Mannheim. 14 Verhandlungstage hat die Große Wirtschaftsstrafkammer 25 am Mannheimer Landgericht terminiert – schon dies signalisiert die Komplexität des Verfahrens mit drei angeklagten Bauingenieuren in einst unterschiedlichen Positionen. Zur Last gelegt werden ihnen Untreue und Bestechlichkeit.
Provision für Begünstigung?
Die strittigen Geschehnisse, deren Ermittlungen eine Anzeige ins Rollen gebracht hat, liegen schon gut acht Jahre zurück. In dem am Montag gestarteten Prozess stehen zwei Tatkomplexe im Mittelpunkt. Einen dritten Bereich prüft gerade das Oberlandesgericht Karlsruhe. Grund: Die Wirtschaftsstrafkammer hat diesen Teil der Anklage nicht in das eröffnete Verfahren einbezogen, wogegen die Strafverfolger Beschwerde einlegten.
„Weil eine Gerichtsverhandlung auch ein kommunikativer Prozess ist“, wie der Kammervorsitzende ausführt, lässt Richter Oliver Ratzel sämtliche Beteiligte für einen kurzen Augenblick die Masken abnehmen: „Damit wir uns vorab mal alle ins Gesicht geschaut haben.“
Es sind zwei Anklagen aus den Jahren 2018 und 2019, die Staatsanwalt Sperber verliest. Einer der beiden Tatkomplexe dreht sich um den Neubau einer Eisenbahnüberführung in Karlsruhe und um das vorangestellte Ausschreibungsverfahren. Dem ehemaligen Mitarbeiter jener Firma, die für das Bewerten von eingereichten Angeboten konkurrierender Bauunternehmen zuständig war, wird vorgeworfen, er habe gemeinsam mit dem zuständigen Projektleiter eines Tochterunternehmens der Deutschen Bahn AG von einem der Bewerber eine Provision gefordert – als Gegenleistung für Begünstigung beim Auswahlverfahren. Angesichts des Millionenprojekts hätte sich bei einer angedachten Beteiligung zwischen drei und fünf Prozent eine Schmiergeldsumme von 300 000 bis 450 000 Euro ergeben. Allerdings sollten zwei andere Baufirmen deutlich niedrige Kalkulationen vorlegen, so dass die vom Staatsanwalt angekreidete Bevorzugung gar nicht erst zustande kam.
Beim Prozessauftakt zeigt sich der einst für das Prüfen von Firmenangeboten zuständige Bauingenieur S. in Teilbereichen geständig. Allerdings sind seine Schilderungen manchmal nebulös, so dass der Kammervorsitzende nachhakt: „Das ist für mich nicht nachvollziehbar.“ Der 61-jährige Angeklagte sagt aus, er könne sich heute nicht mehr erklären, warum er sich auf „die Sache“ eingelassen habe: „Ich wusste eigentlich von Anfang an, dass sie nicht funktionieren kann.“
Während S. Treffen und Absprachen rund um die Karlsruher Eisenbahnüberführung aus seiner Sicht schildert, schüttelt der einstige Projektleiter im Dienste der Bahn immer wieder demonstrativ den Kopf. Bauingenieur G., ebenfalls Jahrgang 1960, gibt an, mit unseriösen Absprachen und Provisionen nichts zu tun gehabt zu haben.
Der dritte Angeklagte weist ebenfalls von sich, was ihm der Staatsanwalt zur Last legt. Der 59-jährige soll als Geschäftsführer einer Baufirma acht Rechnungen von dem Ausschreibungsplaner S. zur Zahlung angewiesen haben – obwohl es sich um Scheinrechnungen gehandelt habe. Insgesamt 102 000 Euro, so ermittelten die Strafverfolger, sind auf das Privatkonto des mitangeklagten S. gegangen. Der Prozess wird am Mittwoch, 20. Oktober, um 9.30 Uhr fortgesetzt.
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