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Ökonom Heinemann erwartet gespaltene Inflationsentwicklung: Löhne steigen, Dienstleistungen werden teurer

ZEW-Ökonom Friedrich Heinemann Ökonom Friedrich Heinemann prognostiziert gespaltene Inflationsentwicklung - Was das für Deutschland und die EZB bedeute

Von 
Sabine Rößing
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Die starken Preiserhöhungen bei Energie oder Lebensmitteln liegen etwa ein Jahr zurück – Grund zur Entwarnung sieht ZEW-Experte Friedrich Heinemann aber nicht. © dpa

Mannheim. Herr Heinemann, die Inflation in Deutschland ist zuletzt gesunken. Wie stabil ist diese Entwicklung wirklich?

Friedrich Heinemann: Die Welle der sehr starken Preiserhöhungen bei Energie und Lebensmitteln liegt jetzt etwa ein Jahr zurück. Weil wir bei der Inflationsmessung die Preise heute mit vor einem Jahr vergleichen, fallen diese Erhöhungen jetzt allmählich aus der Statistik heraus. Das erklärt, dass jetzt auch in Deutschland die Inflationsrate absacken wird. Aber bis zur alten Preisstabilität ist es trotzdem noch ein langer Weg. Denn jetzt steigen aus guten Gründen die Löhne, um die Menschen für ihre hohen Kaufkraftverluste zu entschädigen. Damit schwingt die Inflation noch lange nach. Daher rechne ich mit einer gespaltenen Entwicklung in der nächsten Zeit: Die Inflation insgesamt fällt, aber Dienstleistungen von Handwerkern bis zum Reisen werden eher noch teurer. Dinge wie das Deutschlandticket haben allenfalls einen kurzfristig dämpfenden Einfluss, können den Inflationsdruck aber nicht wirklich verringern.

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Wie steht Deutschland da im Vergleich mit anderen EU-Ländern wie Spanien oder Italien?

Heinemann: Deutschlands Inflation liegt etwas über dem EU-Durchschnitt und auf dem gleichen Niveau wie in Italien. In Spanien hingegen herrscht schon wieder mit einer Inflation von unter zwei Prozent Preisstabilität. Aber Spanien war auch nicht wie Deutschland und Italien vom Gaspreisschock nach dem russischen Lieferstopp getroffen. Außerdem sollte man die Situation in Spanien nicht verklären – die Reallohnverluste waren dort besonders hoch.

Wie ist die Situation in Großbritannien?

Heinemann: Auch in Großbritannien fällt die Inflation, sie ist aber immer noch höher als in Deutschland. Diese höhere Inflation ist auch ein Preis, den die Briten für den Brexit zahlen. Höhere Zölle und ein zeitweilig schwaches Pfund haben die Preise für Importe in die Höhe getrieben.

Experte für Geldpolitik



  • Friedrich Heinemann ist (geboren 1964 in Düsseldorf) ist Spezialist für Geldpolitik.
  • Der Volkswirt leitet den Forschungsbereich Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft am Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). was (Bild: zew)

Wie sollte sich die EZB jetzt verhalten? Sind weitere Zinsschritte über den Juli hinaus notwendig?

Heinemann: Ich denke, dass die EZB nach ihrem nächsten Zinsschritt erst mal eine Pause einlegen könnte. Wichtiger als noch höhere Zinsen ist der Bilanzabbau. Immer noch hängen die hoch verschuldeten Staaten der Eurozone ja am Tropf der EZB, die billionenschwere Bestände an Staatsanleihen in der Bilanz hat. Das sollte vorsichtig, aber stetig zurückgefahren werden. Im Übrigen sollte man bei Inflation auch den schwarzen Peter nicht immer nur der Zentralbank zuschieben: Auch die Finanzminister müssen durch einen rascheren Abbau hoher Defizite die Voraussetzung für stabile Preise schaffen. Denn die hohe Inflation der letzten beiden Jahre ist auch das Resultat zu großer und wenig zielgenauer Krisenpakete, die mit hohen Schulden bezahlt wurden. Das hat alles die Inflation stark angeheizt.

Sollten Europas Regierungen der sich abzeichnenden Rezession mit Steuervergünstigungen für Unternehmen – Stichwort Industriestrompreis – begegnen?

Heinemann: Nein. Ein subventionierter Industriestrompreis ist keine sinnvolle Konjunkturstützung. Europa und Deutschland müssen an den langfristigen Standortfaktoren arbeiten. Das heißt Regulierungslasten senken, die Infrastruktur verbessern und mehr öffentliches Geld vom Konsum in die Investitionen stecken. Unternehmen werden in Deutschland aber tatsächlich so hoch besteuert wie sonst nur in wenigen anderen Industrieländern, da sind auf Dauer Korrekturen nötig, zumal der deutsche Standort mit seinen vielen Schwächen so hohe Steuern kaum noch rechtfertigen kann.

Wann wird die Inflation besiegt sein?

Heinemann: Es ist nicht klar, ob wir sie in den nächsten Jahren völlig besiegen können. Die Inflation wird zwar jetzt weiter sinken. Ich rechne aber nicht unbedingt mit einer Rückkehr zur alten Preisstabilität unter zwei Prozent. Die Wünsche der Wählerschaft an privaten Konsum und öffentliche Leistungen übersteigen bei weitem die zukünftigen Produktionsmöglichkeiten – das wirkt dauerhaft inflationär.

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