Frankfurt. Mitte des Sommers startete die Europäische Zentralbank (EZB) einen viel beachteten europaweiten Pitch: Die Notenbanker sammeln Designideen für neue Euro-Banknoten – eine dritte Serie für das Eurosystem. Auf den Markt kommen werden die neuen Scheine vermutlich frühestens 2028, auch wenn der EZB-Rat Ende 2026 oder Anfang 2027 grünes Licht geben sollte. Selbst für an umfangreiche Planungs- und Vorbereitungszeiten gewöhnte Europäer klingt das nach einem langen Vorlauf. Der Experte für Banknotenentwicklung bei der Bundesbank, Rainer Elm, erklärt, warum das so ist.
Wer ist von der Einführung neuer Euro-Scheine betroffen?
Viele Branchen wie Kreditwirtschaft, Einzelhandel, Automatenhersteller oder das Transportgewerbe stehen vor der Aufgabe, sich technisch auf neue Sicherheitsmerkmale und Standards einrichten. Und natürlich müssen die neuen Banknoten auch erst einmal produziert werden.
Welche Einführungsszenarien gibt es?
Wie groß der Aufwand wird, hänge nicht zuletzt davon ab, wie viele Banknoten zum gleichen Zeitpunkt in Verkehr gebracht werden sollen, erklärt Elm. Zwei mögliche Einführungsszenarien gibt es: Von einem „Big-Bang“-Szenario sprechen Zentralbanker, wenn alle Nennwerte einer Banknotenserie gleichzeitig auf den Markt kommen. Dafür müsse der benötigte Bedarf an neuen Banknoten vorproduziert werden. Das andere Szenario sieht eine zeitlich gestaffelte Einführung mit unterschiedlichen Nennwerten vor. Dieses Vorgehen erfordere einen deutlich geringeren Vorlauf, erklärt Elm. Allerdings können Geldautomaten und andere Bargeld-Akzeptanzstellen in der Regel nicht mehr als zwei Schein-Serien parallel bewältigen. Noch heute sind vereinzelt Euro-Banknoten der ersten Serie seit der Einführung des Euro im Jahr 2002 im Umlauf. Auch wenn sie nicht mehr produziert werden, sind sie weiterhin gültig.
Wer steuert die Planung?
Für die Kalkulation der benötigten Menge an neuen Scheinen liefern die nationalen Zentralbanken Einschätzungen an die EZB, die dann eine zentrale Prognose erstellt. Die Menge müsse reichen, um einerseits nicht mehr gebrauchsfähige Scheine zu ersetzen und – wenn nötig – auch einen gestiegenen Bargeldbedarf decken zu können, erklärt Elm. Damit es nirgendwo zu Engpässen oder Überschüssen kommt, steuert die EZB die Verteilung.
Wer produziert die neuen Euro-Scheine und wie viele?
Gleiches gilt für die Produktion selbst: Auch hier weist die europäische Notenbank mehreren nationalen Zentralbanken ein Produktionsvolumen zu. Die trägt dann auch die Herstellungskosten für die ihr zugewiesene Quote. Im Durchschnitt kostet die Herstellung einer Euro-Banknote nach Angaben der EZB zwischen sieben bis zehn Cent. Für die Erstausstattung mit allen Banknoten müssten im Falle eines „Big Bang“ in Deutschland zwischen sechs und acht Milliarden Banknoten gedruckt werden, schätzt Elm. Jeder Geldschein wiege etwa ein Gramm. Für eine Milliarde Geldscheine würden etwa 1 000 Tonnen Papier benötigt. Hergestellt werden die Banknoten nach Darstellung der Bundesbank in elf Hochsicherheits-Druckereien in ganz Europa.
Manche Euroländer hätten staatliche Druckereien, die sie beauftragen. Andere, darunter Deutschland, schrieben Aufträge aus, beschreibt Elm. Um effizienter arbeiten zu können, täten sich ausschreibende Länder zusammen, Deutschland aktuell etwa mit Kroatien, Litauen und Lettland. Die Bundesbank arbeite mit vier Druckereien zusammen, die eine Lizenz des Eurosystems haben, Banknoten zu drucken, sagt Elm. Eine davon ist die in Berlin ansässige Bundesdruckerei, die dem Staat gehört und neben Banknoten beispielsweise auch Ausweisdokumente druckt. Sie habe aber gegenüber den anderen Vertragspartnern keine Sonderstellung.
Welche Auflagen gibt es für das Drucken von Geldscheinen?
Gedruckt wird auf reinem Baumwollfaserpapier: Die Geldscheine sollen sich griffig anfühlen und widerstandsfähig sein. Möglichst jeder muss mit ihnen zurechtkommen. Bei der Herstellung der Geldscheine kommen nach Erklärung der Bundesbank verschiedene Druckverfahren und Spezialdruckfarben zum Einsatz: Offset- und Stichtiefdruck, Heißprägeverfahren für das Hologramm und Siebdruck für die Zahlen mit Farbwechsel. Wasserzeichen und der Sicherheitsfaden werden direkt bei der Papierproduktion eingearbeitet.
Die eingesetzten Sicherheitstechnologien müssen kontinuierlich weiterentwickelt werden, denn auch Fälscher rüsten technisch auf. Eine spezielle Abteilung bei der Bundesbank, das Nationale Analysezentrum für Falschgeld, beobachte kontinuierlich, wie Fälscher arbeiten, um angemessen auf die Bedrohung reagieren zu können, sagt Elm. Der technische Vorsprung bei den Sicherheitselementen müsse bei der Einführung einer neuen Serie groß genug sein, um mindestens zehn bis 15 Jahre vorzuhalten.
Wer kontrolliert die Qualität?
Mehrere Hundert manuelle und automatische Qualitätstests sollen nach Erklärung der EZB sicherstellen, dass die produzierten Banknoten identisch sind – unabhängig davon, wo sie gedruckt wurden. Kleinste Fehler führen zu Problemen bei Prüf- und Sortiergeräten, Geldautomaten oder Zählmaschinen. Entsprechend akribisch müssen sich Banken, Einzelhandel, Transportunternehmen oder Automatenhersteller vorbereiten. Die Software von tausenden Kassensystemen, Ticket-, Park- oder Getränkeautomaten muss auf die neuen Sicherheitsmerkmale umgestellt und getestet werden. Mitarbeiter müssen geschult und Kunden informiert werden.
Was kostet die Einführung?
Den deutschen Einzelhandel kostete allein die Umstellung auf neue 50-Euro-Scheine im Jahr 2017 nach eigenen Angaben einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Entsprechend teurer würde der Prozess bei einer kompletten Geldscheinserie. Die EZB argumentiert allerdings, dass die neue Serie langfristig effizienter und fälschungssicherer sei. Das könne auch zu Einsparungen bei Sicherheitsmaßnahmen führen.
Was passiert mit aussortierten Banknoten?
Banknoten, die die Automaten als nicht mehr verwendungstauglich ausmachen, werden in sehr kleine Schnipsel geschreddert und in der Regel verbrannt. In Ausnahmefällen fänden sie auch eine andere Verwendung, etwa bei der Herstellung von Asphalt, erklärt Elm. Untersagt sei es, geschreddertes Geld auf die Mülldeponie zu fahren.
Und wie werden die neuen Euro-Scheine aussehen?
„Der Euro ist mehr als eine Währung – er symbolisiert die Einheit und Vielfalt Europas“, formuliert EZB-Präsidentin Christine Lagarde. Entsprechend schwierig ist es, Motive zu finden, die in allen Euro-Ländern ankommen. Nach den Vorstellungen der EZB-Chefin sollen die neuen Geldscheine nicht weniger als „unsere gemeinsame kulturelle Identität und unser Naturerbe widerspiegeln“. Gelingen soll das nach den Vorgaben der europäischen Notenbank mit der Thematisierung von europäischen Kulturstätten und Kulturschaffenden, herausragenden Europäerinnen und Europäern oder der Darstellung von Widerstandskraft und Vielfalt der Natur. Wie die neuen Banknoten aussehen werden, entscheidet der EZB-Rat voraussichtlich Ende 2026.
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