Zolltarif werde nicht vereinfacht: „Eine praxisnahe EU-Zollreform mit Fokus auf Bürokratieabbau und Digitalisierung für die auslandsaktiven Betriebe wäre von großer Bedeutung. Leider ist davon in der EU-Zollreform nicht viel zu sehen“, sagt Treier. „Wir brauchen keine neuen bürokratischen Hürden“ Gegen den Wegfall der Freigrenze ist auch der Chef der deutschen CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, Daniel Caspary: „Wir brauchen keine neuen bürokratischen Hürden, die unnötige Mehrarbeit schaffen“, sagt er.
EU-Kommissar Gentiloni betont dagegen, Ziel des Eingriffs sei auch eine bessere Kontrolle, ob importierte Produkte den EU-Standards etwa für Sicherheit und Umweltschutz entsprechen. Bislang, so klagt die Chefin des Verbraucherschutz-Ausschusses im EU-Parlament, Anna Cavazzini (Grüne), würden wegen der Zoll-Freigrenzen in der EU immer mehr einzeln verpackte Waren aus Drittstaaten unkontrolliert an die Haustür geliefert, die nicht die EU-Standards erfüllten.
Handelsvolumen enorm gestiegen
Die Ausweitung der Zollpflicht steht eigentlich aber gar nicht im Zentrum der Reform: Kern ist ein datengestützter Ansatz für die Einfuhrüberwachung mit dem Aufbau einer zentralen, EU-weiten Zollbehörde. Die Behörde soll ein „Datendrehkreuz“ aufbauen und unterhalten, das den Informationsaustausch der Mitgliedstaaten verbessern und die Zollverfahren vereinfachen soll.
Damit will die EU-Kommission nach eigenen Angaben auf den Druck reagieren, dem die Zollbehörden durch den enormen Anstieg des Handelsvolumens vor allem im E-Commerce ausgesetzt seien.
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